sich bey solchen Vorwürfen beruhigen? - - Sie muß es wissen.
Herr Hickmann ist wirklich ein recht braver Mann. Ein jeder spricht wohl von ihm. Aber er ist von sanfter Gemüthsart und betet die Fräu- lein Howe an: und die Liebe leidet kein Ansehen eines erhabenen, wenn gleich gebührlichen, We- sens gegen den Gegenstand, der geliebet wird. Jedoch wird er schwerlich die Zügel wieder zu- rückbekommen, die er einmal aufgegeben hat: es wäre denn, daß sie die Gewalt, worauf sie itzo allzu sehr zu bestehen scheinet, zu weit treiben, und, wenn sie ihm keine Gewogenheiten mehr zu erweisen hat, die er nicht berechtigt ist zu fordern, ihn dadurch reizen sollte, das allzu schwere Joch abzuschütteln. Sollte er das thun, und ihr nach- läßig begegnen: so wird die Fräulein Howe unter allen Frauenzimmern, die ich kenne, am wenigsten im Stande seyn, sich darein zu schicken. Als- denn wird sie weit unglücklicher seyn, als sie ihn jemals gemacht hat. Denn ein Mann, der zu Hause sein Vergnügen nicht findet, kann sich au- ßerhalb Hauses aufmuntern: das kann aber ein Frauenzimmer nicht so leicht ohne Aergerniß thun.
Erlauben Sie mir ferner zu bemerken, in Absicht auf die Fräulein Howe, daß ich offenbar sehe, wie sie sich, durch ihr hohes Bezeigen gegen diesen würdigen Mann, selbst in eine Schwierig- keit verwickelt habe, aus der sie sich nicht mit dem- jenigen Anstande, der alle ihre Handlungen be-
gleitet,
Siebenter Theil. B b b
ſich bey ſolchen Vorwuͤrfen beruhigen? ‒ ‒ Sie muß es wiſſen.
Herr Hickmann iſt wirklich ein recht braver Mann. Ein jeder ſpricht wohl von ihm. Aber er iſt von ſanfter Gemuͤthsart und betet die Fraͤu- lein Howe an: und die Liebe leidet kein Anſehen eines erhabenen, wenn gleich gebuͤhrlichen, We- ſens gegen den Gegenſtand, der geliebet wird. Jedoch wird er ſchwerlich die Zuͤgel wieder zu- ruͤckbekommen, die er einmal aufgegeben hat: es waͤre denn, daß ſie die Gewalt, worauf ſie itzo allzu ſehr zu beſtehen ſcheinet, zu weit treiben, und, wenn ſie ihm keine Gewogenheiten mehr zu erweiſen hat, die er nicht berechtigt iſt zu fordern, ihn dadurch reizen ſollte, das allzu ſchwere Joch abzuſchuͤtteln. Sollte er das thun, und ihr nach- laͤßig begegnen: ſo wird die Fraͤulein Howe unter allen Frauenzimmern, die ich kenne, am wenigſten im Stande ſeyn, ſich darein zu ſchicken. Als- denn wird ſie weit ungluͤcklicher ſeyn, als ſie ihn jemals gemacht hat. Denn ein Mann, der zu Hauſe ſein Vergnuͤgen nicht findet, kann ſich au- ßerhalb Hauſes aufmuntern: das kann aber ein Frauenzimmer nicht ſo leicht ohne Aergerniß thun.
