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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

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Allein ist es nicht wahr, daß diese Uneinigkei-
ten der Grund von dem ganzen Werk und daher
ein nothwendiger Theil desselben sind? Die Brie-
fe und Unterredungen, wo die Geschichte am lang-
samsten fortgehet, werden für diejenigen Stellen
augesehen, welche die Gemüthsarten der Per-
sonen
schildern. Sie geben auch Gelegenheit,
manche persönliche Umstände von Wichtig-
keit anzubringen, von welchen ein guter Theil der
Belehrung, die einem Werke von dieser Art we-
sentlich ist, begleitet wird. Man wird sich über
dieß erinnern, daß der Verfasser alsobald zu An-
fange dem Leser gemeldet, daß die Geschichte nur
als das Mittel, wodurch die Belehrung überlie-
fert werden sollte, anzusehen wäre.

Zu allen diesen Erinnerungen können wir noch
hinzusetzen, daß es oft schlechterdings nothwendig
gewesen, recht umständlich und auf Kleinigkeiten
aufmerksam zu seyn, damit das wahrscheinliche
Ansehen beobachtet und beybehalten würde, wel-
ches in einer Geschichte nothwendig beybehalten
werden muß, die eine wirkliche Lebensbeschreibung
abgeben soll; eine Beschreibung von einem Leben,
das durch die Ränke und Erfindungen, welche
von einer der Hauptpersonen erdacht und auf die
Bahn gebracht werden, ausnehmend geschäfftig
und wirksam gemacht wird.

Mit einem Worte; wenn in der Geschichte,
die wir vor uns haben, befunden werden wird, daß

der


Allein iſt es nicht wahr, daß dieſe Uneinigkei-
ten der Grund von dem ganzen Werk und daher
ein nothwendiger Theil deſſelben ſind? Die Brie-
fe und Unterredungen, wo die Geſchichte am lang-
ſamſten fortgehet, werden fuͤr diejenigen Stellen
augeſehen, welche die Gemuͤthsarten der Per-
ſonen
ſchildern. Sie geben auch Gelegenheit,
manche perſoͤnliche Umſtaͤnde von Wichtig-
keit anzubringen, von welchen ein guter Theil der
Belehrung, die einem Werke von dieſer Art we-
ſentlich iſt, begleitet wird. Man wird ſich uͤber
dieß erinnern, daß der Verfaſſer alſobald zu An-
fange dem Leſer gemeldet, daß die Geſchichte nur
als das Mittel, wodurch die Belehrung uͤberlie-
fert werden ſollte, anzuſehen waͤre.

Zu allen dieſen Erinnerungen koͤnnen wir noch
hinzuſetzen, daß es oft ſchlechterdings nothwendig
geweſen, recht umſtaͤndlich und auf Kleinigkeiten
aufmerkſam zu ſeyn, damit das wahrſcheinliche
Anſehen beobachtet und beybehalten wuͤrde, wel-
ches in einer Geſchichte nothwendig beybehalten
werden muß, die eine wirkliche Lebensbeſchreibung
abgeben ſoll; eine Beſchreibung von einem Leben,
das durch die Raͤnke und Erfindungen, welche
von einer der Hauptperſonen erdacht und auf die
Bahn gebracht werden, ausnehmend geſchaͤfftig
und wirkſam gemacht wird.

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[907/0913] Allein iſt es nicht wahr, daß dieſe Uneinigkei- ten der Grund von dem ganzen Werk und daher ein nothwendiger Theil deſſelben ſind? Die Brie- fe und Unterredungen, wo die Geſchichte am lang- ſamſten fortgehet, werden fuͤr diejenigen Stellen augeſehen, welche die Gemuͤthsarten der Per- ſonen ſchildern. Sie geben auch Gelegenheit, manche perſoͤnliche Umſtaͤnde von Wichtig- keit anzubringen, von welchen ein guter Theil der Belehrung, die einem Werke von dieſer Art we- ſentlich iſt, begleitet wird. Man wird ſich uͤber dieß erinnern, daß der Verfaſſer alſobald zu An- fange dem Leſer gemeldet, daß die Geſchichte nur als das Mittel, wodurch die Belehrung uͤberlie- fert werden ſollte, anzuſehen waͤre. Zu allen dieſen Erinnerungen koͤnnen wir noch hinzuſetzen, daß es oft ſchlechterdings nothwendig geweſen, recht umſtaͤndlich und auf Kleinigkeiten aufmerkſam zu ſeyn, damit das wahrſcheinliche Anſehen beobachtet und beybehalten wuͤrde, wel- ches in einer Geſchichte nothwendig beybehalten werden muß, die eine wirkliche Lebensbeſchreibung abgeben ſoll; eine Beſchreibung von einem Leben, das durch die Raͤnke und Erfindungen, welche von einer der Hauptperſonen erdacht und auf die Bahn gebracht werden, ausnehmend geſchaͤfftig und wirkſam gemacht wird. Mit einem Worte; wenn in der Geſchichte, die wir vor uns haben, befunden werden wird, daß der

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 907. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/913>, abgerufen am 03.05.2024.