Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753.

Bild:
<< vorherige Seite



du nicht Ursache, das zu glauben? Warum
thust du denn so albern, ehrlicher Joseph?

Doch das kommt daher, weil du ehrlich
bist, und so vergebe ichs dir. Wer meine
göttliche Clarissa liebet, der liebet mich auch.

Der Junker Harlowe mag mir für Ehren-
Titul
geben, welche er will. Seiner Schwe-
ster wegen will ichs ertragen. Sei nur für
mich nicht bange. Jhre Gunst wird mir das
reichlich ersetzen. Sein eignes niederträchtiges
boshaftes Herz wird ihm das Blut zu aller
Zeit zu Kopfe treiben. Und wenn das ge-
schiehet, glaubst du, daß ich mir darüber ein
Gewissen machen werde? - - Und wenn ich
mir kein Gewissen darüber mache, warum willst
du es denn thun? Ach! Joseph! Joseph!
Was für ein wunderlicher beschwerlicher Gast
ist dein Gewissen! Solch ein Gewissen, das ei-
nen ehrlichen Menschen beunruhiget, wenn er
aus der besten Absicht handelt, das ist
Schwachheit, und kein Gewissen.

Sage nur, was du willst, und schreibe mir
alles, was du weißt und hörest. Jch will mit
allen Leuten Geduld haben. Warum sollte ich
auch nicht, da es mir so sehr, als dir, an Her-
zen liegt, Unglück zu verhüten?

Nunmehro, Joseph, da ich mir alle die-
se Mühe gegeben habe, dein Gewissen zu be-
ruhigen, deine Zweifel zu beantworten, und
alle deine Furcht zu verbannen, will ich auf
einen neuen Punkt kommen.

Eure



du nicht Urſache, das zu glauben? Warum
thuſt du denn ſo albern, ehrlicher Joſeph?

Doch das kommt daher, weil du ehrlich
biſt, und ſo vergebe ichs dir. Wer meine
goͤttliche Clariſſa liebet, der liebet mich auch.

Der Junker Harlowe mag mir fuͤr Ehren-
Titul
geben, welche er will. Seiner Schwe-
ſter wegen will ichs ertragen. Sei nur fuͤr
mich nicht bange. Jhre Gunſt wird mir das
reichlich erſetzen. Sein eignes niedertraͤchtiges
boshaftes Herz wird ihm das Blut zu aller
Zeit zu Kopfe treiben. Und wenn das ge-
ſchiehet, glaubſt du, daß ich mir daruͤber ein
Gewiſſen machen werde? ‒ ‒ Und wenn ich
mir kein Gewiſſen daruͤber mache, warum willſt
du es denn thun? Ach! Joſeph! Joſeph!
Was fuͤr ein wunderlicher beſchwerlicher Gaſt
iſt dein Gewiſſen! Solch ein Gewiſſen, das ei-
nen ehrlichen Menſchen beunruhiget, wenn er
aus der beſten Abſicht handelt, das iſt
Schwachheit, und kein Gewiſſen.

Sage nur, was du willſt, und ſchreibe mir
alles, was du weißt und hoͤreſt. Jch will mit
allen Leuten Geduld haben. Warum ſollte ich
auch nicht, da es mir ſo ſehr, als dir, an Her-
zen liegt, Ungluͤck zu verhuͤten?

Nunmehro, Joſeph, da ich mir alle die-
ſe Muͤhe gegeben habe, dein Gewiſſen zu be-
ruhigen, deine Zweifel zu beantworten, und
alle deine Furcht zu verbannen, will ich auf
einen neuen Punkt kommen.

