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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

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Die Arabeske.
folgerichtigermaassen eine kielbogenartig ausgeschweifte spitze
Ausladung.

Fassen wir nun die Einzelmotive in's Auge, die sich an die das
Gerippe bildenden Linien ansetzen. Auch von diesen geben wir neben-
stehend die wichtigsten in besonderer Reproduktion, und versehen sie
mit den Nummern, welche wir den parallelen Motiven von Fig. 138
gegeben haben6).

Worüber uns die in blossen Umrissen gezeichneten Motive in
Fig. 138 im Zweifel gelassen haben, dafür bieten uns diejenigen von
Fig. 139 infolge der ihnen verliehenen Modellirung willkommenen Auf-
schluss. Die blattartig ausgezackten Linien, durch welche diese
Modellirung bewerkstelligt erscheint, stellen in zweifelloser Weise
die Verbindung mit dem Pflanzenhabitus
her. Stilisirte Blatt-
oder Blüthenformen sind es, die uns in Fig. 139 a-d entgegentreten;
daraus ergiebt sich aber zugleich mit Nothwendigkeit, dass wir berechtigt
sind die Linien, an welchen die bezüglichen Motive haften, schlankweg
als Ranken zu bezeichnen.

Die Motive a-d sind augenscheinlich sämmtlich in Seitenansicht
gehalten. Bemerkenswerth an und für sich und auch für die Profil-
richtung ist die volutenförmig gekrümmte Linie, der Halbkelch, der sich
an jedem einzelnen der Motive a-d unten am Ansatze eingezeichnet
findet. Innerhalb dieser Gemeinsamkeit lässt sich aber eine Zweithei-
lung vornehmen. Die Motive a und b stellen sich dar als Gabelungen
eines Motives in der Seitenansicht: wir wollen demgemäss hiefür die
Bezeichnung Gabelranke7) wählen.

Die Motive c und d hingegen sind Einzelmotive; d nähert sich
seiner Gliederung halber dem Typus b. Da d augenscheinlich die
Hälfte von g darstellt, wollen wir vor der Fixirung einer Bezeichnung
für die Motive c, d, die übrigen drei in Betracht ziehen.

Die Motive e, f, g, bezeichnen pflanzliche Blüthenmotive in Voll-
ansicht. Als absolut war dieselbe allerdings schwerlich gemeint; dass

6) Nur hinsichtlich der Fig. f obwaltet beiderseits keine unmittelbare
Analogie. -- Die Ausläufer der Ranken sind zum Theil kugelförmig wie an
Fig. 138, (vgl. Anm. 3), zum Theil als spiralige Einrollungen deutlich
charakterisirt.
7) Früher (im Jahrbuch der kunsthistor. Samml. des österr. Kaiserhauses
XIII. 267 ff.) habe ich das Motiv als zwiespältige Rankentheilung bezeichnet;
im Text zu der vom k. k. österr. Handelsmuseum herausgegebenen Publikation
über "Orientalische Teppiche" erscheint bereits die obige kürzere Bezeichnung
gebraucht.

Die Arabeske.
folgerichtigermaassen eine kielbogenartig ausgeschweifte spitze
Ausladung.

Fassen wir nun die Einzelmotive in’s Auge, die sich an die das
Gerippe bildenden Linien ansetzen. Auch von diesen geben wir neben-
stehend die wichtigsten in besonderer Reproduktion, und versehen sie
mit den Nummern, welche wir den parallelen Motiven von Fig. 138
gegeben haben6).

Worüber uns die in blossen Umrissen gezeichneten Motive in
Fig. 138 im Zweifel gelassen haben, dafür bieten uns diejenigen von
Fig. 139 infolge der ihnen verliehenen Modellirung willkommenen Auf-
schluss. Die blattartig ausgezackten Linien, durch welche diese
Modellirung bewerkstelligt erscheint, stellen in zweifelloser Weise
die Verbindung mit dem Pflanzenhabitus
her. Stilisirte Blatt-
oder Blüthenformen sind es, die uns in Fig. 139 a-d entgegentreten;
daraus ergiebt sich aber zugleich mit Nothwendigkeit, dass wir berechtigt
sind die Linien, an welchen die bezüglichen Motive haften, schlankweg
als Ranken zu bezeichnen.

