Vorbeygehen seine Brust streifte, daß viel Blut folgte; so sagte der Obrist, mein Herr, ich glaube, sie haben genug.
Mein Cavallier schwur bey Gott, er hätte kei- nen Schaden bekommen; es wäre nur eine Na- delritze: und so that er noch einen Stoß auf sei- nen Gegner. Dieser aber fing den Stoß mit ei- ner erstaunlichen Geschicklichkeit unter seinem Arm auf, und rannte meinem lieben Cavallier in den Leib; welcher alsobald niederfiel, und sagte: das Glück ist an ihrer Seite, mein Herr - - O mei- ne geliebte Clarissa! - - Nun bist du - - Noch drey oder vier Worte mehr sprach er einwärts. Sein Degen fiel ihm aus der Hand. Hr. Mor- den warf den seinigen nieder, lief zu ihm, und sag- te in französischer Sprache - - Ach mein Herr, sie sind des Todes! - - Rufen sie Gott um Gna- de an!
Wir gaben den Dienern das verabredete Zei- chen: und diese gaben es den Wundärzten; wel- che den Augenblick heraufkamen.
Der Obrist Morden, fand ich, war des bluti- gen Werks mehr als zu wohl gewohnt. Denn er war so gelassen, als wenn nichts so außeror- dentliches vorgegangen wäre, und leistete den Wundärzten hülfliche Hand, ob seine eigne Wun- de gleich stark blutete. Aber mein werther Ca- vallier fiel zwey oder dreymal nach einander in Ohumacht und spie, außerdem, Blut.
Jnzwischen stillten sie das Blut für dieß mal, und wir halfen ihm in den Wagen. Hierauf ließ
der
Vorbeygehen ſeine Bruſt ſtreifte, daß viel Blut folgte; ſo ſagte der Obriſt, mein Herr, ich glaube, ſie haben genug.
Mein Cavallier ſchwur bey Gott, er haͤtte kei- nen Schaden bekommen; es waͤre nur eine Na- delritze: und ſo that er noch einen Stoß auf ſei- nen Gegner. Dieſer aber fing den Stoß mit ei- ner erſtaunlichen Geſchicklichkeit unter ſeinem Arm auf, und rannte meinem lieben Cavallier in den Leib; welcher alſobald niederfiel, und ſagte: das Gluͤck iſt an ihrer Seite, mein Herr ‒ ‒ O mei- ne geliebte Clariſſa! ‒ ‒ Nun biſt du ‒ ‒ Noch drey oder vier Worte mehr ſprach er einwaͤrts. Sein Degen fiel ihm aus der Hand. Hr. Mor- den warf den ſeinigen nieder, lief zu ihm, und ſag- te in franzoͤſiſcher Sprache ‒ ‒ Ach mein Herr, ſie ſind des Todes! ‒ ‒ Rufen ſie Gott um Gna- de an!
Wir gaben den Dienern das verabredete Zei- chen: und dieſe gaben es den Wundaͤrzten; wel- che den Augenblick heraufkamen.
Der Obriſt Morden, fand ich, war des bluti- gen Werks mehr als zu wohl gewohnt. Denn er war ſo gelaſſen, als wenn nichts ſo außeror- dentliches vorgegangen waͤre, und leiſtete den Wundaͤrzten huͤlfliche Hand, ob ſeine eigne Wun- de gleich ſtark blutete. Aber mein werther Ca- vallier fiel zwey oder dreymal nach einander in Ohumacht und ſpie, außerdem, Blut.
Jnzwiſchen ſtillten ſie das Blut fuͤr dieß mal, und wir halfen ihm in den Wagen. Hierauf ließ
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Vorbeygehen ſeine Bruſt ſtreifte, daß viel Blut
folgte; ſo ſagte der Obriſt, mein Herr, ich glaube,
ſie haben genug.
Mein Cavallier ſchwur bey Gott, er haͤtte kei-
nen Schaden bekommen; es waͤre nur eine Na-
delritze: und ſo that er noch einen Stoß auf ſei-
nen Gegner. Dieſer aber fing den Stoß mit ei-
ner erſtaunlichen Geſchicklichkeit unter ſeinem Arm
auf, und rannte meinem lieben Cavallier in den
Leib; welcher alſobald niederfiel, und ſagte: das
Gluͤck iſt an ihrer Seite, mein Herr ‒ ‒ O mei-
ne geliebte Clariſſa! ‒ ‒ Nun biſt du ‒ ‒ Noch
drey oder vier Worte mehr ſprach er einwaͤrts.
Sein Degen fiel ihm aus der Hand. Hr. Mor-
den warf den ſeinigen nieder, lief zu ihm, und ſag-
te in franzoͤſiſcher Sprache ‒ ‒ Ach mein Herr,
ſie ſind des Todes! ‒ ‒ Rufen ſie Gott um Gna-
de an!
Wir gaben den Dienern das verabredete Zei-
chen: und dieſe gaben es den Wundaͤrzten; wel-
che den Augenblick heraufkamen.
Der Obriſt Morden, fand ich, war des bluti-
gen Werks mehr als zu wohl gewohnt. Denn
er war ſo gelaſſen, als wenn nichts ſo außeror-
dentliches vorgegangen waͤre, und leiſtete den
Wundaͤrzten huͤlfliche Hand, ob ſeine eigne Wun-
de gleich ſtark blutete. Aber mein werther Ca-
vallier fiel zwey oder dreymal nach einander in
Ohumacht und ſpie, außerdem, Blut.
Jnzwiſchen ſtillten ſie das Blut fuͤr dieß mal,
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 872. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/878>, abgerufen am 23.11.2024.
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