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Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881.

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Während hier bei den Genredarstellungen zwei bedeutende
Momente derselben Handlung zusammengestellt sind, begnügt man
sich bei den mythologischen Darstellungen meist damit, Scenen
desselben Sagenkreises zusammenzustellen. So finden wir, um
nur einige beliebig herausgerissene Beispiele namhaft zu machen,
einmal den Tod des Troilos auf der Vorderseite, den Tod des
Astyanax und des Priamos sowie die Wiedergewinnung der
Helena auf der Rückseite5). Die Wiedergewinnung der Helena
allein finden wir bald mit dem Parisurteil6), bald mit der Über-
gabe des kleinen Achill an Cheiron7), ihren Raub einmal mit dem
Zweikampf zwischen Menelaos und Paris8) zusammengestellt.

Während so die Ansätze zu dem Bestreben, inhaltlich zu-
sammengehörige Scenen zu verbinden, schon in der schwarz-
figurigen Vasenmalerei sich finden, kommt dasselbe in der strengen
rotfigurigen Vasenmalerei zu vorwiegender Geltung, wenn auch
nicht gerade zu ausschliesslicher Herrschaft. W. Klein9) hat
mit Recht betont, wie gerade die Schalenmaler sich dieses Prin-
cipes mit Vorliebe bemächtigten und es weiter ausbildeten, so
dass sie zuletzt auch in einzelnen Fällen das Innenbild zu den
Aussenbildern in Beziehung setzten. Es galt also, die alten
bildlichen Typen zu diesem neuen Verfahren zu verwenden;

Auf der Vorderseite messe letzterer das gekaufte Öl aus der vor dem Haus-
herrn stehenden Amphora in die vor ihm selbst stehende ab -- was doch
billig Sache des Verkäufers wäre --; in der zweiten Scene sei das Ge-
schäft vollendet; der Kaufmann stehe reisefertig da und, während der Haus-
herr den Gewinn berechne, sage ihm der Kaufmann, schon sei die Amphora
voll, jenem bleibe also noch viel zu verkaufen übrig, und so sei der Wunsch
des Verkäufers, reich zu werden, erfüllt. Das Gezwungene dieser Auffassung
springt von selbst in die Augen.
5) Gerhard, Etrusk. u. campanische Vasenbilder T. XXI.
6) Vgl. oben Kap. II S. 56.
7) Auf einer Vase des Pamphaios, früher bei Campana, jetzt im Louvre,
s. Brunn, Künstlergeschichte II S. 725 n. 20. Löschcke a. a. O. S. 7.
8) S. oben Kap. II S. 56. Arch. Zeit. 1851 T. 30.
9) Euphronios S. 45. Den weiteren Aufstellungen des Verfassers und
namentlich seiner Unterscheidung von "kyklischer" und "antithetischer" Kom-
position bin ich freilich ausser Stande zu folgen.

Während hier bei den Genredarstellungen zwei bedeutende
Momente derselben Handlung zusammengestellt sind, begnügt man
sich bei den mythologischen Darstellungen meist damit, Scenen
desselben Sagenkreises zusammenzustellen. So finden wir, um
nur einige beliebig herausgerissene Beispiele namhaft zu machen,
einmal den Tod des Troilos auf der Vorderseite, den Tod des
Astyanax und des Priamos sowie die Wiedergewinnung der
Helena auf der Rückseite5). Die Wiedergewinnung der Helena
allein finden wir bald mit dem Parisurteil6), bald mit der Über-
gabe des kleinen Achill an Cheiron7), ihren Raub einmal mit dem
Zweikampf zwischen Menelaos und Paris8) zusammengestellt.

Während so die Ansätze zu dem Bestreben, inhaltlich zu-
sammengehörige Scenen zu verbinden, schon in der schwarz-
figurigen Vasenmalerei sich finden, kommt dasselbe in der strengen
rotfigurigen Vasenmalerei zu vorwiegender Geltung, wenn auch
nicht gerade zu ausschlieſslicher Herrschaft. W. Klein9) hat
mit Recht betont, wie gerade die Schalenmaler sich dieses Prin-
cipes mit Vorliebe bemächtigten und es weiter ausbildeten, so
daſs sie zuletzt auch in einzelnen Fällen das Innenbild zu den
Auſsenbildern in Beziehung setzten. Es galt also, die alten
bildlichen Typen zu diesem neuen Verfahren zu verwenden;

