den alten Canonen, als welche viel länger wa- ren, als heut zu Tag, zu beruffen. Denn da man durch diese Verkürzung keinen geringen Vor- theil erhalten zu haben glaubt, so will man dar- aus schliessen, daß eine nach der heutigen Art gegossene Canone die Kugel mit einer grösseren Geschwindigkeit heraus treibt, als wenn diesel- be länger wäre. Man beweiset aber dieses durch kein tüchtiges Experiment, sondern führt nur an, wie man wahrgenommen, daß eine alte Canone von 96 Lb nicht so weit geschossen, als eine heutige gantze Carthaune von 48 Lb, ungeachtet jene länger gewesen, als diese. Wenn nun gleich in beyden Fällen die Ladung an Pul- ver zum Gewicht der Kugel einerley Verhält- niß gehabt, so ist doch zu merken, daß die Geschwindigkeit der Kugel nicht so wohl von der Länge der Canone, als von der Anzahl der Caliber abhange: Also mag wohl eine solche 96 pfündige Canone länger gewesen seyn, als eine heutige ganze Carthaune, ungeachtet ihre Länge weniger Caliber in sich enthalten: und wenn eine 96 pfündige Canone ihre Kugel mit eben der Geschwindigkeit als eine ganze Car- thaune hätte heraus treiben sollen, so hätte jene um den vierten Theil länger seyn müssen, als diese.
Die fürnehmste Ursache aber, weswegen man die alten langen und schwehren Canonen abgeschafft, war ohne Zweifel die grosse Be-
schwehr-
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den alten Canonen, als welche viel laͤnger wa- ren, als heut zu Tag, zu beruffen. Denn da man durch dieſe Verkuͤrzung keinen geringen Vor- theil erhalten zu haben glaubt, ſo will man dar- aus ſchlieſſen, daß eine nach der heutigen Art gegoſſene Canone die Kugel mit einer groͤſſeren Geſchwindigkeit heraus treibt, als wenn dieſel- be laͤnger waͤre. Man beweiſet aber dieſes durch kein tuͤchtiges Experiment, ſondern fuͤhrt nur an, wie man wahrgenommen, daß eine alte Canone von 96 ℔ nicht ſo weit geſchoſſen, als eine heutige gantze Carthaune von 48 ℔, ungeachtet jene laͤnger geweſen, als dieſe. Wenn nun gleich in beyden Faͤllen die Ladung an Pul- ver zum Gewicht der Kugel einerley Verhaͤlt- niß gehabt, ſo iſt doch zu merken, daß die Geſchwindigkeit der Kugel nicht ſo wohl von der Laͤnge der Canone, als von der Anzahl der Caliber abhange: Alſo mag wohl eine ſolche 96 pfuͤndige Canone laͤnger geweſen ſeyn, als eine heutige ganze Carthaune, ungeachtet ihre Laͤnge weniger Caliber in ſich enthalten: und wenn eine 96 pfuͤndige Canone ihre Kugel mit eben der Geſchwindigkeit als eine ganze Car- thaune haͤtte heraus treiben ſollen, ſo haͤtte jene um den vierten Theil laͤnger ſeyn muͤſſen, als dieſe.
Die fuͤrnehmſte Urſache aber, weswegen man die alten langen und ſchwehren Canonen abgeſchafft, war ohne Zweifel die groſſe Be-
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den alten Canonen, als welche viel laͤnger wa-
ren, als heut zu Tag, zu beruffen. Denn da man
durch dieſe Verkuͤrzung keinen geringen Vor-
theil erhalten zu haben glaubt, ſo will man dar-
aus ſchlieſſen, daß eine nach der heutigen Art
gegoſſene Canone die Kugel mit einer groͤſſeren
Geſchwindigkeit heraus treibt, als wenn dieſel-
be laͤnger waͤre. Man beweiſet aber dieſes
durch kein tuͤchtiges Experiment, ſondern fuͤhrt
nur an, wie man wahrgenommen, daß eine
alte Canone von 96 ℔ nicht ſo weit geſchoſſen,
als eine heutige gantze Carthaune von 48 ℔,
ungeachtet jene laͤnger geweſen, als dieſe. Wenn
nun gleich in beyden Faͤllen die Ladung an Pul-
ver zum Gewicht der Kugel einerley Verhaͤlt-
niß gehabt, ſo iſt doch zu merken, daß die
Geſchwindigkeit der Kugel nicht ſo wohl von
der Laͤnge der Canone, als von der Anzahl der
Caliber abhange: Alſo mag wohl eine ſolche
96 pfuͤndige Canone laͤnger geweſen ſeyn, als
eine heutige ganze Carthaune, ungeachtet ihre
Laͤnge weniger Caliber in ſich enthalten: und
wenn eine 96 pfuͤndige Canone ihre Kugel mit
eben der Geſchwindigkeit als eine ganze Car-
thaune haͤtte heraus treiben ſollen, ſo haͤtte jene
um den vierten Theil laͤnger ſeyn muͤſſen, als
dieſe.
Die fuͤrnehmſte Urſache aber, weswegen
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Robins, Benjamin: Neue Grundsätze der Artillerie. Übers. v. Leonhard Euler. Berlin, 1745, S. 569. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robins_artillerie_1745/589>, abgerufen am 24.11.2024.
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