Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753.

Bild:
<< vorherige Seite



ten sich daran, daß sie die Arbeiten, in der
Stille, mit solcher Leichtigkeit und Ungezwun-
genheit verrichtete. Denn sie mochte aus Be-
scheidenheit, und um die Bedienten nicht mis-
vergnügt zu machen, deren Verrichtung es ei-
gentlich war, lieber Hand mit anlegen, als
befehlen.

Jederman mochte sich auf ihrer Hollän-
derei
gern von ihr bewirthen lassen. Jhre
Mutter und Tante Harvey pflegten sie ge-
meiniglich stillschweigend zu bewundern, um
ihrer Schwester keinen Anlaß zum Misvergnü-
gen zu geben; Ein naseweises, verkehrtes Ding,
das nichts gutes nachzuahmen Lust hatte, und
sie die ganze Zeit gewöhnlich mit einem stum-
men Neide betrachtete! Jnzwischen öfnete ein
abgedrungnes sparsames Lob dem sauersehenden
Geschöpf dann und wann die Lippen gleichsam
mit Gewalt; wiewol sie zu gleicher Zeit eine
Mine machte, wie Saul, da er den David,
die Krone seines Landes, an die Wand zu
spiessen im Sinne hatte. Und jetzt deucht mich,
ich sehe, wie meine englische Freundin, die zu
groß war, auf ihre saure Mine Achtung zu
geben, sie mit aller Höflichkeit bat, eine Schale
mit Buttermilch von ihren noch weißern Hän-
den anzunehmen.

Jhre Geschicklichkeit in allen Theilen der
Haushaltung scheinet unter ihren unzähligen
Vollkommenheiten die einzige zu seyn, welche
sie ihrer Familie zu danken hatte, deren eigen-

nützige



ten ſich daran, daß ſie die Arbeiten, in der
Stille, mit ſolcher Leichtigkeit und Ungezwun-
genheit verrichtete. Denn ſie mochte aus Be-
ſcheidenheit, und um die Bedienten nicht mis-
vergnuͤgt zu machen, deren Verrichtung es ei-
gentlich war, lieber Hand mit anlegen, als
befehlen.

Jederman mochte ſich auf ihrer Hollaͤn-
derei
gern von ihr bewirthen laſſen. Jhre
Mutter und Tante Harvey pflegten ſie ge-
meiniglich ſtillſchweigend zu bewundern, um
ihrer Schweſter keinen Anlaß zum Misvergnuͤ-
gen zu geben; Ein naſeweiſes, verkehrtes Ding,
das nichts gutes nachzuahmen Luſt hatte, und
ſie die ganze Zeit gewoͤhnlich mit einem ſtum-
men Neide betrachtete! Jnzwiſchen oͤfnete ein
abgedrungnes ſparſames Lob dem ſauerſehenden
Geſchoͤpf dann und wann die Lippen gleichſam
mit Gewalt; wiewol ſie zu gleicher Zeit eine
Mine machte, wie Saul, da er den David,
die Krone ſeines Landes, an die Wand zu
ſpieſſen im Sinne hatte. Und jetzt deucht mich,
ich ſehe, wie meine engliſche Freundin, die zu
groß war, auf ihre ſaure Mine Achtung zu
geben, ſie mit aller Hoͤflichkeit bat, eine Schale
mit Buttermilch von ihren noch weißern Haͤn-
den anzunehmen.

Jhre Geſchicklichkeit in allen Theilen der
Haushaltung ſcheinet unter ihren unzaͤhligen
Vollkommenheiten die einzige zu ſeyn, welche
ſie ihrer Familie zu danken hatte, deren eigen-

