Bey allem, was gut und heilig ist! ich bin bezaubert, ihr Gedächtniß nicht aus dem Sinne zu lassen. Jhr Name selbst, in Verbindung mit dem meinigen, entzücket meine Seele, und ist mir angenehmer, als die schönste Musik.
Hätte ich sie; das muß ich mir noch immer vorwersen; nur an einen andern Ort, als in das Haus des verfluchten Weibes gebracht - - Denn der Trank war ihre Erfindung und war von ihr gemischet, und alle hartnäckige Entschließung, Ge- walt zu gebrauchen, kam von ihrem Aufhetzen her und von dem Anstiften ihrer nichtswürdigen Töch- ter, die nun ihr eignes Verderben, das sie mir zur Last legen, reichlich an mir gerä- chet haben.
Allein dieß siehet dem Bekenntnisse eines Diebes bey dem Galgen so ähnlich, daß du viel- leicht denken kannst, ich sey durch die bevorstehen- de Zusammenkunft in Furcht gesetzet. Aber weit anders. Jch gehe vielmehr mit der größten Freu- digkeit dem Obristen entgegen: und ich wollte mir mit meinen eignen Händen das Herz ausreißen, wenn es im Stande wäre, sich in dieser Betrach- tung zu fürchten oder zu betrüben.
Nur so viel weiß ich, daß, wenn ich ihn töd- ten sollte; welches ich nicht thun will, wo ich es ändern kann; ich im geringsten nicht in meinem Gemüthe werde beruhigt werden. Ruhig werde ich niemals mehr seyn. Allein da er augenschein- lich, gegen eine ihm freygelassene Wahl des Ge- gentheils, die Zusammenkunft selbst suchet, und ich
sie
Bey allem, was gut und heilig iſt! ich bin bezaubert, ihr Gedaͤchtniß nicht aus dem Sinne zu laſſen. Jhr Name ſelbſt, in Verbindung mit dem meinigen, entzuͤcket meine Seele, und iſt mir angenehmer, als die ſchoͤnſte Muſik.
Haͤtte ich ſie; das muß ich mir noch immer vorwerſen; nur an einen andern Ort, als in das Haus des verfluchten Weibes gebracht ‒ ‒ Denn der Trank war ihre Erfindung und war von ihr gemiſchet, und alle hartnaͤckige Entſchließung, Ge- walt zu gebrauchen, kam von ihrem Aufhetzen her und von dem Anſtiften ihrer nichtswuͤrdigen Toͤch- ter, die nun ihr eignes Verderben, das ſie mir zur Laſt legen, reichlich an mir geraͤ- chet haben.
Allein dieß ſiehet dem Bekenntniſſe eines Diebes bey dem Galgen ſo aͤhnlich, daß du viel- leicht denken kannſt, ich ſey durch die bevorſtehen- de Zuſammenkunft in Furcht geſetzet. Aber weit anders. Jch gehe vielmehr mit der groͤßten Freu- digkeit dem Obriſten entgegen: und ich wollte mir mit meinen eignen Haͤnden das Herz ausreißen, wenn es im Stande waͤre, ſich in dieſer Betrach- tung zu fuͤrchten oder zu betruͤben.
