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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

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6. Das Rankengeschlinge.
dem Griffel u. s. w. Aber weder Pinsel noch Griffel schaffen automatisch,
sondern werden geführt von der menschlichen Hand, und diese von
der künstlerischen Eingebung, die Anerworbenes und geistig Erschautes
zusammenbringt und daraus in unwiderstehlichem Drange ein Neues
gestaltet.

Man ist aber mit dem Motiv von verschlungenen Rankenbändern
mit zwickelfüllenden Blüthen über die fortlaufende Längsstreifenform
hinausgegangen und hat dasselbe dazu benutzt, um abgeschlossene
Compositionen
daraus zu gestalten. Als Beispiel gebe ich in Fig. 8899),

[Abbildung] Fig. 88.

Sog. chalkidische Vase.

eine sogen. chalkidische Vase, für welche Klasse das Motiv besonders
charakteristisch ist. Die Rankenbänder gehen hier von einem festen
Mittelpunkt aus, verschlingen sich unter theilweiser Anwendung von
Klammern, divergiren nach oben und unten; im oberen Streifen endigen
sie in sogen. Epheublätter, im unteren intermittiren sie in solchen
Blättern und laufen in einen Spiralkelch aus, auf dessen zwickel-
füllendem Palmettenfächer ein Vogel sitzt.

Wir haben also in der That eine Verschlingung von regel-

99) Masner, Die Sammlung antiker Vasen und Terracotten im k. k. österr.
Museum No. 219, Taf. III.

6. Das Rankengeschlinge.
dem Griffel u. s. w. Aber weder Pinsel noch Griffel schaffen automatisch,
sondern werden geführt von der menschlichen Hand, und diese von
der künstlerischen Eingebung, die Anerworbenes und geistig Erschautes
zusammenbringt und daraus in unwiderstehlichem Drange ein Neues
gestaltet.

Man ist aber mit dem Motiv von verschlungenen Rankenbändern
mit zwickelfüllenden Blüthen über die fortlaufende Längsstreifenform
hinausgegangen und hat dasselbe dazu benutzt, um abgeschlossene
Compositionen
daraus zu gestalten. Als Beispiel gebe ich in Fig. 8899),

[Abbildung] Fig. 88.

Sog. chalkidische Vase.

eine sogen. chalkidische Vase, für welche Klasse das Motiv besonders
charakteristisch ist. Die Rankenbänder gehen hier von einem festen
Mittelpunkt aus, verschlingen sich unter theilweiser Anwendung von
Klammern, divergiren nach oben und unten; im oberen Streifen endigen
sie in sogen. Epheublätter, im unteren intermittiren sie in solchen
Blättern und laufen in einen Spiralkelch aus, auf dessen zwickel-
füllendem Palmettenfächer ein Vogel sitzt.

Wir haben also in der That eine Verschlingung von regel-

99) Masner, Die Sammlung antiker Vasen und Terracotten im k. k. österr.
Museum No. 219, Taf. III.
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[187/0213] 6. Das Rankengeschlinge. dem Griffel u. s. w. Aber weder Pinsel noch Griffel schaffen automatisch, sondern werden geführt von der menschlichen Hand, und diese von der künstlerischen Eingebung, die Anerworbenes und geistig Erschautes zusammenbringt und daraus in unwiderstehlichem Drange ein Neues gestaltet. Man ist aber mit dem Motiv von verschlungenen Rankenbändern mit zwickelfüllenden Blüthen über die fortlaufende Längsstreifenform hinausgegangen und hat dasselbe dazu benutzt, um abgeschlossene Compositionen daraus zu gestalten. Als Beispiel gebe ich in Fig. 88 99), [Abbildung Fig. 88. Sog. chalkidische Vase.] eine sogen. chalkidische Vase, für welche Klasse das Motiv besonders charakteristisch ist. Die Rankenbänder gehen hier von einem festen Mittelpunkt aus, verschlingen sich unter theilweiser Anwendung von Klammern, divergiren nach oben und unten; im oberen Streifen endigen sie in sogen. Epheublätter, im unteren intermittiren sie in solchen Blättern und laufen in einen Spiralkelch aus, auf dessen zwickel- füllendem Palmettenfächer ein Vogel sitzt. Wir haben also in der That eine Verschlingung von regel- 99) Masner, Die Sammlung antiker Vasen und Terracotten im k. k. österr. Museum No. 219, Taf. III.

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Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/213>, abgerufen am 25.11.2024.