[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753.mann als einen Mann zu schildern, den die Schönen überhaupt warscheinlicher Weise lie- ben werden. Wenn dies wäre, so würde die Güte des Herzens, die Höflichkeit in den Manieren, eine große Beständigkeit in sei- nen Aufwartungen, und eine unverletzte bescheidne Liebe nicht als Eigenschaften an- gesehen seyn, die allein hinlänglich wären, ihn dem schönen Geschlecht zu empfehlen. Man hätte ihm nicht das geringste von seiner Sorg- falt in Kleinigkeiten, und im Ceremoniel ge- geben, ob man gleich diese Mängel leicht seiner Ehrerbietung vor dem Gegenstande seiner Liebe zuschreiben können. Aber man hatte die Absicht, an seinem Charackter zu zeigen, daß ein Mann nicht alles seyn könnte; und dem schönen Ge- schlecht einen Wink zu geben, daß sie bei der Wahl eines Gesellschafters auf Zeitlebens, lie- ber das redliche Herz eines Hickmanns vorzie- hen sollten, welchen sie ganz zu eigen haben wür- den; als daß sie die Gefahr liefen, das flüch- tige gefährliche Herz eines Lovelace vielleicht mit ganzen Dutzenden, und warscheinlicher Wei- se, wenigstens mit einigen der liederlichsten Per- sonen ihres Geschlechts zu theilen. Kurz, daß sie, wenn ihre Wünsche auf eine dauerhafte Glückseeligkeit gehen, mehr nach einem tugend- haften Gemüth, als nach dem Ansehen der Per- son oder seiner Geschicklichkeit wählen, und Be- denken tragen sollten, einen guten Mann, aus einer Partheilichkeit gegen einen schlimmen, zum Besten
mann als einen Mann zu ſchildern, den die Schoͤnen uͤberhaupt warſcheinlicher Weiſe lie- ben werden. Wenn dies waͤre, ſo wuͤrde die Guͤte des Herzens, die Hoͤflichkeit in den Manieren, eine große Beſtaͤndigkeit in ſei- nen Aufwartungen, und eine unverletzte beſcheidne Liebe nicht als Eigenſchaften an- geſehen ſeyn, die allein hinlaͤnglich waͤren, ihn dem ſchoͤnen Geſchlecht zu empfehlen. Man haͤtte ihm nicht das geringſte von ſeiner Sorg- falt in Kleinigkeiten, und im Ceremoniel ge- geben, ob man gleich dieſe Maͤngel leicht ſeiner Ehrerbietung vor dem Gegenſtande ſeiner Liebe zuſchreiben koͤnnen. Aber man hatte die Abſicht, an ſeinem Charackter zu zeigen, daß ein Mann nicht alles ſeyn koͤnnte; und dem ſchoͤnen Ge- ſchlecht einen Wink zu geben, daß ſie bei der Wahl eines Geſellſchafters auf Zeitlebens, lie- ber das redliche Herz eines Hickmanns vorzie- hen ſollten, welchen ſie ganz zu eigen haben wuͤr- den; als daß ſie die Gefahr liefen, das fluͤch- tige gefaͤhrliche Herz eines Lovelace vielleicht mit ganzen Dutzenden, und warſcheinlicher Wei- ſe, wenigſtens mit einigen der liederlichſten Per- ſonen ihres Geſchlechts zu theilen. Kurz, daß ſie, wenn ihre Wuͤnſche auf eine dauerhafte Gluͤckſeeligkeit gehen, mehr nach einem tugend- haften Gemuͤth, als nach dem Anſehen der Per- ſon oder ſeiner Geſchicklichkeit waͤhlen, und Be- denken tragen ſollten, einen guten Mann, aus einer Partheilichkeit gegen einen ſchlimmen, zum Beſten