Eure
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0100" n="92"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
du nicht Ur&#x017F;ache, das zu glauben? Warum<lb/>
thu&#x017F;t du denn &#x017F;o albern, ehrlicher <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;eph?</hi></p><lb/>
          <p>Doch das kommt daher, weil du ehrlich<lb/>
bi&#x017F;t, und &#x017F;o vergebe ichs dir. Wer meine<lb/>
go&#x0364;ttliche <hi rendition="#fr">Clari&#x017F;&#x017F;a</hi> liebet, der liebet mich auch.</p><lb/>
          <p>Der Junker <hi rendition="#fr">Harlowe</hi> mag mir fu&#x0364;r <hi rendition="#fr">Ehren-<lb/>
Titul</hi> geben, welche er will. Seiner Schwe-<lb/>
&#x017F;ter wegen will ichs ertragen. Sei nur fu&#x0364;r<lb/>
mich nicht bange. Jhre Gun&#x017F;t wird mir das<lb/>
reichlich er&#x017F;etzen. Sein eignes niedertra&#x0364;chtiges<lb/>
boshaftes Herz wird ihm das Blut zu aller<lb/>
Zeit <hi rendition="#fr">zu Kopfe treiben.</hi> Und wenn das ge-<lb/>
&#x017F;chiehet, glaub&#x017F;t du, daß ich mir daru&#x0364;ber ein<lb/>
Gewi&#x017F;&#x017F;en machen werde? &#x2012; &#x2012; Und wenn <hi rendition="#fr">ich</hi><lb/>
mir kein Gewi&#x017F;&#x017F;en daru&#x0364;ber mache, warum will&#x017F;t<lb/><hi rendition="#fr">du</hi> es denn thun? Ach! <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;eph! Jo&#x017F;eph!</hi><lb/>
Was fu&#x0364;r ein wunderlicher be&#x017F;chwerlicher Ga&#x017F;t<lb/>
i&#x017F;t dein Gewi&#x017F;&#x017F;en! Solch ein Gewi&#x017F;&#x017F;en, das ei-<lb/>
nen ehrlichen Men&#x017F;chen beunruhiget, wenn er<lb/>
aus der be&#x017F;ten Ab&#x017F;icht handelt, das i&#x017F;t<lb/>
Schwachheit, und kein Gewi&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Sage nur, was du will&#x017F;t, und &#x017F;chreibe mir<lb/>
alles, was du weißt und ho&#x0364;re&#x017F;t. Jch will mit<lb/>
allen Leuten Geduld haben. Warum &#x017F;ollte ich<lb/>
auch nicht, da es mir &#x017F;o &#x017F;ehr, als dir, an Her-<lb/>
zen liegt, Unglu&#x0364;ck zu verhu&#x0364;ten?</p><lb/>
          <p>Nunmehro, <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;eph,</hi> da ich mir alle die-<lb/>
&#x017F;e Mu&#x0364;he gegeben habe, dein Gewi&#x017F;&#x017F;en zu be-<lb/>
ruhigen, deine Zweifel zu beantworten, und<lb/>
alle deine Furcht zu verbannen, will ich auf<lb/>
einen <hi rendition="#fr">neuen Punkt</hi> kommen.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Eure</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[92/0100] du nicht Urſache, das zu glauben? Warum thuſt du denn ſo albern, ehrlicher Joſeph? Doch das kommt daher, weil du ehrlich biſt, und ſo vergebe ichs dir. Wer meine goͤttliche Clariſſa liebet, der liebet mich auch. Der Junker Harlowe mag mir fuͤr Ehren- Titul geben, welche er will. Seiner Schwe- ſter wegen will ichs ertragen. Sei nur fuͤr mich nicht bange. Jhre Gunſt wird mir das reichlich erſetzen. Sein eignes niedertraͤchtiges boshaftes Herz wird ihm das Blut zu aller Zeit zu Kopfe treiben. Und wenn das ge- ſchiehet, glaubſt du, daß ich mir daruͤber ein Gewiſſen machen werde? ‒ ‒ Und wenn ich mir kein Gewiſſen daruͤber mache, warum willſt du es denn thun? Ach! Joſeph! Joſeph! Was fuͤr ein wunderlicher beſchwerlicher Gaſt iſt dein Gewiſſen! Solch ein Gewiſſen, das ei- nen ehrlichen Menſchen beunruhiget, wenn er aus der beſten Abſicht handelt, das iſt Schwachheit, und kein Gewiſſen. Sage nur, was du willſt, und ſchreibe mir alles, was du weißt und hoͤreſt. Jch will mit allen Leuten Geduld haben. Warum ſollte ich auch nicht, da es mir ſo ſehr, als dir, an Her- zen liegt, Ungluͤck zu verhuͤten? Nunmehro, Joſeph, da ich mir alle die- ſe Muͤhe gegeben habe, dein Gewiſſen zu be- ruhigen, deine Zweifel zu beantworten, und alle deine Furcht zu verbannen, will ich auf einen neuen Punkt kommen. Eure

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/100
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 8. Göttingen, 1753, S. 92. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa08_1753/100>, abgerufen am 24.04.2024.