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Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881.

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hier die Erzählung des Ibykos ausdrücklich der des Euripides
entgegengesetzt wird, nach welcher es der Anblick von Helenas
schöner Brust ist, der in Menelaos wieder die alte Liebe erwachen
lässt. Die oft citierte Stelle lautet (Andromache V. 629):

all os eseides maston, ekbalon xiphos
philem edexo.

Mit der Angabe des sehr unterrichteten Euripidesscholiasten,
der hier wahrscheinlich den Lysimachos benutzt, steht es nun in
scheinbar unlösbarem Widerspruch, wenn die Scholien zu V. 155
der Lysistrata des Aristophanes:

o gon Menelaos tas Elenas ta mala pa
gumnas parawidon exebal, oio, to xiphos

bemerken e istoria para Ibuko; ta de auta kai Aeskhes o Pur-
raios en te mikra Iliadi kai Euripides; womit schol. Aristoph.
Vesp. 711 übereinstimmt e istoria para Ibuko kai Euripide.
Doch ist der Widerspruch in der That nur ein scheinbarer,
da in den beiden Scholien auf ganz verschiedene Punkte der
Nachdruck gelegt wird. Der Aristophanesscholiast will nur
sagen, der Zug, dass Menelaos von Helenas Schönheit be-
rührt das Schwert habe fallen lassen, finde sich in gleicher Weise
von Lesches, Ibykos und Euripides erzählt. Der Euripides-
scholiast untersucht schärfer, was die Sinnesänderung bei Menelaos
hervorgerufen habe, und giebt der Fassung des Ibykos, wonach
Aphrodite in ihrem Heiligtum Helena aufnimmt und -- offenbar ist
das die Meinung -- mit ihrer göttlichen Macht auf Menelaos ein-
wirkt28), den Vorzug vor der gröberen sinnlichen Motivierung, der
Euripides folgt. Als Quelle der letzteren, ja auch dem Aristo-
phanes vertrauten Fassung, darf nun auf Grund des angeführten
Aristophanesscholions unbedenklich die kleine Ilias in Anspruch
genommen werden; und wenn man dies Resultat mit der An-
gabe des Euripidesscholiasten kombiniert, so folgt weiter, dass

28) Späte Nachklänge an dies Motiv bei Vergil. Aen. II 588. Quint.
Smyrn. XIII 385.

hier die Erzählung des Ibykos ausdrücklich der des Euripides
entgegengesetzt wird, nach welcher es der Anblick von Helenas
schöner Brust ist, der in Menelaos wieder die alte Liebe erwachen
läſst. Die oft citierte Stelle lautet (Andromache V. 629):

ἀλλ̕ ὡς ἐσεῖδες μαστόν, ἐκβαλὼν ξίφος
φίλημ̕ ἐδέξω.

Mit der Angabe des sehr unterrichteten Euripidesscholiasten,
der hier wahrscheinlich den Lysimachos benutzt, steht es nun in
scheinbar unlösbarem Widerspruch, wenn die Scholien zu V. 155
der Lysistrata des Aristophanes:

