Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881.versetzte Kopfwunde haben wir schon oben bei Stesichoros kon- 23) Auf dem vatikanischen Sarkophag (Visconti Museo Pio-Clement. V 22) dem giustinianischen (Gall. Giustiniani II 130) und endlich auf dem Sarko- phag von Husillos (Museo espannol de antiguedades I 3). Michaelis Arch. Zeit. 1875 S. 107 hat das Verdienst, zuerst mancherlei verkehrten Aufstellungen gegenüber mit Entschiedenheit betont zu haben, dass die drei schlafenden Erinyen eine selbständige Scene bilden und ganz an ihrem Platze sind. Nur die Beziehung des Beiles scheint ihm entgangen zu sein. 24) Auf dem lateranensischen Sarkophag (Benndorf und Schoene 415, Garucci II, 1) und einem Fragment in Villa Albani. 25) Auf derselben Empfindung beruht es, wenn Goethe, der allein unter allen deutschen Dichtern antik empfindet, in der Iphigeneia dichtet: Elektra habe den Orestes zu der Stelle geführt, wo der Vater gefallen sei, "wo eine alte leichte Spur des frech- vergoss'nen Blutes oft gewaschnen Boden mit blassen ahndungsvollen Streifen färbte". Philolog. Untersuchungen V. 12
versetzte Kopfwunde haben wir schon oben bei Stesichoros kon- 23) Auf dem vatikanischen Sarkophag (Visconti Museo Pio-Clement. V 22) dem giustinianischen (Gall. Giustiniani II 130) und endlich auf dem Sarko- phag von Husillos (Museo español de antiguedades I 3). Michaelis Arch. Zeit. 1875 S. 107 hat das Verdienst, zuerst mancherlei verkehrten Aufstellungen gegenüber mit Entschiedenheit betont zu haben, daſs die drei schlafenden Erinyen eine selbständige Scene bilden und ganz an ihrem Platze sind. Nur die Beziehung des Beiles scheint ihm entgangen zu sein. 24) Auf dem lateranensischen Sarkophag (Benndorf und Schoene 415, Garucci II, 1) und einem Fragment in Villa Albani. 25) Auf derselben Empfindung beruht es, wenn Goethe, der allein unter allen deutschen Dichtern antik empfindet, in der Iphigeneia dichtet: Elektra habe den Orestes zu der Stelle geführt, wo der Vater gefallen sei, „wo eine alte leichte Spur des frech- vergoss’nen Blutes oft gewaschnen Boden mit blassen ahndungsvollen Streifen färbte“. Philolog. Untersuchungen V. 12
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versetzte Kopfwunde haben wir schon oben bei Stesichoros kon-
statiert. Jetzt ist es Zeit, darauf hinzuweisen, daſs in den Vasen-
darstellungen und also auch in der zu Grunde liegenden Dichtung
des Stesichoros ein tiefer poetischer Zug liegt: das Beil, welches
Klytaimnestra gegen ihren Sohn schwingt, ist dasselbe, mit dem
sie ihren Gatten erschlagen hat. Dies Beil spielt von nun an
überhaupt in Kunst und Poesie eine groſse Rolle: auf den römi-
schen Orestessarkophagen finden wir die drei Erinyen zusammen-
gekauert schlafen am Grabhügel des Agamemnon, in ihrer Mitte
liegt das Mordbeil, mit dem Agamemnon getötet worden ist 23), oder
neben der Grabesthür, in welcher der Schatten des Agamemnon
steht 24), liegt schlafend eine Erinys, aber auch neben ihr das
Beil der Klytaimnestra. Wenn Benndorfs ansprechende Kom-
bination, daſs diese Sarkophage auf den Bildercyklus des Theon
von Samos zurückgehen, das Richtige trifft, — und ich halte sie
in der That für sehr wahrscheinlich — so haben wir auch den
Urheber des ergreifend schönen Gedankens, daſs an dem Grabe
des Gemordeten die Erinyen schlafen und die mörderische
Waffe, das Symbol ungesühnten Verbrechens, als Mahnung zur
Rache 25) neben ihnen liegt, bis der Rächer naht und sie erwachen.
Nur wird man zur Rekonstruktion des Gemäldes die beiden Typen
23) Auf dem vatikanischen Sarkophag (Visconti Museo Pio-Clement. V 22)
dem giustinianischen (Gall. Giustiniani II 130) und endlich auf dem Sarko-
phag von Husillos (Museo español de antiguedades I 3). Michaelis Arch.
Zeit. 1875 S. 107 hat das Verdienst, zuerst mancherlei verkehrten Aufstellungen
gegenüber mit Entschiedenheit betont zu haben, daſs die drei schlafenden
Erinyen eine selbständige Scene bilden und ganz an ihrem Platze sind.
Nur die Beziehung des Beiles scheint ihm entgangen zu sein.
24) Auf dem lateranensischen Sarkophag (Benndorf und Schoene 415,
Garucci II, 1) und einem Fragment in Villa Albani.
25) Auf derselben Empfindung beruht es, wenn Goethe, der allein unter
allen deutschen Dichtern antik empfindet, in der Iphigeneia dichtet: Elektra
habe den Orestes zu der Stelle geführt, wo der Vater gefallen sei,
„wo eine alte leichte Spur des frech-
vergoss’nen Blutes oft gewaschnen Boden
mit blassen ahndungsvollen Streifen färbte“.
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