Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.1. Das Pflanzenrankenornament in der byzantinischen Kunst. Aus diesem Kelch erhebt sich eine dreiblättrige Blüthenkrone, zunächststehend dem dreiblättrigen Lotusprofil. Es kann kein Zweifel sein: es ist die alte griechische intermittirende Wellenranke, deren Palmetten allerdings beeinflusst erscheinen von jener Blattbildung, die sich in- zwischen am Akanthus infolge der Auflösung seiner individuellen Selbst- ständigkeit vollzogen hat. Der Ornamentstreifen endlich, der die Deckplatte ziert, zeigt eine Was an Fig. 142 und 144 die darin enthaltene Veränderung gegen- Betrachten wir dagegen Fig. 14524), die gleichfalls von einer Arkade 24) Salzenberg XV. 7.
1. Das Pflanzenrankenornament in der byzantinischen Kunst. Aus diesem Kelch erhebt sich eine dreiblättrige Blüthenkrone, zunächststehend dem dreiblättrigen Lotusprofil. Es kann kein Zweifel sein: es ist die alte griechische intermittirende Wellenranke, deren Palmetten allerdings beeinflusst erscheinen von jener Blattbildung, die sich in- zwischen am Akanthus infolge der Auflösung seiner individuellen Selbst- ständigkeit vollzogen hat. Der Ornamentstreifen endlich, der die Deckplatte ziert, zeigt eine Was an Fig. 142 und 144 die darin enthaltene Veränderung gegen- Betrachten wir dagegen Fig. 14524), die gleichfalls von einer Arkade 24) Salzenberg XV. 7.
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1. Das Pflanzenrankenornament in der byzantinischen Kunst.
Aus diesem Kelch erhebt sich eine dreiblättrige Blüthenkrone, zunächst
stehend dem dreiblättrigen Lotusprofil. Es kann kein Zweifel sein: es
ist die alte griechische intermittirende Wellenranke, deren Palmetten
allerdings beeinflusst erscheinen von jener Blattbildung, die sich in-
zwischen am Akanthus infolge der Auflösung seiner individuellen Selbst-
ständigkeit vollzogen hat.
Der Ornamentstreifen endlich, der die Deckplatte ziert, zeigt eine
fortlaufende Wellenranke, aber nach dem alten griechischen Schema:
bloss die abzweigenden Blätter zeigen eine Stilisirung, die gerade so
viel vom Palmettenhabitus noch beibehalten hat, um die Abkunft von
diesem letzteren zu erweisen. In der Mitte ist dieser Streifen unter-
brochen von einer ausladenden Bosse, die mit einer Lotusblüthen-Pal-
mettenreihe verziert ist. Die Lotusblüthen zeigen die gleiche Stilisirung
wie die vorbesprochenen der intermittirenden Wellenranke zwischen den
Voluten des Kapitäls, und die Palmetten verrathen an den Voluten
gleichfalls die deutliche Beeinflussung des mit dem byzantinischen
Akanthusornament stattgehabten Auflösungsprocesses.
Was an Fig. 142 und 144 die darin enthaltene Veränderung gegen-
über dem klassisch-antiken Rankenornament für den oberflächlichen
Blick so schwer erkennbar macht, ist der Umstand, dass die Kurven,
in welchen sich die Rankenlinien bewegen, nichts Auffälliges gegen-
über der griechischen Weise zeigen. Es ist die Bewegung der uns
wohlvertrauten fortlaufenden Wellenranke, die uns da entgegentritt.
In der That hat die klassisch-antike Rankenornamentik im Allgemeinen
bis an ihr äusserstes Ende niemals verläugnet, dass sie ursprünglich
aus der Spiralornamentik hervorgegangen ist: selbst als das ausgebil-
dete Akanthushalbblatt jede Erinnerung an die ehemalige fast rein
geometrische Bedeutung der blossen Zwickelfüllung vollständig ver-
wischt hatte, wurde der rollende Schwung der Ranken immer noch aus
dem Kreise heraus konstruirt.
Betrachten wir dagegen Fig. 145 24), die gleichfalls von einer Arkade
der Hagia-Sophia entlehnt ist. Fassen wir zuerst das Ornament der Bogen-
leibung oben in’s Auge. Die Ranken laufen hier nicht mehr zu runden,
sondern zu spitzovalen Konfigurationen zusammen. Dieser Punkt ist
ein besonders entscheidender für den Werdeprocess einer, neuen Im-
pulsen folgenden Dekorationskunst im Osten des Mittelmeers. Die Ver-
änderung im Verhältniss zwischen Ranke und Blatt, die wir an Fig. 144
24) Salzenberg XV. 7.
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