Nur ſo viel weiß ich, daß, wenn ich ihn toͤd- ten ſollte; welches ich nicht thun will, wo ich es aͤndern kann; ich im geringſten nicht in meinem Gemuͤthe werde beruhigt werden. Ruhig werde ich niemals mehr ſeyn. Allein da er augenſchein- lich, gegen eine ihm freygelaſſene Wahl des Ge- gentheils, die Zuſammenkunft ſelbſt ſuchet, und ich
ſie
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0869"n="863"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><p>Bey allem, was gut und heilig iſt! ich bin<lb/>
bezaubert, ihr Gedaͤchtniß nicht aus dem Sinne<lb/>
zu laſſen. Jhr Name ſelbſt, in Verbindung mit<lb/>
dem meinigen, entzuͤcket meine Seele, und iſt mir<lb/>
angenehmer, als die ſchoͤnſte Muſik.</p><lb/><p>Haͤtte ich ſie; das muß ich mir noch immer<lb/>
vorwerſen; nur an einen andern Ort, als in das<lb/>
Haus des verfluchten Weibes gebracht ‒‒ Denn<lb/>
der Trank war ihre Erfindung und war von ihr<lb/>
gemiſchet, und alle hartnaͤckige Entſchließung, Ge-<lb/>
walt zu gebrauchen, kam von ihrem Aufhetzen her<lb/>
und von dem Anſtiften ihrer nichtswuͤrdigen Toͤch-<lb/>
ter, <hirendition="#fr">die nun ihr eignes Verderben, das ſie<lb/>
mir zur Laſt legen, reichlich an mir geraͤ-<lb/>
chet haben.</hi></p><lb/><p>Allein dieß ſiehet dem Bekenntniſſe eines<lb/>
Diebes bey dem Galgen ſo aͤhnlich, daß du viel-<lb/>
leicht denken kannſt, ich ſey durch die bevorſtehen-<lb/>
de Zuſammenkunft in Furcht geſetzet. Aber weit<lb/>
anders. Jch gehe vielmehr mit der groͤßten Freu-<lb/>
digkeit dem Obriſten entgegen: und ich wollte mir<lb/>
mit meinen eignen Haͤnden das Herz ausreißen,<lb/>
wenn es im Stande waͤre, ſich in dieſer Betrach-<lb/>
tung zu fuͤrchten oder zu betruͤben.</p><lb/><p>Nur ſo viel weiß ich, daß, wenn ich ihn toͤd-<lb/>
ten ſollte; welches ich nicht thun will, wo ich es<lb/>
aͤndern kann; ich im geringſten nicht in meinem<lb/>
Gemuͤthe werde beruhigt werden. Ruhig werde<lb/>
ich niemals mehr ſeyn. Allein da er augenſchein-<lb/>
lich, gegen eine ihm freygelaſſene Wahl des Ge-<lb/>
gentheils, die Zuſammenkunft ſelbſt ſuchet, und ich<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſie</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[863/0869]
Bey allem, was gut und heilig iſt! ich bin
bezaubert, ihr Gedaͤchtniß nicht aus dem Sinne
zu laſſen. Jhr Name ſelbſt, in Verbindung mit
dem meinigen, entzuͤcket meine Seele, und iſt mir
angenehmer, als die ſchoͤnſte Muſik.
Haͤtte ich ſie; das muß ich mir noch immer
vorwerſen; nur an einen andern Ort, als in das
Haus des verfluchten Weibes gebracht ‒ ‒ Denn
der Trank war ihre Erfindung und war von ihr
gemiſchet, und alle hartnaͤckige Entſchließung, Ge-
walt zu gebrauchen, kam von ihrem Aufhetzen her
und von dem Anſtiften ihrer nichtswuͤrdigen Toͤch-
ter, die nun ihr eignes Verderben, das ſie
mir zur Laſt legen, reichlich an mir geraͤ-
chet haben.
Allein dieß ſiehet dem Bekenntniſſe eines
Diebes bey dem Galgen ſo aͤhnlich, daß du viel-
leicht denken kannſt, ich ſey durch die bevorſtehen-
de Zuſammenkunft in Furcht geſetzet. Aber weit
anders. Jch gehe vielmehr mit der groͤßten Freu-
digkeit dem Obriſten entgegen: und ich wollte mir
mit meinen eignen Haͤnden das Herz ausreißen,
wenn es im Stande waͤre, ſich in dieſer Betrach-
tung zu fuͤrchten oder zu betruͤben.
Nur ſo viel weiß ich, daß, wenn ich ihn toͤd-
ten ſollte; welches ich nicht thun will, wo ich es
aͤndern kann; ich im geringſten nicht in meinem
Gemuͤthe werde beruhigt werden. Ruhig werde
ich niemals mehr ſeyn. Allein da er augenſchein-
lich, gegen eine ihm freygelaſſene Wahl des Ge-
gentheils, die Zuſammenkunft ſelbſt ſuchet, und ich
ſie
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 863. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/869>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.