Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



von seinem Rufe und Gemüthsart nicht zu haben
im Stande gewesen seyn würde.

Mir ward Herr Hickmann angetragen. Jch
schlug seine Hand einmal über das andere aus.
Er blieb beständig. Meine Mutter war seine
Fürsprache und machte auch so gar meine geliebte
Freundinn zu seiner Fürsprecherinn. Jch eröff-
nete ihn meinen Widerwillen gegen alle Manns-
personen, gegen ihn, gegen das Heyrathen. - -
Noch blieb er beständig. Jch begegnete ihm ty-
rannisch; wozu ich in der That, theils durch mei-
ne natürliche Heftigkeit, theils durch meinen Vor-
satz getrieben wurde, indem ich mir Hoffnung
machte, auf die Art seiner los zu werden: bis der
arme Mann, da sich seine Gemüthsart ohne Aus-
nahme allezeit gleichförmig zeigte, und er noch be-
ständig blieb, sich durch seine Gedult ein Ver-
dienst bey mir machte. Dieß erniedrigte meinen
Stolz; ich bin niemals für sehr unedelmüthig
und ganz undankbar angesehen worden; und setz-
te mich zu einer Zeit in meinen eignen Gedanken
unter ihn herunter. Diese Gesinnung währte
eben lange genug, daß meine Freunde mich unter-
dessen gewinnen konnten, ihm Hoffnung zu ma-
chen, und seine Besuche anzunehmen.

Als ich das gethan hatte: so befand ich, nach-
dem das Wetterglaß von meinem Stolze wieder
gestiegen war, daß ich zu weit gegangen wäre,
wieder zurückzuziehen. Meine Mutter und mei-
ne Freunde hielten mich beyde dabey. Dennoch
stellte ich ihn auf die Probe. Jch plagte ihn

auf



von ſeinem Rufe und Gemuͤthsart nicht zu haben
im Stande geweſen ſeyn wuͤrde.

Mir ward Herr Hickmann angetragen. Jch
ſchlug ſeine Hand einmal uͤber das andere aus.
Er blieb beſtaͤndig. Meine Mutter war ſeine
Fuͤrſprache und machte auch ſo gar meine geliebte
Freundinn zu ſeiner Fuͤrſprecherinn. Jch eroͤff-
nete ihn meinen Widerwillen gegen alle Manns-
perſonen, gegen ihn, gegen das Heyrathen. ‒ ‒
Noch blieb er beſtaͤndig. Jch begegnete ihm ty-
ranniſch; wozu ich in der That, theils durch mei-
ne natuͤrliche Heftigkeit, theils durch meinen Vor-
ſatz getrieben wurde, indem ich mir Hoffnung
machte, auf die Art ſeiner los zu werden: bis der
arme Mann, da ſich ſeine Gemuͤthsart ohne Aus-
nahme allezeit gleichförmig zeigte, und er noch be-
ſtaͤndig blieb, ſich durch ſeine Gedult ein Ver-
dienſt bey mir machte. Dieß erniedrigte meinen
Stolz; ich bin niemals fuͤr ſehr unedelmuͤthig
und ganz undankbar angeſehen worden; und ſetz-
te mich zu einer Zeit in meinen eignen Gedanken
unter ihn herunter. Dieſe Geſinnung waͤhrte
eben lange genug, daß meine Freunde mich unter-
deſſen gewinnen konnten, ihm Hoffnung zu ma-
chen, und ſeine Beſuche anzunehmen.

Als ich das gethan hatte: ſo befand ich, nach-
dem das Wetterglaß von meinem Stolze wieder
geſtiegen war, daß ich zu weit gegangen waͤre,
wieder zuruͤckzuziehen. Meine Mutter und mei-
ne Freunde hielten mich beyde dabey. Dennoch
ſtellte ich ihn auf die Probe. Jch plagte ihn

