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Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881.

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halbfertigen Vorstellungen ist an Stelle des einheitlichen Bildes
getreten; doch wahrlich nicht das Bild einer ganzen und vollen
Ilias, sondern unklare Reminiscenzen. Warum musste auch Brygos
mir eine ganze Geschichte erzählen wollen, was er doch nimmer-
mehr vermag; und warum musste mir, da ers wenigstens so
that, dass man es nicht merkte, die höhere Kritik über seine
Gedanken die Augen öffnen.

Ich kann diesen Gegenstand nicht verlassen, ohne um sichere
Feststellung der Indicien zu bitten, an denen man erkennen kann,
wann wir uns vorzustellen haben, dass im Innenbild erzählt wird,
was auf den Aussenbildern dargestellt ist, und wann nicht. Soll
ich mir z. B. denken, dass auf der Theseusschale des Euphronios
Theseus der Amphitrite die Abenteuer erzählt, die wir auf der
Aussenseite dargestellt sehen, oder dass auf der Eurystheusvase
desselben Meisters die Hetäre dem athenischen Mann den Mythos
vom Herakles erzählt, oder auf der Satyrvase des Duris Chry-
sippos der Zeuxo von dem Satyrspiel an den letzten Dionysien
oder Achilleus der Diomede von seinen jugendlichen Reitübungen
in Phthia? Denn was sind diese Deutungen anders als die ein-
fache Konsequenz jener neuen Erklärung der Brygosschale?

Vom Standpunkte dieser höheren Kritik aus bestreitet nun
Brunn auch die zuletzt von mir (Thanatos S. 7) vertretene
Deutung der Darstellung des Pariser Kraters 34) auf den von
Hypnos und Thanatos getragenen Sarpedon und hält an seiner
eigenen, früher aufgestellten Deutung auf Memnon 35) fest. Ich
bekenne allerdings geglaubt zu haben, dass Brunn seine damalige
Argumentation längst aufgegeben habe, und ein näheres Eingehen
auf die Einzelnheiten derselben nicht mehr am Platze sei; da er
aber zu meiner Überraschung noch heute an derselben festhält
und sogar die Geltung als höhere Methode für dieselbe bean-
sprucht, so nötigt er mich, das Versäumte nachzuholen.

Auf dem schon oben (S. 95) gelegentlich erwähnten Krater
ist auf der einen Seite die Gesandtschaft an Achill, auf der andern

34) M. d. I. VI 21. vgl. J. Lessing de mortis apud veteres figura p. 39.
Luckenbach a. a. O. S. 619.
35) A. d. I. 1858 p. 372 s.

halbfertigen Vorstellungen ist an Stelle des einheitlichen Bildes
getreten; doch wahrlich nicht das Bild einer ganzen und vollen
Ilias, sondern unklare Reminiscenzen. Warum muſste auch Brygos
mir eine ganze Geschichte erzählen wollen, was er doch nimmer-
mehr vermag; und warum muſste mir, da ers wenigstens so
that, daſs man es nicht merkte, die höhere Kritik über seine
Gedanken die Augen öffnen.

Ich kann diesen Gegenstand nicht verlassen, ohne um sichere
Feststellung der Indicien zu bitten, an denen man erkennen kann,
wann wir uns vorzustellen haben, daſs im Innenbild erzählt wird,
was auf den Auſsenbildern dargestellt ist, und wann nicht. Soll
ich mir z. B. denken, daſs auf der Theseusschale des Euphronios
Theseus der Amphitrite die Abenteuer erzählt, die wir auf der
Auſsenseite dargestellt sehen, oder daſs auf der Eurystheusvase
desselben Meisters die Hetäre dem athenischen Mann den Mythos
vom Herakles erzählt, oder auf der Satyrvase des Duris Chry-
sippos der Zeuxo von dem Satyrspiel an den letzten Dionysien
oder Achilleus der Diomede von seinen jugendlichen Reitübungen
in Phthia? Denn was sind diese Deutungen anders als die ein-
fache Konsequenz jener neuen Erklärung der Brygosschale?

