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Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881.

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bei diesem Laokoon Sohn des Antenor war, wie das nach unserer
Annahme unmittelbar auf Lysimachos mittelbar auf Sophokles
zurückgehende Lykophronscholion lehrt. Nun ist ja freilich bei
Hygin der ächte Vatername durch einen falschen verdrängt und
Capyos nur erst durch Koniektur eingesetzt worden. Allein
die Worte Anchisae frater, auf denen letztere beruht, machen
die Ergänzung Antenoris zu einer reinen Unmöglichkeit. Den
uralten Anchises zum Sohne des Antenor zu machen, hätte sich
selbst der ungenierteste Genealog nicht herausgenommen. Er-
innert man sich nun, dass die Geschichte bei Hygin von den
übrigen troischen Fabeln getrennt steht, dass in ihrer ursprüng-
lichen Fassung gar kein Hinweis auf irgend welchen Zusammen-
hang mit Ilions Fall sich findet, sondern einfach Laokoons Schuld
und Strafe erzählt wird, so wird man ein gleiches auch für die
poetische Quelle voraussetzen, mag dies nun Bakchylides sein,
für welchen alle unsere Voraussetzungen sehr gut zutreffen
würden, oder ein anderer.

Doch kehren wir zu Sophokles zurück; dass bei ihm Laokoon
ein Sohn des Antenor war, giebt mancherlei zu denken. Zunächst
wird man es recht passend finden, dass auf diese Weise der
Apollo-Priester Laokoon der Sohn der Athena-Priesterin Theano
ist. Und wenn man weiter erwägt, dass unter den zahlreichen
Antenoriden der Ilias sich die Namen Koon und Laodokos finden,
so liegt die Vermutung nahe, dass aus diesen beiden oder auch
nur aus dem ersten die jüngere Sage oder das spätere Lied sich
den Laokoon gebildet und dass somit Sophokles seine Genea-
logie von Arktinos übernommen habe. Allein Sophokles hatte
ja auch ein besonderes Stück Antenoridai geschrieben, welches
gerade wie der Laokoon unmittelbar vor und während der Er-
oberung Troia's spielte, in welchem die Antenoriden auszogen,
wie Aineias im Laokoon; und man beachte, dass in der Aufzählung
der sophokleischen Stücke aus dem troischen Sagenkreis, die in der
upothesis zum Aias erhalten ist, wohl die Antenoridai, nicht aber
der Laokoon genannt wird. Ich muss mich mit diesen Andeu-
tungen begnügen; denn zu einer Entscheidung der sich nach
allem diesem unwillkürlich aufdrängenden Frage, ob nicht Antenori-

bei diesem Laokoon Sohn des Antenor war, wie das nach unserer
Annahme unmittelbar auf Lysimachos mittelbar auf Sophokles
zurückgehende Lykophronscholion lehrt. Nun ist ja freilich bei
Hygin der ächte Vatername durch einen falschen verdrängt und
Capyos nur erst durch Koniektur eingesetzt worden. Allein
die Worte Anchisae frater, auf denen letztere beruht, machen
die Ergänzung Antenoris zu einer reinen Unmöglichkeit. Den
uralten Anchises zum Sohne des Antenor zu machen, hätte sich
selbst der ungenierteste Genealog nicht herausgenommen. Er-
innert man sich nun, daſs die Geschichte bei Hygin von den
übrigen troischen Fabeln getrennt steht, daſs in ihrer ursprüng-
lichen Fassung gar kein Hinweis auf irgend welchen Zusammen-
hang mit Ilions Fall sich findet, sondern einfach Laokoons Schuld
und Strafe erzählt wird, so wird man ein gleiches auch für die
poetische Quelle voraussetzen, mag dies nun Bakchylides sein,
für welchen alle unsere Voraussetzungen sehr gut zutreffen
würden, oder ein anderer.