Die Motive a-d sind augenscheinlich sämmtlich in Seitenansicht
gehalten. Bemerkenswerth an und für sich und auch für die Profil-
richtung ist die volutenförmig gekrümmte Linie, der Halbkelch, der sich
an jedem einzelnen der Motive a-d unten am Ansatze eingezeichnet
findet. Innerhalb dieser Gemeinsamkeit lässt sich aber eine Zweithei-
lung vornehmen. Die Motive a und b stellen sich dar als Gabelungen
eines Motives in der Seitenansicht: wir wollen demgemäss hiefür die
Bezeichnung Gabelranke7) wählen.

Die Motive c und d hingegen sind Einzelmotive; d nähert sich
seiner Gliederung halber dem Typus b. Da d augenscheinlich die
Hälfte von g darstellt, wollen wir vor der Fixirung einer Bezeichnung
für die Motive c, d, die übrigen drei in Betracht ziehen.

Die Motive e, f, g, bezeichnen pflanzliche Blüthenmotive in Voll-
ansicht. Als absolut war dieselbe allerdings schwerlich gemeint; dass

6) Nur hinsichtlich der Fig. f obwaltet beiderseits keine unmittelbare
Analogie. — Die Ausläufer der Ranken sind zum Theil kugelförmig wie an
Fig. 138, (vgl. Anm. 3), zum Theil als spiralige Einrollungen deutlich
charakterisirt.
7) Früher (im Jahrbuch der kunsthistor. Samml. des österr. Kaiserhauses
XIII. 267 ff.) habe ich das Motiv als zwiespältige Rankentheilung bezeichnet;
im Text zu der vom k. k. österr. Handelsmuseum herausgegebenen Publikation
über „Orientalische Teppiche“ erscheint bereits die obige kürzere Bezeichnung
gebraucht.
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[263/0289] Die Arabeske. folgerichtigermaassen eine kielbogenartig ausgeschweifte spitze Ausladung. Fassen wir nun die Einzelmotive in’s Auge, die sich an die das Gerippe bildenden Linien ansetzen. Auch von diesen geben wir neben- stehend die wichtigsten in besonderer Reproduktion, und versehen sie mit den Nummern, welche wir den parallelen Motiven von Fig. 138 gegeben haben 6). Worüber uns die in blossen Umrissen gezeichneten Motive in Fig. 138 im Zweifel gelassen haben, dafür bieten uns diejenigen von Fig. 139 infolge der ihnen verliehenen Modellirung willkommenen Auf- schluss. Die blattartig ausgezackten Linien, durch welche diese Modellirung bewerkstelligt erscheint, stellen in zweifelloser Weise die Verbindung mit dem Pflanzenhabitus her. Stilisirte Blatt- oder Blüthenformen sind es, die uns in Fig. 139 a-d entgegentreten; daraus ergiebt sich aber zugleich mit Nothwendigkeit, dass wir berechtigt sind die Linien, an welchen die bezüglichen Motive haften, schlankweg als Ranken zu bezeichnen. Die Motive a-d sind augenscheinlich sämmtlich in Seitenansicht gehalten. Bemerkenswerth an und für sich und auch für die Profil- richtung ist die volutenförmig gekrümmte Linie, der Halbkelch, der sich an jedem einzelnen der Motive a-d unten am Ansatze eingezeichnet findet. Innerhalb dieser Gemeinsamkeit lässt sich aber eine Zweithei- lung vornehmen. Die Motive a und b stellen sich dar als Gabelungen eines Motives in der Seitenansicht: wir wollen demgemäss hiefür die Bezeichnung Gabelranke 7) wählen. Die Motive c und d hingegen sind Einzelmotive; d nähert sich seiner Gliederung halber dem Typus b. Da d augenscheinlich die Hälfte von g darstellt, wollen wir vor der Fixirung einer Bezeichnung für die Motive c, d, die übrigen drei in Betracht ziehen. Die Motive e, f, g, bezeichnen pflanzliche Blüthenmotive in Voll- ansicht. Als absolut war dieselbe allerdings schwerlich gemeint; dass 6) Nur hinsichtlich der Fig. f obwaltet beiderseits keine unmittelbare Analogie. — Die Ausläufer der Ranken sind zum Theil kugelförmig wie an Fig. 138, (vgl. Anm. 3), zum Theil als spiralige Einrollungen deutlich charakterisirt. 7) Früher (im Jahrbuch der kunsthistor. Samml. des österr. Kaiserhauses XIII. 267 ff.) habe ich das Motiv als zwiespältige Rankentheilung bezeichnet; im Text zu der vom k. k. österr. Handelsmuseum herausgegebenen Publikation über „Orientalische Teppiche“ erscheint bereits die obige kürzere Bezeichnung gebraucht.

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Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 263. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/289>, abgerufen am 13.05.2024.