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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

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A. Altorientalisches.
Musterung der Blätter der ersteren in querlaufendem Zickzack (Fig. 38,
im unteren Streifen), das, wie wir schon an anderen Beispielen (Fig. 36)
gesehen haben, für die assyrische Farbmusterung überhaupt charak-
teristisch ist. Die Vermuthungen der technischen Erklärer, dass die
Rosette aus der getriebenen Metallarbeit hervorgegangen wäre, sind
schlechterdings unbeweisbar 60). Wenn sich die Rosette in der assy-
rischen Kunst nicht so deutlich als pflanzlichen Ursprungs giebt, wie
in der egyptischen Kunst, wo sie häufig mit einem langen Stiel aus-
gestattet erscheint, so lässt sich dies schon aus der Neigung zu weiter-
[Abbildung] Fig. 38.

Assyrisches Bordürenmuster.

gehender Stilisirung erklären, die sich in gleicher Weise auch an der
assyrischen Lotusblüthe im Profil und an der Palmette äussert.

Am Schlusse dieser Uebersicht über die altmesopotamische Pflanzen-
ornamentik muss noch eines Motivs gedacht werden, dem bisher meines
Erachtens eine weitaus ungebührende Bedeutung und Verbreitung bei-
gemessen worden ist: des sogen. heiligen Baumes. Ein solcher "Baum"
war das geeignetste Mittel für die Trennung zweier im "Wappenstil"
gegenübergestellter Thiere. Die hohen symbolischen Bezüge, die man
in das Motiv vielfach hineingedeutelt hat, mögen beim ersten, für uns

60) Rosettenartige Motive finden sich übrigens schon unter den Höhlen-
funden der Dordogne in Bein gravirt (Fig. 6).

A. Altorientalisches.
Musterung der Blätter der ersteren in querlaufendem Zickzack (Fig. 38,
im unteren Streifen), das, wie wir schon an anderen Beispielen (Fig. 36)
gesehen haben, für die assyrische Farbmusterung überhaupt charak-
teristisch ist. Die Vermuthungen der technischen Erklärer, dass die
Rosette aus der getriebenen Metallarbeit hervorgegangen wäre, sind
schlechterdings unbeweisbar 60). Wenn sich die Rosette in der assy-
rischen Kunst nicht so deutlich als pflanzlichen Ursprungs giebt, wie
in der egyptischen Kunst, wo sie häufig mit einem langen Stiel aus-
gestattet erscheint, so lässt sich dies schon aus der Neigung zu weiter-
[Abbildung] Fig. 38.

Assyrisches Bordürenmuster.

gehender Stilisirung erklären, die sich in gleicher Weise auch an der
assyrischen Lotusblüthe im Profil und an der Palmette äussert.

Am Schlusse dieser Uebersicht über die altmesopotamische Pflanzen-
ornamentik muss noch eines Motivs gedacht werden, dem bisher meines
Erachtens eine weitaus ungebührende Bedeutung und Verbreitung bei-
gemessen worden ist: des sogen. heiligen Baumes. Ein solcher „Baum“
war das geeignetste Mittel für die Trennung zweier im „Wappenstil“
gegenübergestellter Thiere. Die hohen symbolischen Bezüge, die man
in das Motiv vielfach hineingedeutelt hat, mögen beim ersten, für uns

60) Rosettenartige Motive finden sich übrigens schon unter den Höhlen-
funden der Dordogne in Bein gravirt (Fig. 6).
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[98/0124] A. Altorientalisches. Musterung der Blätter der ersteren in querlaufendem Zickzack (Fig. 38, im unteren Streifen), das, wie wir schon an anderen Beispielen (Fig. 36) gesehen haben, für die assyrische Farbmusterung überhaupt charak- teristisch ist. Die Vermuthungen der technischen Erklärer, dass die Rosette aus der getriebenen Metallarbeit hervorgegangen wäre, sind schlechterdings unbeweisbar 60). Wenn sich die Rosette in der assy- rischen Kunst nicht so deutlich als pflanzlichen Ursprungs giebt, wie in der egyptischen Kunst, wo sie häufig mit einem langen Stiel aus- gestattet erscheint, so lässt sich dies schon aus der Neigung zu weiter- [Abbildung Fig. 38. Assyrisches Bordürenmuster.] gehender Stilisirung erklären, die sich in gleicher Weise auch an der assyrischen Lotusblüthe im Profil und an der Palmette äussert. Am Schlusse dieser Uebersicht über die altmesopotamische Pflanzen- ornamentik muss noch eines Motivs gedacht werden, dem bisher meines Erachtens eine weitaus ungebührende Bedeutung und Verbreitung bei- gemessen worden ist: des sogen. heiligen Baumes. Ein solcher „Baum“ war das geeignetste Mittel für die Trennung zweier im „Wappenstil“ gegenübergestellter Thiere. Die hohen symbolischen Bezüge, die man in das Motiv vielfach hineingedeutelt hat, mögen beim ersten, für uns 60) Rosettenartige Motive finden sich übrigens schon unter den Höhlen- funden der Dordogne in Bein gravirt (Fig. 6).

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Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/124>, abgerufen am 24.11.2024.