nuͤtzige
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0291" n="283"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
ten &#x017F;ich daran, daß &#x017F;ie die Arbeiten, in der<lb/>
Stille, mit &#x017F;olcher Leichtigkeit und Ungezwun-<lb/>
genheit verrichtete. Denn &#x017F;ie mochte aus Be-<lb/>
&#x017F;cheidenheit, und um die Bedienten nicht mis-<lb/>
vergnu&#x0364;gt zu machen, deren Verrichtung es ei-<lb/>
gentlich war, lieber <hi rendition="#fr">Hand mit anlegen,</hi> als<lb/><hi rendition="#fr">befehlen.</hi></p><lb/>
          <p>Jederman mochte &#x017F;ich auf ihrer <hi rendition="#fr">Holla&#x0364;n-<lb/>
derei</hi> gern von ihr bewirthen la&#x017F;&#x017F;en. Jhre<lb/>
Mutter und Tante <hi rendition="#fr">Harvey</hi> pflegten &#x017F;ie ge-<lb/>
meiniglich &#x017F;till&#x017F;chweigend zu bewundern, um<lb/>
ihrer Schwe&#x017F;ter keinen Anlaß zum Misvergnu&#x0364;-<lb/>
gen zu geben; Ein na&#x017F;ewei&#x017F;es, verkehrtes Ding,<lb/>
das nichts gutes nachzuahmen Lu&#x017F;t hatte, und<lb/>
&#x017F;ie die ganze Zeit gewo&#x0364;hnlich mit einem &#x017F;tum-<lb/>
men Neide betrachtete! Jnzwi&#x017F;chen o&#x0364;fnete ein<lb/>
abgedrungnes &#x017F;par&#x017F;ames Lob dem &#x017F;auer&#x017F;ehenden<lb/>
Ge&#x017F;cho&#x0364;pf dann und wann die Lippen gleich&#x017F;am<lb/>
mit Gewalt; wiewol &#x017F;ie zu gleicher Zeit eine<lb/>
Mine machte, wie <hi rendition="#fr">Saul,</hi> da er den <hi rendition="#fr">David,</hi><lb/>
die Krone &#x017F;eines Landes, an die Wand zu<lb/>
&#x017F;pie&#x017F;&#x017F;en im Sinne hatte. Und jetzt deucht mich,<lb/>
ich &#x017F;ehe, wie meine engli&#x017F;che Freundin, die zu<lb/>
groß war, auf ihre &#x017F;aure Mine Achtung zu<lb/>
geben, &#x017F;ie mit aller Ho&#x0364;flichkeit bat, eine Schale<lb/>
mit Buttermilch von ihren noch weißern Ha&#x0364;n-<lb/>
den anzunehmen.</p><lb/>
          <p>Jhre Ge&#x017F;chicklichkeit in allen Theilen der<lb/>
Haushaltung &#x017F;cheinet unter ihren unza&#x0364;hligen<lb/>
Vollkommenheiten die einzige zu &#x017F;eyn, welche<lb/>
&#x017F;ie ihrer Familie zu danken hatte, deren eigen-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nu&#x0364;tzige</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[283/0291] ten ſich daran, daß ſie die Arbeiten, in der Stille, mit ſolcher Leichtigkeit und Ungezwun- genheit verrichtete. Denn ſie mochte aus Be- ſcheidenheit, und um die Bedienten nicht mis- vergnuͤgt zu machen, deren Verrichtung es ei- gentlich war, lieber Hand mit anlegen, als befehlen. Jederman mochte ſich auf ihrer Hollaͤn- derei gern von ihr bewirthen laſſen. Jhre Mutter und Tante Harvey pflegten ſie ge- meiniglich ſtillſchweigend zu bewundern, um ihrer Schweſter keinen Anlaß zum Misvergnuͤ- gen zu geben; Ein naſeweiſes, verkehrtes Ding, das nichts gutes nachzuahmen Luſt hatte, und ſie die ganze Zeit gewoͤhnlich mit einem ſtum- men Neide betrachtete! Jnzwiſchen oͤfnete ein abgedrungnes ſparſames Lob dem ſauerſehenden Geſchoͤpf dann und wann die Lippen gleichſam mit Gewalt; wiewol ſie zu gleicher Zeit eine Mine machte, wie Saul, da er den David, die Krone ſeines Landes, an die Wand zu ſpieſſen im Sinne hatte. Und jetzt deucht mich, ich ſehe, wie meine engliſche Freundin, die zu groß war, auf ihre ſaure Mine Achtung zu geben, ſie mit aller Hoͤflichkeit bat, eine Schale mit Buttermilch von ihren noch weißern Haͤn- den anzunehmen. Jhre Geſchicklichkeit in allen Theilen der Haushaltung ſcheinet unter ihren unzaͤhligen Vollkommenheiten die einzige zu ſeyn, welche ſie ihrer Familie zu danken hatte, deren eigen- nuͤtzige

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/291
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 283. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/291>, abgerufen am 03.05.2024.