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Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893.

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A. Altorientalisches.
die Maori vor Zeiten, bevor sie auf Neuseeland isolirt wurden, den
Gebrauch der Metalle gekannt: denkbar wäre dies immerhin. Aber
dann müsste seither ein sehr beträchtlicher Zeitraum verflossen sein,
wie wir ihn für das Zustandekommen einer so festgeschlossenen "Stein-
zeit"-Kultur unbedingt voraussetzen müssen.

Angesichts der vielen durch sei es stabilen, sei es zufälligen Handels-
verkehr vermittelten Beeinflussungen, die es uns in der Regel so schwer
machen an den Kunstübungen primitiver Völker das wirklich Autoch-
thone, Urabgekommene von dem Hinzugetragenen, durch Mischung Er-

[Abbildung] Fig. 28.

Theil eines durchbrochenen Canoeschnabels der Maori.

zeugten zu scheiden, ist es schon ein ungeheurer Gewinn ein Gebiet
zu überblicken, das vermuthlich seit Jahrtausenden eine von Aussen
unbeeinflusste, ganz selbständige Entwicklung genommen hat36).

Da ist es nun vom grössten Interesse zu sehen, dass in der Orna-
mentik der Maori die Spirale eine überaus maassgebende Rolle spielt.
Sie findet sich da in Holz mittels Kerbschnitt eingearbeitet, dann in
Holz durchbrochen, so dass man ein Metallgitter zu sehen wähnt (Fig. 28),
ferner in nussartige Fruchtschalen gravirt (Fig. 29), wo sich die Spirale

36) Vergl. die Notiz über Neuseeländische Ornamentik in den Mittheilungen
der anthropologischen Gesellschaft in Wien 1890, S. 84 ff. Hieraus unsere
Figg. 28, 29, 30.

A. Altorientalisches.
die Maori vor Zeiten, bevor sie auf Neuseeland isolirt wurden, den
Gebrauch der Metalle gekannt: denkbar wäre dies immerhin. Aber
dann müsste seither ein sehr beträchtlicher Zeitraum verflossen sein,
wie wir ihn für das Zustandekommen einer so festgeschlossenen „Stein-
zeit“-Kultur unbedingt voraussetzen müssen.

Angesichts der vielen durch sei es stabilen, sei es zufälligen Handels-
verkehr vermittelten Beeinflussungen, die es uns in der Regel so schwer
machen an den Kunstübungen primitiver Völker das wirklich Autoch-
thone, Urabgekommene von dem Hinzugetragenen, durch Mischung Er-

[Abbildung] Fig. 28.

Theil eines durchbrochenen Canoeschnabels der Maori.

zeugten zu scheiden, ist es schon ein ungeheurer Gewinn ein Gebiet
zu überblicken, das vermuthlich seit Jahrtausenden eine von Aussen
unbeeinflusste, ganz selbständige Entwicklung genommen hat36).

Da ist es nun vom grössten Interesse zu sehen, dass in der Orna-
mentik der Maori die Spirale eine überaus maassgebende Rolle spielt.
Sie findet sich da in Holz mittels Kerbschnitt eingearbeitet, dann in
Holz durchbrochen, so dass man ein Metallgitter zu sehen wähnt (Fig. 28),
ferner in nussartige Fruchtschalen gravirt (Fig. 29), wo sich die Spirale

36) Vergl. die Notiz über Neuseeländische Ornamentik in den Mittheilungen
der anthropologischen Gesellschaft in Wien 1890, S. 84 ff. Hieraus unsere
Figg. 28, 29, 30.
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[76/0102] A. Altorientalisches. die Maori vor Zeiten, bevor sie auf Neuseeland isolirt wurden, den Gebrauch der Metalle gekannt: denkbar wäre dies immerhin. Aber dann müsste seither ein sehr beträchtlicher Zeitraum verflossen sein, wie wir ihn für das Zustandekommen einer so festgeschlossenen „Stein- zeit“-Kultur unbedingt voraussetzen müssen. Angesichts der vielen durch sei es stabilen, sei es zufälligen Handels- verkehr vermittelten Beeinflussungen, die es uns in der Regel so schwer machen an den Kunstübungen primitiver Völker das wirklich Autoch- thone, Urabgekommene von dem Hinzugetragenen, durch Mischung Er- [Abbildung Fig. 28. Theil eines durchbrochenen Canoeschnabels der Maori.] zeugten zu scheiden, ist es schon ein ungeheurer Gewinn ein Gebiet zu überblicken, das vermuthlich seit Jahrtausenden eine von Aussen unbeeinflusste, ganz selbständige Entwicklung genommen hat 36). Da ist es nun vom grössten Interesse zu sehen, dass in der Orna- mentik der Maori die Spirale eine überaus maassgebende Rolle spielt. Sie findet sich da in Holz mittels Kerbschnitt eingearbeitet, dann in Holz durchbrochen, so dass man ein Metallgitter zu sehen wähnt (Fig. 28), ferner in nussartige Fruchtschalen gravirt (Fig. 29), wo sich die Spirale 36) Vergl. die Notiz über Neuseeländische Ornamentik in den Mittheilungen der anthropologischen Gesellschaft in Wien 1890, S. 84 ff. Hieraus unsere Figg. 28, 29, 30.

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Zitationshilfe: Riegl, Alois: Stilfragen. Berlin, 1893, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/riegl_stilfragen_1893/102>, abgerufen am 06.05.2024.