gethan hat. - - Da du gleich einem Haushunde dich begnügest, an einem Knochen zu nagen, den man dir vorwirft, so kannst du auch von den Ver- gnügungen der Jagd nichts wissen, wo wir das Wild durch unwegsames Gesträuche verfolgen. Jch will mich bemühen, dich dazu aufzumun- tern, und du wirst doppelte und dreifache Ursa- chen haben, mir zu danken, so wol deines ge- genwärtigen Vergnügens wegen, als in Anse- hung deiner Aussichten jenseits der Sterne.
So weit hatte ich geschrieben, bloß um mich zu beschäftigen, ehe ich bei meiner Schönen vor- gelassen ward. Aber nun kann ich dir sagen, daß ich mich in meiner Muthmassung nicht be- trogen hatte, sie würde entschlossen seyn, sich al- lein wohin zu begeben, und mich zu verlassen. Denn sie hat mir weitläuftig genug gesagt, daß dies ihre Entschliessung wäre. Weißt du warum? weil ich, um offenherzig mit mir zu seyn, je mehr sie von mir und meiner Aufführung sähe, ihr immer weniger gefiele.
Das gieng mir durch die Seele! - - zwar weinte ich nicht; - - wäre ich ein Weibsbild gewesen, ich würde geweint haben, und das recht- schaffen. Aber ich zog ein weißes feines Schnupf- tuch hervor. Das stand mir zu Gebote, aber nicht meine Thränen.
Sie hat an meinen Versicherungen, an mei- nen Geständnissen, an meinen Gelübden etwas auszusetzen. Jch darf keinem Bedienten flu- chen, (das einzige Vorrecht, wobei man einen
Herrn
gethan hat. ‒ ‒ Da du gleich einem Haushunde dich begnuͤgeſt, an einem Knochen zu nagen, den man dir vorwirft, ſo kannſt du auch von den Ver- gnuͤgungen der Jagd nichts wiſſen, wo wir das Wild durch unwegſames Geſtraͤuche verfolgen. Jch will mich bemuͤhen, dich dazu aufzumun- tern, und du wirſt doppelte und dreifache Urſa- chen haben, mir zu danken, ſo wol deines ge- genwaͤrtigen Vergnuͤgens wegen, als in Anſe- hung deiner Ausſichten jenſeits der Sterne.
So weit hatte ich geſchrieben, bloß um mich zu beſchaͤftigen, ehe ich bei meiner Schoͤnen vor- gelaſſen ward. Aber nun kann ich dir ſagen, daß ich mich in meiner Muthmaſſung nicht be- trogen hatte, ſie wuͤrde entſchloſſen ſeyn, ſich al- lein wohin zu begeben, und mich zu verlaſſen. Denn ſie hat mir weitlaͤuftig genug geſagt, daß dies ihre Entſchlieſſung waͤre. Weißt du warum? weil ich, um offenherzig mit mir zu ſeyn, je mehr ſie von mir und meiner Auffuͤhrung ſaͤhe, ihr immer weniger gefiele.
Das gieng mir durch die Seele! ‒ ‒ zwar weinte ich nicht; ‒ ‒ waͤre ich ein Weibsbild geweſen, ich wuͤrde geweint haben, und das recht- ſchaffen. Aber ich zog ein weißes feines Schnupf- tuch hervor. Das ſtand mir zu Gebote, aber nicht meine Thraͤnen.
Sie hat an meinen Verſicherungen, an mei- nen Geſtaͤndniſſen, an meinen Geluͤbden etwas auszuſetzen. Jch darf keinem Bedienten flu- chen, (das einzige Vorrecht, wobei man einen
Herrn
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gethan hat. ‒ ‒ Da du gleich einem Haushunde
dich begnuͤgeſt, an einem Knochen zu nagen, den
man dir vorwirft, ſo kannſt du auch von den Ver-
gnuͤgungen der Jagd nichts wiſſen, wo wir das
Wild durch unwegſames Geſtraͤuche verfolgen.
Jch will mich bemuͤhen, dich dazu aufzumun-
tern, und du wirſt doppelte und dreifache Urſa-
chen haben, mir zu danken, ſo wol deines ge-
genwaͤrtigen Vergnuͤgens wegen, als in Anſe-
hung deiner Ausſichten jenſeits der Sterne.
So weit hatte ich geſchrieben, bloß um mich
zu beſchaͤftigen, ehe ich bei meiner Schoͤnen vor-
gelaſſen ward. Aber nun kann ich dir ſagen,
daß ich mich in meiner Muthmaſſung nicht be-
trogen hatte, ſie wuͤrde entſchloſſen ſeyn, ſich al-
lein wohin zu begeben, und mich zu verlaſſen.
Denn ſie hat mir weitlaͤuftig genug geſagt,
daß dies ihre Entſchlieſſung waͤre. Weißt du
warum? weil ich, um offenherzig mit mir zu
ſeyn, je mehr ſie von mir und meiner Auffuͤhrung
ſaͤhe, ihr immer weniger gefiele.
Das gieng mir durch die Seele! ‒ ‒ zwar
weinte ich nicht; ‒ ‒ waͤre ich ein Weibsbild
geweſen, ich wuͤrde geweint haben, und das recht-
ſchaffen. Aber ich zog ein weißes feines Schnupf-
tuch hervor. Das ſtand mir zu Gebote, aber
nicht meine Thraͤnen.
Sie hat an meinen Verſicherungen, an mei-
nen Geſtaͤndniſſen, an meinen Geluͤbden etwas
auszuſetzen. Jch darf keinem Bedienten flu-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 36. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/44>, abgerufen am 16.07.2024.
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