auf
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0780" n="774"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
von &#x017F;einem Rufe und Gemu&#x0364;thsart nicht zu haben<lb/>
im Stande gewe&#x017F;en &#x017F;eyn wu&#x0364;rde.</p><lb/>
          <p>Mir ward Herr Hickmann angetragen. Jch<lb/>
&#x017F;chlug &#x017F;eine Hand einmal u&#x0364;ber das andere aus.<lb/>
Er blieb be&#x017F;ta&#x0364;ndig. Meine Mutter war &#x017F;eine<lb/>
Fu&#x0364;r&#x017F;prache und machte auch &#x017F;o gar meine geliebte<lb/>
Freundinn zu &#x017F;einer Fu&#x0364;r&#x017F;precherinn. Jch ero&#x0364;ff-<lb/>
nete ihn meinen Widerwillen gegen alle Manns-<lb/>
per&#x017F;onen, gegen ihn, gegen das Heyrathen. &#x2012; &#x2012;<lb/>
Noch blieb er be&#x017F;ta&#x0364;ndig. Jch begegnete ihm ty-<lb/>
ranni&#x017F;ch; wozu ich in der That, theils durch mei-<lb/>
ne natu&#x0364;rliche Heftigkeit, theils durch meinen Vor-<lb/>
&#x017F;atz getrieben wurde, indem ich mir Hoffnung<lb/>
machte, auf die Art &#x017F;einer los zu werden: bis der<lb/>
arme Mann, da &#x017F;ich &#x017F;eine Gemu&#x0364;thsart ohne Aus-<lb/>
nahme allezeit gleichförmig zeigte, und er noch be-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;ndig blieb, &#x017F;ich durch &#x017F;eine Gedult ein Ver-<lb/>
dien&#x017F;t bey mir machte. Dieß erniedrigte meinen<lb/>
Stolz; ich bin niemals fu&#x0364;r &#x017F;ehr unedelmu&#x0364;thig<lb/>
und ganz undankbar ange&#x017F;ehen worden; und &#x017F;etz-<lb/>
te mich zu einer Zeit in meinen eignen Gedanken<lb/>
unter ihn herunter. Die&#x017F;e Ge&#x017F;innung wa&#x0364;hrte<lb/>
eben lange genug, daß meine Freunde mich unter-<lb/>
de&#x017F;&#x017F;en gewinnen konnten, ihm Hoffnung zu ma-<lb/>
chen, und &#x017F;eine Be&#x017F;uche anzunehmen.</p><lb/>
          <p>Als ich das gethan hatte: &#x017F;o befand ich, nach-<lb/>
dem das Wetterglaß von meinem Stolze wieder<lb/>
ge&#x017F;tiegen war, daß ich zu weit gegangen wa&#x0364;re,<lb/>
wieder zuru&#x0364;ckzuziehen. Meine Mutter und mei-<lb/>
ne Freunde hielten mich beyde dabey. Dennoch<lb/>
&#x017F;tellte ich ihn auf die Probe. Jch plagte ihn<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">auf</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[774/0780] von ſeinem Rufe und Gemuͤthsart nicht zu haben im Stande geweſen ſeyn wuͤrde. Mir ward Herr Hickmann angetragen. Jch ſchlug ſeine Hand einmal uͤber das andere aus. Er blieb beſtaͤndig. Meine Mutter war ſeine Fuͤrſprache und machte auch ſo gar meine geliebte Freundinn zu ſeiner Fuͤrſprecherinn. Jch eroͤff- nete ihn meinen Widerwillen gegen alle Manns- perſonen, gegen ihn, gegen das Heyrathen. ‒ ‒ Noch blieb er beſtaͤndig. Jch begegnete ihm ty- ranniſch; wozu ich in der That, theils durch mei- ne natuͤrliche Heftigkeit, theils durch meinen Vor- ſatz getrieben wurde, indem ich mir Hoffnung machte, auf die Art ſeiner los zu werden: bis der arme Mann, da ſich ſeine Gemuͤthsart ohne Aus- nahme allezeit gleichförmig zeigte, und er noch be- ſtaͤndig blieb, ſich durch ſeine Gedult ein Ver- dienſt bey mir machte. Dieß erniedrigte meinen Stolz; ich bin niemals fuͤr ſehr unedelmuͤthig und ganz undankbar angeſehen worden; und ſetz- te mich zu einer Zeit in meinen eignen Gedanken unter ihn herunter. Dieſe Geſinnung waͤhrte eben lange genug, daß meine Freunde mich unter- deſſen gewinnen konnten, ihm Hoffnung zu ma- chen, und ſeine Beſuche anzunehmen. Als ich das gethan hatte: ſo befand ich, nach- dem das Wetterglaß von meinem Stolze wieder geſtiegen war, daß ich zu weit gegangen waͤre, wieder zuruͤckzuziehen. Meine Mutter und mei- ne Freunde hielten mich beyde dabey. Dennoch ſtellte ich ihn auf die Probe. Jch plagte ihn auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/780
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 774. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/780>, abgerufen am 23.11.2024.