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0362" n="354"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><hi rendition="#fr">mann</hi> als einen Mann zu ſchildern, den die<lb/> Schoͤnen uͤberhaupt warſcheinlicher Weiſe lie-<lb/> ben werden. Wenn dies waͤre, ſo wuͤrde die<lb/><hi rendition="#fr">Guͤte des Herzens,</hi> die <hi rendition="#fr">Hoͤflichkeit in den<lb/> Manieren,</hi> eine <hi rendition="#fr">große Beſtaͤndigkeit in ſei-<lb/> nen Aufwartungen,</hi> und eine <hi rendition="#fr">unverletzte<lb/> beſcheidne Liebe</hi> nicht als Eigenſchaften an-<lb/> geſehen ſeyn, die allein hinlaͤnglich waͤren, ihn<lb/> dem ſchoͤnen Geſchlecht zu empfehlen. Man<lb/> haͤtte ihm nicht das geringſte von ſeiner <hi rendition="#fr">Sorg-<lb/> falt in Kleinigkeiten,</hi> und im <hi rendition="#fr">Ceremoniel</hi> ge-<lb/> geben, ob man gleich dieſe Maͤngel leicht ſeiner<lb/> Ehrerbietung vor dem Gegenſtande ſeiner Liebe<lb/> zuſchreiben koͤnnen. Aber man hatte die Abſicht,<lb/> an ſeinem Charackter zu zeigen, daß ein Mann<lb/> nicht alles ſeyn koͤnnte; und dem ſchoͤnen Ge-<lb/> ſchlecht einen Wink zu geben, daß ſie bei der<lb/> Wahl eines Geſellſchafters auf Zeitlebens, lie-<lb/> ber das redliche Herz eines <hi rendition="#fr">Hickmanns</hi> vorzie-<lb/> hen ſollten, welchen ſie ganz zu eigen haben wuͤr-<lb/> den; als daß ſie die Gefahr liefen, das fluͤch-<lb/> tige gefaͤhrliche Herz eines <hi rendition="#fr">Lovelace</hi> vielleicht<lb/> mit ganzen Dutzenden, und warſcheinlicher Wei-<lb/> ſe, wenigſtens mit einigen der liederlichſten Per-<lb/> ſonen ihres Geſchlechts zu theilen. Kurz, daß<lb/> ſie, wenn ihre Wuͤnſche auf eine dauerhafte<lb/> Gluͤckſeeligkeit gehen, mehr nach einem tugend-<lb/> haften Gemuͤth, als nach dem Anſehen der Per-<lb/> ſon oder ſeiner Geſchicklichkeit waͤhlen, und Be-<lb/> denken tragen ſollten, einen guten Mann, aus<lb/> einer Partheilichkeit gegen einen ſchlimmen, zum<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Beſten</fw><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [354/0362]
mann als einen Mann zu ſchildern, den die
Schoͤnen uͤberhaupt warſcheinlicher Weiſe lie-
ben werden. Wenn dies waͤre, ſo wuͤrde die
Guͤte des Herzens, die Hoͤflichkeit in den
Manieren, eine große Beſtaͤndigkeit in ſei-
nen Aufwartungen, und eine unverletzte
beſcheidne Liebe nicht als Eigenſchaften an-
geſehen ſeyn, die allein hinlaͤnglich waͤren, ihn
dem ſchoͤnen Geſchlecht zu empfehlen. Man
haͤtte ihm nicht das geringſte von ſeiner Sorg-
falt in Kleinigkeiten, und im Ceremoniel ge-
geben, ob man gleich dieſe Maͤngel leicht ſeiner
Ehrerbietung vor dem Gegenſtande ſeiner Liebe
zuſchreiben koͤnnen. Aber man hatte die Abſicht,
an ſeinem Charackter zu zeigen, daß ein Mann
nicht alles ſeyn koͤnnte; und dem ſchoͤnen Ge-
ſchlecht einen Wink zu geben, daß ſie bei der
Wahl eines Geſellſchafters auf Zeitlebens, lie-
ber das redliche Herz eines Hickmanns vorzie-
hen ſollten, welchen ſie ganz zu eigen haben wuͤr-
den; als daß ſie die Gefahr liefen, das fluͤch-
tige gefaͤhrliche Herz eines Lovelace vielleicht
mit ganzen Dutzenden, und warſcheinlicher Wei-
ſe, wenigſtens mit einigen der liederlichſten Per-
ſonen ihres Geſchlechts zu theilen. Kurz, daß
ſie, wenn ihre Wuͤnſche auf eine dauerhafte
Gluͤckſeeligkeit gehen, mehr nach einem tugend-
haften Gemuͤth, als nach dem Anſehen der Per-
ſon oder ſeiner Geſchicklichkeit waͤhlen, und Be-
denken tragen ſollten, einen guten Mann, aus
einer Partheilichkeit gegen einen ſchlimmen, zum
Beſten
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/362 |
Zitationshilfe: | [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/362>, abgerufen am 16.02.2025. |