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Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881.

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dies that man auf dreifache Weise. Entweder wurde einfach
durch Erweiterung des alten Typus, durch Hinzufügen von Neben-
figuren und dergleichen, eine zweite meist gleichzeitig gedachte
Scene geschaffen, oder es wurden zwei verschiedene, demselben
Sagenkreis angehörige Typen zusammengestellt, oder endlich zu
dem alten Typus wurde als Pendant eine ganz neue Scene aus
demselben Mythenkreise zum ersten Mal bildlich gestaltet.

Das erste Verfahren befolgt z. B. Euphronios bei seiner
Geryoneusvase10). Während die Vorderseite das alte Schema des
Zweikampfes zeigt, wird auf der Rückseite die Herde des
Geryoneus, die auch bereits auf dem Kypseloskasten und einer
chalkidischen Vase11) neben den Kämpfenden dargestellt war,
durch Iolaos und andere Genossen des Herakles weggetrieben.
Ähnlich verfährt derselbe Euphronios mit dem Troilostypus12).
Schon die um Rücksicht auf Zeit und Ort unbekümmerte archaische
Kunst hatte sowol mit dem Typus der Flucht als dem der Tötung
des Troilos die zur Hilfe herbeirückenden Troer vereinigt; dies
ist der Fall auf der Vase des Klitias und Ergotimos (M. d.
I. IV 55); auf der Vase bei Gerhard (A. V. III 223) ist der Kampf
bereits entbrannt, und auf der Münchener Hydria (M. d. I. I. 34)
beschiessen die troischen Bogenschützen und Lanzenkämpfer von
Ilions Zinnen den Achilleus, während in dem Thore das Ge-
spann des zu Hilfe eilenden Hektor erscheint. Euphronios, der
strenger an Zeit und Ort sich bindet, trennt die Troer ab und
benutzt sie zu einer eigenen der Darstellung der Vorderseite
gleichzeitig gedachten Scene; während dort Achilleus den Troilos
zum Altar schleift, sehen wir auf der Rückseite die Troer sich
rüsten. In ähnlicher Weise wird der Typus des Ringkampfes
von Peleus und Thetis bei seiner Verwendung zum Schmuck
der Schalen erweitert. Schon in der archaischen Kunst werden

10) Mon ined. publ. par la societe francaise de l'Institut arch. pl. 16--17.
Wiener Vorlegebl. Ser. V T. 3. Klein a. a. O. S. 27.
11) Gerhard A. V. 105. 106.
12) Gerhard A. V. 124--126. Wiener Vorlegebl. Ser. V T. 6. Klein a. a. O.
S. 79. Den dort gemachten Versuch, die einzelnen Troer in der Rüstungs-
scene der Rückseite zu benennen, halte ich nicht für glücklich.

dies that man auf dreifache Weise. Entweder wurde einfach
durch Erweiterung des alten Typus, durch Hinzufügen von Neben-
figuren und dergleichen, eine zweite meist gleichzeitig gedachte
Scene geschaffen, oder es wurden zwei verschiedene, demselben
Sagenkreis angehörige Typen zusammengestellt, oder endlich zu
dem alten Typus wurde als Pendant eine ganz neue Scene aus
demselben Mythenkreise zum ersten Mal bildlich gestaltet.

Das erste Verfahren befolgt z. B. Euphronios bei seiner
Geryoneusvase10). Während die Vorderseite das alte Schema des
Zweikampfes zeigt, wird auf der Rückseite die Herde des
Geryoneus, die auch bereits auf dem Kypseloskasten und einer
chalkidischen Vase11) neben den Kämpfenden dargestellt war,
durch Iolaos und andere Genossen des Herakles weggetrieben.
Ähnlich verfährt derselbe Euphronios mit dem Troilostypus12).
Schon die um Rücksicht auf Zeit und Ort unbekümmerte archaische
Kunst hatte sowol mit dem Typus der Flucht als dem der Tötung
des Troilos die zur Hilfe herbeirückenden Troer vereinigt; dies
ist der Fall auf der Vase des Klitias und Ergotimos (M. d.
I. IV 55); auf der Vase bei Gerhard (A. V. III 223) ist der Kampf
bereits entbrannt, und auf der Münchener Hydria (M. d. I. I. 34)
beschieſsen die troischen Bogenschützen und Lanzenkämpfer von
Ilions Zinnen den Achilleus, während in dem Thore das Ge-
spann des zu Hilfe eilenden Hektor erscheint. Euphronios, der
strenger an Zeit und Ort sich bindet, trennt die Troer ab und
benutzt sie zu einer eigenen der Darstellung der Vorderseite
gleichzeitig gedachten Scene; während dort Achilleus den Troilos
zum Altar schleift, sehen wir auf der Rückseite die Troer sich
rüsten. In ähnlicher Weise wird der Typus des Ringkampfes
von Peleus und Thetis bei seiner Verwendung zum Schmuck
der Schalen erweitert. Schon in der archaischen Kunst werden

10) Mon inéd. publ. par la société française de l’Institut arch. pl. 16—17.
Wiener Vorlegebl. Ser. V T. 3. Klein a. a. O. S. 27.
11) Gerhard A. V. 105. 106.
12) Gerhard A. V. 124—126. Wiener Vorlegebl. Ser. V T. 6. Klein a. a. O.
S. 79. Den dort gemachten Versuch, die einzelnen Troer in der Rüstungs-
scene der Rückseite zu benennen, halte ich nicht für glücklich.
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Zitationshilfe: Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/100>, abgerufen am 03.05.2024.