Auf der Vorderseite messe letzterer das gekaufte Öl aus der vor dem Haus-
herrn stehenden Amphora in die vor ihm selbst stehende ab — was doch
billig Sache des Verkäufers wäre —; in der zweiten Scene sei das Ge-
schäft vollendet; der Kaufmann stehe reisefertig da und, während der Haus-
herr den Gewinn berechne, sage ihm der Kaufmann, schon sei die Amphora
voll, jenem bleibe also noch viel zu verkaufen übrig, und so sei der Wunsch
des Verkäufers, reich zu werden, erfüllt. Das Gezwungene dieser Auffassung
springt von selbst in die Augen.
5) Gerhard, Etrusk. u. campanische Vasenbilder T. XXI.
6) Vgl. oben Kap. II S. 56.
7) Auf einer Vase des Pamphaios, früher bei Campana, jetzt im Louvre,
s. Brunn, Künstlergeschichte II S. 725 n. 20. Löschcke a. a. O. S. 7.
8) S. oben Kap. II S. 56. Arch. Zeit. 1851 T. 30.
9) Euphronios S. 45. Den weiteren Aufstellungen des Verfassers und
namentlich seiner Unterscheidung von „kyklischer“ und „antithetischer“ Kom-
position bin ich freilich auſser Stande zu folgen.
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[85/0099] Während hier bei den Genredarstellungen zwei bedeutende Momente derselben Handlung zusammengestellt sind, begnügt man sich bei den mythologischen Darstellungen meist damit, Scenen desselben Sagenkreises zusammenzustellen. So finden wir, um nur einige beliebig herausgerissene Beispiele namhaft zu machen, einmal den Tod des Troilos auf der Vorderseite, den Tod des Astyanax und des Priamos sowie die Wiedergewinnung der Helena auf der Rückseite 5). Die Wiedergewinnung der Helena allein finden wir bald mit dem Parisurteil 6), bald mit der Über- gabe des kleinen Achill an Cheiron 7), ihren Raub einmal mit dem Zweikampf zwischen Menelaos und Paris 8) zusammengestellt. Während so die Ansätze zu dem Bestreben, inhaltlich zu- sammengehörige Scenen zu verbinden, schon in der schwarz- figurigen Vasenmalerei sich finden, kommt dasselbe in der strengen rotfigurigen Vasenmalerei zu vorwiegender Geltung, wenn auch nicht gerade zu ausschlieſslicher Herrschaft. W. Klein 9) hat mit Recht betont, wie gerade die Schalenmaler sich dieses Prin- cipes mit Vorliebe bemächtigten und es weiter ausbildeten, so daſs sie zuletzt auch in einzelnen Fällen das Innenbild zu den Auſsenbildern in Beziehung setzten. Es galt also, die alten bildlichen Typen zu diesem neuen Verfahren zu verwenden; 4) 5) Gerhard, Etrusk. u. campanische Vasenbilder T. XXI. 6) Vgl. oben Kap. II S. 56. 7) Auf einer Vase des Pamphaios, früher bei Campana, jetzt im Louvre, s. Brunn, Künstlergeschichte II S. 725 n. 20. Löschcke a. a. O. S. 7. 8) S. oben Kap. II S. 56. Arch. Zeit. 1851 T. 30. 9) Euphronios S. 45. Den weiteren Aufstellungen des Verfassers und namentlich seiner Unterscheidung von „kyklischer“ und „antithetischer“ Kom- position bin ich freilich auſser Stande zu folgen. 4) Auf der Vorderseite messe letzterer das gekaufte Öl aus der vor dem Haus- herrn stehenden Amphora in die vor ihm selbst stehende ab — was doch billig Sache des Verkäufers wäre —; in der zweiten Scene sei das Ge- schäft vollendet; der Kaufmann stehe reisefertig da und, während der Haus- herr den Gewinn berechne, sage ihm der Kaufmann, schon sei die Amphora voll, jenem bleibe also noch viel zu verkaufen übrig, und so sei der Wunsch des Verkäufers, reich zu werden, erfüllt. Das Gezwungene dieser Auffassung springt von selbst in die Augen.

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Zitationshilfe: Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/99>, abgerufen am 04.05.2024.