Vom Standpunkte dieser höheren Kritik aus bestreitet nun
Brunn auch die zuletzt von mir (Thanatos S. 7) vertretene
Deutung der Darstellung des Pariser Kraters 34) auf den von
Hypnos und Thanatos getragenen Sarpedon und hält an seiner
eigenen, früher aufgestellten Deutung auf Memnon 35) fest. Ich
bekenne allerdings geglaubt zu haben, daſs Brunn seine damalige
Argumentation längst aufgegeben habe, und ein näheres Eingehen
auf die Einzelnheiten derselben nicht mehr am Platze sei; da er
aber zu meiner Überraschung noch heute an derselben festhält
und sogar die Geltung als höhere Methode für dieselbe bean-
sprucht, so nötigt er mich, das Versäumte nachzuholen.

Auf dem schon oben (S. 95) gelegentlich erwähnten Krater
ist auf der einen Seite die Gesandtschaft an Achill, auf der andern

34) M. d. I. VI 21. vgl. J. Lessing de mortis apud veteres figura p. 39.
Luckenbach a. a. O. S. 619.
35) A. d. I. 1858 p. 372 s.
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[104/0118] halbfertigen Vorstellungen ist an Stelle des einheitlichen Bildes getreten; doch wahrlich nicht das Bild einer ganzen und vollen Ilias, sondern unklare Reminiscenzen. Warum muſste auch Brygos mir eine ganze Geschichte erzählen wollen, was er doch nimmer- mehr vermag; und warum muſste mir, da ers wenigstens so that, daſs man es nicht merkte, die höhere Kritik über seine Gedanken die Augen öffnen. Ich kann diesen Gegenstand nicht verlassen, ohne um sichere Feststellung der Indicien zu bitten, an denen man erkennen kann, wann wir uns vorzustellen haben, daſs im Innenbild erzählt wird, was auf den Auſsenbildern dargestellt ist, und wann nicht. Soll ich mir z. B. denken, daſs auf der Theseusschale des Euphronios Theseus der Amphitrite die Abenteuer erzählt, die wir auf der Auſsenseite dargestellt sehen, oder daſs auf der Eurystheusvase desselben Meisters die Hetäre dem athenischen Mann den Mythos vom Herakles erzählt, oder auf der Satyrvase des Duris Chry- sippos der Zeuxo von dem Satyrspiel an den letzten Dionysien oder Achilleus der Diomede von seinen jugendlichen Reitübungen in Phthia? Denn was sind diese Deutungen anders als die ein- fache Konsequenz jener neuen Erklärung der Brygosschale? Vom Standpunkte dieser höheren Kritik aus bestreitet nun Brunn auch die zuletzt von mir (Thanatos S. 7) vertretene Deutung der Darstellung des Pariser Kraters 34) auf den von Hypnos und Thanatos getragenen Sarpedon und hält an seiner eigenen, früher aufgestellten Deutung auf Memnon 35) fest. Ich bekenne allerdings geglaubt zu haben, daſs Brunn seine damalige Argumentation längst aufgegeben habe, und ein näheres Eingehen auf die Einzelnheiten derselben nicht mehr am Platze sei; da er aber zu meiner Überraschung noch heute an derselben festhält und sogar die Geltung als höhere Methode für dieselbe bean- sprucht, so nötigt er mich, das Versäumte nachzuholen. Auf dem schon oben (S. 95) gelegentlich erwähnten Krater ist auf der einen Seite die Gesandtschaft an Achill, auf der andern 34) M. d. I. VI 21. vgl. J. Lessing de mortis apud veteres figura p. 39. Luckenbach a. a. O. S. 619. 35) A. d. I. 1858 p. 372 s.

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Zitationshilfe: Robert, Carl: Bild und Lied. Archäologische Beiträge zur Geschichte der griechischen Heldensage. Berlin, 1881, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/robert_griechische_1881/118>, abgerufen am 24.11.2024.