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[Rochow, Friedrich Eberhard von]: Versuch eines Schulbuches. Berlin, 1772.

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In dem Orte, wo ich her bin, waren
einmal viele Kinder krank. In dem Hause
aber, wo ich wohnte, war ein einzig Kind,
das wurde plötzlich sehr krank. Die Aeltern
schickten gleich nach dem Arzte. Der Arzt
kam, und brachte Arzeney mit, von derselben
Art, als er schon bey vielen Kranken mit
Nutzen gebraucht hatte: Denn alle, die es,
zu rechter Zeit, eingenommen hatten, waren
besser geworden. Dieses kranke Kind aber,
wollte durchaus nicht die Arzeney einneh-
men. Die Aeltern fragten dieses Kind, ob
es denn nicht wünschte, wieder gesund zu
werden? "O ja! liebe Aeltern! ich wünsche,
recht bald gesund zu werden," sagte das
Kind. "Nun, so mußt du auch die Arze-
"neymittel brauchen, und sie einnehmen; da-
"mit du gesund werden könnest" sprachen
die Aeltern. Aber, das Kind blieb bey sei-
nem Eigensinn. Es wollte gern gesund
werden; aber doch keine Arzeney, die die
Krankheit vertreibt, einnehmen. In wenig
Tagen mußte das Kind sterben. Zuletzt
nahm es gerne ein, aber, da war es zu
spät, und die Krankheit hatte zu sehr zuge-
nommen.

Hier war die, zu rechter Zeit einzuneh-
mende Arzeney, die Ursache vom wieder ge-

sund

In dem Orte, wo ich her bin, waren
einmal viele Kinder krank. In dem Hauſe
aber, wo ich wohnte, war ein einzig Kind,
das wurde ploͤtzlich ſehr krank. Die Aeltern
ſchickten gleich nach dem Arzte. Der Arzt
kam, und brachte Arzeney mit, von derſelben
Art, als er ſchon bey vielen Kranken mit
Nutzen gebraucht hatte: Denn alle, die es,
zu rechter Zeit, eingenommen hatten, waren
beſſer geworden. Dieſes kranke Kind aber,
wollte durchaus nicht die Arzeney einneh-
men. Die Aeltern fragten dieſes Kind, ob
es denn nicht wuͤnſchte, wieder geſund zu
werden? „O ja! liebe Aeltern! ich wuͤnſche,
recht bald geſund zu werden,“ ſagte das
Kind. „Nun, ſo mußt du auch die Arze-
„neymittel brauchen, und ſie einnehmen; da-
„mit du geſund werden koͤnneſt“ ſprachen
die Aeltern. Aber, das Kind blieb bey ſei-
nem Eigenſinn. Es wollte gern geſund
werden; aber doch keine Arzeney, die die
Krankheit vertreibt, einnehmen. In wenig
Tagen mußte das Kind ſterben. Zuletzt
nahm es gerne ein, aber, da war es zu
ſpaͤt, und die Krankheit hatte zu ſehr zuge-
nommen.

Hier war die, zu rechter Zeit einzuneh-
mende Arzeney, die Urſache vom wieder ge-

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[11/0033] In dem Orte, wo ich her bin, waren einmal viele Kinder krank. In dem Hauſe aber, wo ich wohnte, war ein einzig Kind, das wurde ploͤtzlich ſehr krank. Die Aeltern ſchickten gleich nach dem Arzte. Der Arzt kam, und brachte Arzeney mit, von derſelben Art, als er ſchon bey vielen Kranken mit Nutzen gebraucht hatte: Denn alle, die es, zu rechter Zeit, eingenommen hatten, waren beſſer geworden. Dieſes kranke Kind aber, wollte durchaus nicht die Arzeney einneh- men. Die Aeltern fragten dieſes Kind, ob es denn nicht wuͤnſchte, wieder geſund zu werden? „O ja! liebe Aeltern! ich wuͤnſche, recht bald geſund zu werden,“ ſagte das Kind. „Nun, ſo mußt du auch die Arze- „neymittel brauchen, und ſie einnehmen; da- „mit du geſund werden koͤnneſt“ ſprachen die Aeltern. Aber, das Kind blieb bey ſei- nem Eigenſinn. Es wollte gern geſund werden; aber doch keine Arzeney, die die Krankheit vertreibt, einnehmen. In wenig Tagen mußte das Kind ſterben. Zuletzt nahm es gerne ein, aber, da war es zu ſpaͤt, und die Krankheit hatte zu ſehr zuge- nommen. Hier war die, zu rechter Zeit einzuneh- mende Arzeney, die Urſache vom wieder ge- ſund

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Zitationshilfe: [Rochow, Friedrich Eberhard von]: Versuch eines Schulbuches. Berlin, 1772, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rochow_versuch_1772/33>, abgerufen am 25.11.2024.