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Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881.

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gehalten wurde", wie matt ist es, wenn er ohne Nötigung, wie sie
sich bei unserer Annahme durch die Gefahr der Freundes-Leiche
ergiebt, so spricht, wie matt, wenn seinem Worte nicht die That
folgt. Fühlte denn Accius gar nicht, zu welch leerem Prahler da-
durch Achilleus wurde? Schon dies ist eigentlich ausreichend, um
Ribbecks Annahme zu widerlegen, dass nicht der Tod des Patro-
klos, sondern der des Hektor, ja sogar noch die Lösung von
Hektors Leiche den Inhalt des Stückes gebildet habe. Dazu
kommt der Titel Epinausimache, mit welchem auf der capito-
linischen tabula iliaca und mehrfach in der Litteratur das N
passend bezeichnet wird. Durch das Eintreten des Patroklos in
den Kampf werden die Troer zur Stadt zurückgetrieben und die
"Schlacht bei den Schiffen" erreicht ihr Ende; als Achill die
Botschaft vom Tode seines Freundes erhält, ist sie schon lange
vorüber. Mit welchem Rechte behauptet also O. Ribbeck S. 356:
"Im Drama setzte sich 'der Kampf bei den Schiffen', welcher
in unserer Ilias (XIII--XV) der Patrokleia vorangeht, nach dem
Tode des Patroklos noch fort oder entbrannte erst recht heftig".
Ich finde keine Begründung für diese Behauptung angeführt,
wenn nicht etwa der folgende Satz sie enthalten soll: "So sieht
man auf einer archaischen Amphora bei Gerhard, Auserles.
Vasenb. CXCVIII den Schatten des Helden, gleichsam Sühne
heischend, speerbewaffnet und geflügelt über den Schiffen schwe-
ben". Allein diese Anschauung beruht einfach auf falscher
Deutung. Die Vase stellt den Schatten des Achilleus dar, der
nach der Zerstörung von Ilion über den Schiffen erscheint und
die Opferung der Polyxena verlangt. Darum ist kein Grund, dem
Titel einen anderen als den zunächst liegenden und allein be-
zeugten Sinn zu geben.

Eine Musterung der Fragmente wird dies Resultat lediglich
bestätigen; sie ordnen sich leicht ein, wenn der Tod des Patro-
klos der Inhalt war, während sie bei Ribbecks Annahme nur sehr
gezwungen untergebracht werden können.

Eine Reihe von Fragmenten gehört augenscheinlich in den
Botenbericht vom Kampf:


gehalten wurde“, wie matt ist es, wenn er ohne Nötigung, wie sie
sich bei unserer Annahme durch die Gefahr der Freundes-Leiche
ergiebt, so spricht, wie matt, wenn seinem Worte nicht die That
folgt. Fühlte denn Accius gar nicht, zu welch leerem Prahler da-
durch Achilleus wurde? Schon dies ist eigentlich ausreichend, um
Ribbecks Annahme zu widerlegen, daſs nicht der Tod des Patro-
klos, sondern der des Hektor, ja sogar noch die Lösung von
Hektors Leiche den Inhalt des Stückes gebildet habe. Dazu
kommt der Titel Epinausimache, mit welchem auf der capito-
linischen tabula iliaca und mehrfach in der Litteratur das Ν
passend bezeichnet wird. Durch das Eintreten des Patroklos in
den Kampf werden die Troer zur Stadt zurückgetrieben und die
„Schlacht bei den Schiffen“ erreicht ihr Ende; als Achill die
Botschaft vom Tode seines Freundes erhält, ist sie schon lange
vorüber. Mit welchem Rechte behauptet also O. Ribbeck S. 356:
„Im Drama setzte sich ‘der Kampf bei den Schiffen’, welcher
in unserer Ilias (XIII—XV) der Πατρόκλεια vorangeht, nach dem
Tode des Patroklos noch fort oder entbrannte erst recht heftig“.
Ich finde keine Begründung für diese Behauptung angeführt,
wenn nicht etwa der folgende Satz sie enthalten soll: „So sieht
man auf einer archaischen Amphora bei Gerhard, Auserles.
Vasenb. CXCVIII den Schatten des Helden, gleichsam Sühne
heischend, speerbewaffnet und geflügelt über den Schiffen schwe-
ben“. Allein diese Anschauung beruht einfach auf falscher
Deutung. Die Vase stellt den Schatten des Achilleus dar, der
nach der Zerstörung von Ilion über den Schiffen erscheint und
die Opferung der Polyxena verlangt. Darum ist kein Grund, dem
Titel einen anderen als den zunächst liegenden und allein be-
zeugten Sinn zu geben.

Eine Musterung der Fragmente wird dies Resultat lediglich
bestätigen; sie ordnen sich leicht ein, wenn der Tod des Patro-
klos der Inhalt war, während sie bei Ribbecks Annahme nur sehr
gezwungen untergebracht werden können.

Eine Reihe von Fragmenten gehört augenscheinlich in den
Botenbericht vom Kampf:


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[136/0150] gehalten wurde“, wie matt ist es, wenn er ohne Nötigung, wie sie sich bei unserer Annahme durch die Gefahr der Freundes-Leiche ergiebt, so spricht, wie matt, wenn seinem Worte nicht die That folgt. Fühlte denn Accius gar nicht, zu welch leerem Prahler da- durch Achilleus wurde? Schon dies ist eigentlich ausreichend, um Ribbecks Annahme zu widerlegen, daſs nicht der Tod des Patro- klos, sondern der des Hektor, ja sogar noch die Lösung von Hektors Leiche den Inhalt des Stückes gebildet habe. Dazu kommt der Titel Epinausimache, mit welchem auf der capito- linischen tabula iliaca und mehrfach in der Litteratur das Ν passend bezeichnet wird. Durch das Eintreten des Patroklos in den Kampf werden die Troer zur Stadt zurückgetrieben und die „Schlacht bei den Schiffen“ erreicht ihr Ende; als Achill die Botschaft vom Tode seines Freundes erhält, ist sie schon lange vorüber. Mit welchem Rechte behauptet also O. Ribbeck S. 356: „Im Drama setzte sich ‘der Kampf bei den Schiffen’, welcher in unserer Ilias (XIII—XV) der Πατρόκλεια vorangeht, nach dem Tode des Patroklos noch fort oder entbrannte erst recht heftig“. Ich finde keine Begründung für diese Behauptung angeführt, wenn nicht etwa der folgende Satz sie enthalten soll: „So sieht man auf einer archaischen Amphora bei Gerhard, Auserles. Vasenb. CXCVIII den Schatten des Helden, gleichsam Sühne heischend, speerbewaffnet und geflügelt über den Schiffen schwe- ben“. Allein diese Anschauung beruht einfach auf falscher Deutung. Die Vase stellt den Schatten des Achilleus dar, der nach der Zerstörung von Ilion über den Schiffen erscheint und die Opferung der Polyxena verlangt. Darum ist kein Grund, dem Titel einen anderen als den zunächst liegenden und allein be- zeugten Sinn zu geben. Eine Musterung der Fragmente wird dies Resultat lediglich bestätigen; sie ordnen sich leicht ein, wenn der Tod des Patro- klos der Inhalt war, während sie bei Ribbecks Annahme nur sehr gezwungen untergebracht werden können. Eine Reihe von Fragmenten gehört augenscheinlich in den Botenbericht vom Kampf:

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Zitationshilfe: Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/150>, abgerufen am 02.05.2024.