ὁ γῶν Μενέλαος τᾶς Ἑλένας τὰ μᾶλά πα
γυμνᾶς παραϝιδὼν ἐξέβαλ̕, οἰῶ, τὸ ξίφος

bemerken ἡ ἱστορία παρὰ Ἰβύκῳ· τὰ δὲ αὐτὰ καὶ Αέσχης ὁ Πυρ-
ραῖος ἐν τῇ μικρᾷ Ἰλιάδι καὶ Εὐριπίδης· womit schol. Aristoph.
Vesp. 711 übereinstimmt ἡ ἱστορία παρὰ Ἰβύκῳ καὶ Εὐριπίδῃ.
Doch ist der Widerspruch in der That nur ein scheinbarer,
da in den beiden Scholien auf ganz verschiedene Punkte der
Nachdruck gelegt wird. Der Aristophanesscholiast will nur
sagen, der Zug, daſs Menelaos von Helenas Schönheit be-
rührt das Schwert habe fallen lassen, finde sich in gleicher Weise
von Lesches, Ibykos und Euripides erzählt. Der Euripides-
scholiast untersucht schärfer, was die Sinnesänderung bei Menelaos
hervorgerufen habe, und giebt der Fassung des Ibykos, wonach
Aphrodite in ihrem Heiligtum Helena aufnimmt und — offenbar ist
das die Meinung — mit ihrer göttlichen Macht auf Menelaos ein-
wirkt28), den Vorzug vor der gröberen sinnlichen Motivierung, der
Euripides folgt. Als Quelle der letzteren, ja auch dem Aristo-
phanes vertrauten Fassung, darf nun auf Grund des angeführten
Aristophanesscholions unbedenklich die kleine Ilias in Anspruch
genommen werden; und wenn man dies Resultat mit der An-
gabe des Euripidesscholiasten kombiniert, so folgt weiter, daſs

28) Späte Nachklänge an dies Motiv bei Vergil. Aen. II 588. Quint.
Smyrn. XIII 385.
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[77/0091] hier die Erzählung des Ibykos ausdrücklich der des Euripides entgegengesetzt wird, nach welcher es der Anblick von Helenas schöner Brust ist, der in Menelaos wieder die alte Liebe erwachen läſst. Die oft citierte Stelle lautet (Andromache V. 629): ἀλλ̕ ὡς ἐσεῖδες μαστόν, ἐκβαλὼν ξίφος φίλημ̕ ἐδέξω. Mit der Angabe des sehr unterrichteten Euripidesscholiasten, der hier wahrscheinlich den Lysimachos benutzt, steht es nun in scheinbar unlösbarem Widerspruch, wenn die Scholien zu V. 155 der Lysistrata des Aristophanes: ὁ γῶν Μενέλαος τᾶς Ἑλένας τὰ μᾶλά πα γυμνᾶς παραϝιδὼν ἐξέβαλ̕, οἰῶ, τὸ ξίφος bemerken ἡ ἱστορία παρὰ Ἰβύκῳ· τὰ δὲ αὐτὰ καὶ Αέσχης ὁ Πυρ- ραῖος ἐν τῇ μικρᾷ Ἰλιάδι καὶ Εὐριπίδης· womit schol. Aristoph. Vesp. 711 übereinstimmt ἡ ἱστορία παρὰ Ἰβύκῳ καὶ Εὐριπίδῃ. Doch ist der Widerspruch in der That nur ein scheinbarer, da in den beiden Scholien auf ganz verschiedene Punkte der Nachdruck gelegt wird. Der Aristophanesscholiast will nur sagen, der Zug, daſs Menelaos von Helenas Schönheit be- rührt das Schwert habe fallen lassen, finde sich in gleicher Weise von Lesches, Ibykos und Euripides erzählt. Der Euripides- scholiast untersucht schärfer, was die Sinnesänderung bei Menelaos hervorgerufen habe, und giebt der Fassung des Ibykos, wonach Aphrodite in ihrem Heiligtum Helena aufnimmt und — offenbar ist das die Meinung — mit ihrer göttlichen Macht auf Menelaos ein- wirkt 28), den Vorzug vor der gröberen sinnlichen Motivierung, der Euripides folgt. Als Quelle der letzteren, ja auch dem Aristo- phanes vertrauten Fassung, darf nun auf Grund des angeführten Aristophanesscholions unbedenklich die kleine Ilias in Anspruch genommen werden; und wenn man dies Resultat mit der An- gabe des Euripidesscholiasten kombiniert, so folgt weiter, daſs 28) Späte Nachklänge an dies Motiv bei Vergil. Aen. II 588. Quint. Smyrn. XIII 385.

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Zitationshilfe: Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. 77. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/91>, abgerufen am 03.05.2024.