Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.1. Das Pflanzenrankenornament in der byzantinischen Kunst. übrigen asiatischen Länder vorzunehmen, die zu Ostrom Beziehungenunterhalten haben. Hinsichtlich Kleinasiens ist das zugängliche publicirte Material leider ein so geringfügiges, dass wir dasselbe ohne Schaden ausser Rechnung lassen können, zumal auch die Vermuthung gestattet ist, dass gerade der westlichste Vorsprung Asiens dem Beispiele von Byzanz am nächsten und engsten gefolgt sein mag. Dagegen liegt eine an Zahl geringe, inhaltlich aber werthvolle Denkmälergruppe aus den östlichsten Grenzgebieten der Mittelmeerkultur vor, die zwar keine politische, wohl aber eine künstlerische Provinz des Römerreiches ge- bildet haben. Eine sehr wichtige, ja entscheidende Rolle bei der Herausbildung Eigentlich ist es recht merkwürdig und bezeichnend dafür, wohin 1. Das Pflanzenrankenornament in der byzantinischen Kunst. übrigen asiatischen Länder vorzunehmen, die zu Ostrom Beziehungenunterhalten haben. Hinsichtlich Kleinasiens ist das zugängliche publicirte Material leider ein so geringfügiges, dass wir dasselbe ohne Schaden ausser Rechnung lassen können, zumal auch die Vermuthung gestattet ist, dass gerade der westlichste Vorsprung Asiens dem Beispiele von Byzanz am nächsten und engsten gefolgt sein mag. Dagegen liegt eine an Zahl geringe, inhaltlich aber werthvolle Denkmälergruppe aus den östlichsten Grenzgebieten der Mittelmeerkultur vor, die zwar keine politische, wohl aber eine künstlerische Provinz des Römerreiches ge- bildet haben. Eine sehr wichtige, ja entscheidende Rolle bei der Herausbildung Eigentlich ist es recht merkwürdig und bezeichnend dafür, wohin <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0323" n="297"/><fw place="top" type="header">1. Das Pflanzenrankenornament in der byzantinischen Kunst.</fw><lb/> übrigen asiatischen Länder vorzunehmen, die zu Ostrom Beziehungen<lb/> unterhalten haben. Hinsichtlich <hi rendition="#g">Kleinasiens</hi> ist das zugängliche<lb/> publicirte Material leider ein so geringfügiges, dass wir dasselbe ohne<lb/> Schaden ausser Rechnung lassen können, zumal auch die <choice><sic>Vermuthnng</sic><corr>Vermuthung</corr></choice><lb/> gestattet ist, dass gerade der westlichste Vorsprung Asiens dem Beispiele<lb/> von Byzanz am nächsten und engsten gefolgt sein mag. Dagegen liegt<lb/> eine an Zahl geringe, inhaltlich aber werthvolle Denkmälergruppe aus<lb/> den östlichsten Grenzgebieten der Mittelmeerkultur vor, die zwar keine<lb/> politische, wohl aber eine künstlerische Provinz des Römerreiches ge-<lb/> bildet haben.</p><lb/> <p>Eine sehr wichtige, ja entscheidende Rolle bei der Herausbildung<lb/> eines mittelalterlich- orientalischen, des sogen. saracenischen Stils pflegt<lb/> man den <hi rendition="#g">Persern der Sassanidenzeit</hi> (220—641 n. Ch.) zuzuschreiben.<lb/> Was uns von bezüglichen Denkmälern mit ornamentaler Ausstattung<lb/> erhalten ist, würde nach dieser geltenden Auffassung eher seinen Platz<lb/> unter den beglaubigt saracenischen Denkmälern selbst, oder doch als<lb/> Einleitung zu diesen letzteren beanspruchen. Dass wir nichtsdesto-<lb/> weniger die Besprechung auch der persisch-sassanidischen Denkmäler-<lb/> gruppe derjenigen der byzantinischen Fortbildungen der antiken Ran-<lb/> kenornamentik anreihen, hoffen wir im Laufe unserer Ausführungen<lb/> selbst zu rechtfertigen.