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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753.

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die wir Belesenheit haben, und die Welt ken-
nen. Den meisten Narren und Stutzern in der
Stadt möchte es eher ähnlich seyn, und das
glaube ich auch. Allein die mögen sich das zur
Lehre nehmen! Wenn es aber mich nicht angehet,
wozu verschiessest du denn deine Pfeile? - - Fin-
dest du aber durch Hülfe des neuen Lichtes, das
deinen Verstand erleuchtet, seit dem du die Eh-
re hast, mit diesem vortreflichen Kinde umzu-
gehen, daß die Kappe auf deinen Kopf passet,
ei so nimm sie nach der Regel: qui capit, ca-
piat,
und setze sie auf. Jch will ein Paar Schel-
len daran hängen, so kannst du in einem Spann
von Dummköpfen das erste Pferd abgeben.

Ob ich gleich eben diesem Knaben, dem
Hickmann, ein parmal das Wort geredet ha-
be, so kann ich dir doch sagen, ich möchte ihn
(um eine von meines Lords gemeinen Redens-
arten zu gebrauchen) wol mit einem Körn-
gen Salz auffressen,
wenn ich daran denke,
daß er so unverschämt gewesen ist, meine Göt-
tin bei seinem Abschiede zweimal zu küßen.
Und noch weniger kann ichs der Fräulein ver-
geben, daß sie sich unterstanden, ihm ihre Wan-
gen und ihre Lippe (du schreibst nicht, wel-
che?) hinzuhalten, und seine ungeschickte Faust
zwischen ihre schönen Hände zu drücken. Eine
Ehre, die so viel werth ist, als die Ranzion
eines Königs! und die ich drum geben wollte
- - Ja was wollte ich nicht drum geben, diese
Ehre zu haben! - - Und daß er sie wieder aus

Erkennt-
P 2



die wir Beleſenheit haben, und die Welt ken-
nen. Den meiſten Narren und Stutzern in der
Stadt moͤchte es eher aͤhnlich ſeyn, und das
glaube ich auch. Allein die moͤgen ſich das zur
Lehre nehmen! Wenn es aber mich nicht angehet,
wozu verſchieſſeſt du denn deine Pfeile? ‒ ‒ Fin-
deſt du aber durch Huͤlfe des neuen Lichtes, das
deinen Verſtand erleuchtet, ſeit dem du die Eh-
re haſt, mit dieſem vortreflichen Kinde umzu-
gehen, daß die Kappe auf deinen Kopf paſſet,
ei ſo nimm ſie nach der Regel: qui capit, ca-
piat,
und ſetze ſie auf. Jch will ein Paar Schel-
len daran haͤngen, ſo kannſt du in einem Spann
von Dummkoͤpfen das erſte Pferd abgeben.

Ob ich gleich eben dieſem Knaben, dem
Hickmann, ein parmal das Wort geredet ha-
be, ſo kann ich dir doch ſagen, ich moͤchte ihn
(um eine von meines Lords gemeinen Redens-
arten zu gebrauchen) wol mit einem Koͤrn-
gen Salz auffreſſen,
wenn ich daran denke,
daß er ſo unverſchaͤmt geweſen iſt, meine Goͤt-
tin bei ſeinem Abſchiede zweimal zu kuͤßen.
Und noch weniger kann ichs der Fraͤulein ver-
geben, daß ſie ſich unterſtanden, ihm ihre Wan-
gen und ihre Lippe (du ſchreibſt nicht, wel-
che?) hinzuhalten, und ſeine ungeſchickte Fauſt
zwiſchen ihre ſchoͤnen Haͤnde zu druͤcken. Eine
Ehre, die ſo viel werth iſt, als die Ranzion
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‒ ‒ Ja was wollte ich nicht drum geben, dieſe
Ehre zu haben! ‒ ‒ Und daß er ſie wieder aus

Erkennt-
P 2
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[227/0235] die wir Beleſenheit haben, und die Welt ken- nen. Den meiſten Narren und Stutzern in der Stadt moͤchte es eher aͤhnlich ſeyn, und das glaube ich auch. Allein die moͤgen ſich das zur Lehre nehmen! Wenn es aber mich nicht angehet, wozu verſchieſſeſt du denn deine Pfeile? ‒ ‒ Fin- deſt du aber durch Huͤlfe des neuen Lichtes, das deinen Verſtand erleuchtet, ſeit dem du die Eh- re haſt, mit dieſem vortreflichen Kinde umzu- gehen, daß die Kappe auf deinen Kopf paſſet, ei ſo nimm ſie nach der Regel: qui capit, ca- piat, und ſetze ſie auf. Jch will ein Paar Schel- len daran haͤngen, ſo kannſt du in einem Spann von Dummkoͤpfen das erſte Pferd abgeben. Ob ich gleich eben dieſem Knaben, dem Hickmann, ein parmal das Wort geredet ha- be, ſo kann ich dir doch ſagen, ich moͤchte ihn (um eine von meines Lords gemeinen Redens- arten zu gebrauchen) wol mit einem Koͤrn- gen Salz auffreſſen, wenn ich daran denke, daß er ſo unverſchaͤmt geweſen iſt, meine Goͤt- tin bei ſeinem Abſchiede zweimal zu kuͤßen. Und noch weniger kann ichs der Fraͤulein ver- geben, daß ſie ſich unterſtanden, ihm ihre Wan- gen und ihre Lippe (du ſchreibſt nicht, wel- che?) hinzuhalten, und ſeine ungeſchickte Fauſt zwiſchen ihre ſchoͤnen Haͤnde zu druͤcken. Eine Ehre, die ſo viel werth iſt, als die Ranzion eines Koͤnigs! und die ich drum geben wollte ‒ ‒ Ja was wollte ich nicht drum geben, dieſe Ehre zu haben! ‒ ‒ Und daß er ſie wieder aus Erkennt- P 2

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/235>, abgerufen am 29.03.2024.