Doch kehren wir zu Sophokles zurück; daſs bei ihm Laokoon
ein Sohn des Antenor war, giebt mancherlei zu denken. Zunächst
wird man es recht passend finden, daſs auf diese Weise der
Apollo-Priester Laokoon der Sohn der Athena-Priesterin Theano
ist. Und wenn man weiter erwägt, daſs unter den zahlreichen
Antenoriden der Ilias sich die Namen Koon und Laodokos finden,
so liegt die Vermutung nahe, daſs aus diesen beiden oder auch
nur aus dem ersten die jüngere Sage oder das spätere Lied sich
den Laokoon gebildet und daſs somit Sophokles seine Genea-
logie von Arktinos übernommen habe. Allein Sophokles hatte
ja auch ein besonderes Stück Ἀντηνορίδαι geschrieben, welches
gerade wie der Laokoon unmittelbar vor und während der Er-
oberung Troia’s spielte, in welchem die Antenoriden auszogen,
wie Aineias im Laokoon; und man beachte, daſs in der Aufzählung
der sophokleischen Stücke aus dem troischen Sagenkreis, die in der
ὑπόϑεσις zum Aias erhalten ist, wohl die Ἀντηνορίδαι, nicht aber
der Laokoon genannt wird. Ich muſs mich mit diesen Andeu-
tungen begnügen; denn zu einer Entscheidung der sich nach
allem diesem unwillkürlich aufdrängenden Frage, ob nicht Ἀντηνορί-

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[201/0215] bei diesem Laokoon Sohn des Antenor war, wie das nach unserer Annahme unmittelbar auf Lysimachos mittelbar auf Sophokles zurückgehende Lykophronscholion lehrt. Nun ist ja freilich bei Hygin der ächte Vatername durch einen falschen verdrängt und Capyos nur erst durch Koniektur eingesetzt worden. Allein die Worte Anchisae frater, auf denen letztere beruht, machen die Ergänzung Antenoris zu einer reinen Unmöglichkeit. Den uralten Anchises zum Sohne des Antenor zu machen, hätte sich selbst der ungenierteste Genealog nicht herausgenommen. Er- innert man sich nun, daſs die Geschichte bei Hygin von den übrigen troischen Fabeln getrennt steht, daſs in ihrer ursprüng- lichen Fassung gar kein Hinweis auf irgend welchen Zusammen- hang mit Ilions Fall sich findet, sondern einfach Laokoons Schuld und Strafe erzählt wird, so wird man ein gleiches auch für die poetische Quelle voraussetzen, mag dies nun Bakchylides sein, für welchen alle unsere Voraussetzungen sehr gut zutreffen würden, oder ein anderer. Doch kehren wir zu Sophokles zurück; daſs bei ihm Laokoon ein Sohn des Antenor war, giebt mancherlei zu denken. Zunächst wird man es recht passend finden, daſs auf diese Weise der Apollo-Priester Laokoon der Sohn der Athena-Priesterin Theano ist. Und wenn man weiter erwägt, daſs unter den zahlreichen Antenoriden der Ilias sich die Namen Koon und Laodokos finden, so liegt die Vermutung nahe, daſs aus diesen beiden oder auch nur aus dem ersten die jüngere Sage oder das spätere Lied sich den Laokoon gebildet und daſs somit Sophokles seine Genea- logie von Arktinos übernommen habe. Allein Sophokles hatte ja auch ein besonderes Stück Ἀντηνορίδαι geschrieben, welches gerade wie der Laokoon unmittelbar vor und während der Er- oberung Troia’s spielte, in welchem die Antenoriden auszogen, wie Aineias im Laokoon; und man beachte, daſs in der Aufzählung der sophokleischen Stücke aus dem troischen Sagenkreis, die in der ὑπόϑεσις zum Aias erhalten ist, wohl die Ἀντηνορίδαι, nicht aber der Laokoon genannt wird. Ich muſs mich mit diesen Andeu- tungen begnügen; denn zu einer Entscheidung der sich nach allem diesem unwillkürlich aufdrängenden Frage, ob nicht Ἀντηνορί-

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Zitationshilfe: Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/215>, abgerufen am 22.11.2024.