</p><lb/> <p>Eigentlich ist es recht merkwürdig und bezeichnend dafür, wohin<lb/> wir mit der blinden Anhängerschaft des Kunstmaterialismus und der<lb/> vermeintlich autochthonen Entwicklung fast jeder Kunstweise von<lb/> einigem nationalen Gepräge gerathen sind, dass es einer Rechtfertigung<lb/> nach der gedachten Richtung heute überhaupt noch bedarf. Leute, die<lb/> noch einen offenen, durch Voreingenommenheit nicht getrübten Blick<lb/> für historische Entwicklungen besassen, haben — wie wir sehen werden<lb/> — schon vor vierzig und mehr Jahren nicht einen Augenblick ge-<lb/> zweifelt, dass die bezüglichen Denkmäler der Sassanidenkunst in eng-<lb/> stem Zusammenhange mit der Kunst des abendländischen Westens<lb/> gestanden sein müssen. Erst die seither aufgekommene übermächtige<lb/> Bewegung, die überall sozusagen spontan wirkende materielle Hebel<lb/> für das Kunstschaffen thätig sehen möchte, wo es sich um traditionelle<lb/> Anlernung und Nachahmung handelt, hat die ursprünglichen richtigen<lb/> Anschauungen unbefangener Forscher verdunkelt und in den Hinter-<lb/> grund gedrängt. Indem wir also einige besonders charakteristische<lb/> dieser Denkmäler nach der Publikation von Flandin und Coste, <hi rendition="#i">Voyage<lb/> en Perse</hi> in Erörterung ziehen, werden wir uns nicht auf die blosse<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [297/0323]
1. Das Pflanzenrankenornament in der byzantinischen Kunst.
übrigen asiatischen Länder vorzunehmen, die zu Ostrom Beziehungen
unterhalten haben. Hinsichtlich Kleinasiens ist das zugängliche
publicirte Material leider ein so geringfügiges, dass wir dasselbe ohne
Schaden ausser Rechnung lassen können, zumal auch die Vermuthung
gestattet ist, dass gerade der westlichste Vorsprung Asiens dem Beispiele
von Byzanz am nächsten und engsten gefolgt sein mag. Dagegen liegt
eine an Zahl geringe, inhaltlich aber werthvolle Denkmälergruppe aus
den östlichsten Grenzgebieten der Mittelmeerkultur vor, die zwar keine
politische, wohl aber eine künstlerische Provinz des Römerreiches ge-
bildet haben.
Eine sehr wichtige, ja entscheidende Rolle bei der Herausbildung
eines mittelalterlich- orientalischen, des sogen. saracenischen Stils pflegt
man den Persern der Sassanidenzeit (220—641 n. Ch.) zuzuschreiben.
Was uns von bezüglichen Denkmälern mit ornamentaler Ausstattung
erhalten ist, würde nach dieser geltenden Auffassung eher seinen Platz
unter den beglaubigt saracenischen Denkmälern selbst, oder doch als
Einleitung zu diesen letzteren beanspruchen. Dass wir nichtsdesto-
weniger die Besprechung auch der persisch-sassanidischen Denkmäler-
gruppe derjenigen der byzantinischen Fortbildungen der antiken Ran-
kenornamentik anreihen, hoffen wir im Laufe unserer Ausführungen
selbst zu rechtfertigen.
Eigentlich ist es recht merkwürdig und bezeichnend dafür, wohin
wir mit der blinden Anhängerschaft des Kunstmaterialismus und der
vermeintlich autochthonen Entwicklung fast jeder Kunstweise von
einigem nationalen Gepräge gerathen sind, dass es einer Rechtfertigung
nach der gedachten Richtung heute überhaupt noch bedarf. Leute, die
noch einen offenen, durch Voreingenommenheit nicht getrübten Blick
für historische Entwicklungen besassen, haben — wie wir sehen werden
— schon vor vierzig und mehr Jahren nicht einen Augenblick ge-
zweifelt, dass die bezüglichen Denkmäler der Sassanidenkunst in eng-
stem Zusammenhange mit der Kunst des abendländischen Westens
gestanden sein müssen. Erst die seither aufgekommene übermächtige
Bewegung, die überall sozusagen spontan wirkende materielle Hebel
für das Kunstschaffen thätig sehen möchte, wo es sich um traditionelle
Anlernung und Nachahmung handelt, hat die ursprünglichen richtigen
Anschauungen unbefangener Forscher verdunkelt und in den Hinter-
grund gedrängt. Indem wir also einige besonders charakteristische
dieser Denkmäler nach der Publikation von Flandin und Coste, Voyage
en Perse in Erörterung ziehen, werden wir uns nicht auf die blosse
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