Erlauben Sie mir ferner zu bemerken, in Abſicht auf die Fraͤulein Howe, daß ich offenbar ſehe, wie ſie ſich, durch ihr hohes Bezeigen gegen dieſen wuͤrdigen Mann, ſelbſt in eine Schwierig- keit verwickelt habe, aus der ſie ſich nicht mit dem- jenigen Anſtande, der alle ihre Handlungen be-
gleitet,
Siebenter Theil. B b b
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0759"n="753"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>ſich bey ſolchen Vorwuͤrfen beruhigen? ‒‒ Sie<lb/>
muß es wiſſen.</p><lb/><p>Herr Hickmann iſt wirklich ein recht braver<lb/>
Mann. Ein jeder ſpricht wohl von ihm. Aber<lb/>
er iſt von ſanfter Gemuͤthsart und betet die Fraͤu-<lb/>
lein Howe an: und die Liebe leidet kein Anſehen<lb/>
eines erhabenen, wenn gleich gebuͤhrlichen, We-<lb/>ſens gegen den Gegenſtand, der geliebet wird.<lb/>
Jedoch wird er ſchwerlich die Zuͤgel wieder zu-<lb/>
ruͤckbekommen, die er einmal aufgegeben hat: es<lb/>
waͤre denn, daß ſie die Gewalt, worauf ſie itzo<lb/>
allzu ſehr zu beſtehen ſcheinet, zu weit treiben,<lb/>
und, wenn ſie ihm keine Gewogenheiten mehr zu<lb/>
erweiſen hat, die er nicht berechtigt iſt zu fordern,<lb/>
ihn dadurch reizen ſollte, das allzu ſchwere Joch<lb/>
abzuſchuͤtteln. Sollte er das thun, und ihr nach-<lb/>
laͤßig begegnen: ſo wird die Fraͤulein Howe unter<lb/>
allen Frauenzimmern, die ich kenne, am wenigſten<lb/>
im Stande ſeyn, ſich darein zu ſchicken. Als-<lb/>
denn wird ſie <hirendition="#fr">weit</hi> ungluͤcklicher ſeyn, als ſie ihn<lb/>
jemals gemacht hat. Denn ein Mann, der zu<lb/>
Hauſe ſein Vergnuͤgen nicht findet, kann ſich au-<lb/>
ßerhalb Hauſes aufmuntern: das kann aber ein<lb/>
Frauenzimmer nicht ſo leicht ohne Aergerniß<lb/>
thun.</p><lb/><p>Erlauben Sie mir ferner zu bemerken, in<lb/>
Abſicht auf die Fraͤulein Howe, daß ich offenbar<lb/>ſehe, wie ſie ſich, durch ihr hohes Bezeigen gegen<lb/>
dieſen wuͤrdigen Mann, ſelbſt in eine Schwierig-<lb/>
keit verwickelt habe, aus der ſie ſich nicht mit dem-<lb/>
jenigen Anſtande, der alle ihre Handlungen be-<lb/><fwplace="bottom"type="sig"><hirendition="#fr">Siebenter Theil.</hi> B b b</fw><fwplace="bottom"type="catch">gleitet,</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[753/0759]
ſich bey ſolchen Vorwuͤrfen beruhigen? ‒ ‒ Sie
muß es wiſſen.
Herr Hickmann iſt wirklich ein recht braver
Mann. Ein jeder ſpricht wohl von ihm. Aber
er iſt von ſanfter Gemuͤthsart und betet die Fraͤu-
lein Howe an: und die Liebe leidet kein Anſehen
eines erhabenen, wenn gleich gebuͤhrlichen, We-
ſens gegen den Gegenſtand, der geliebet wird.
Jedoch wird er ſchwerlich die Zuͤgel wieder zu-
ruͤckbekommen, die er einmal aufgegeben hat: es
waͤre denn, daß ſie die Gewalt, worauf ſie itzo
allzu ſehr zu beſtehen ſcheinet, zu weit treiben,
und, wenn ſie ihm keine Gewogenheiten mehr zu
erweiſen hat, die er nicht berechtigt iſt zu fordern,
ihn dadurch reizen ſollte, das allzu ſchwere Joch
abzuſchuͤtteln. Sollte er das thun, und ihr nach-
laͤßig begegnen: ſo wird die Fraͤulein Howe unter
allen Frauenzimmern, die ich kenne, am wenigſten
im Stande ſeyn, ſich darein zu ſchicken. Als-
denn wird ſie weit ungluͤcklicher ſeyn, als ſie ihn
jemals gemacht hat. Denn ein Mann, der zu
Hauſe ſein Vergnuͤgen nicht findet, kann ſich au-
ßerhalb Hauſes aufmuntern: das kann aber ein
Frauenzimmer nicht ſo leicht ohne Aergerniß
thun.
Erlauben Sie mir ferner zu bemerken, in
Abſicht auf die Fraͤulein Howe, daß ich offenbar
ſehe, wie ſie ſich, durch ihr hohes Bezeigen gegen
dieſen wuͤrdigen Mann, ſelbſt in eine Schwierig-
keit verwickelt habe, aus der ſie ſich nicht mit dem-
jenigen Anſtande, der alle ihre Handlungen be-
gleitet,
Siebenter Theil. B b b
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 753. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/759>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.