Ein Zweykampf, mein Herr, darf ich Jh- nen, die eine öffentliche Ehrenstelle bekleiden, nicht erst sagen, ist nicht allein ein Eingriff in die göttlichen Vorrechte, sondern auch eine Beschim- pfung der Obrigkeit und guter Regierung. Es ist eine gottlose Handlung. Es ist ein Unterneh- men, ein Leben wegzureißen, das dem Schwerdt einer Privatperson nicht überlassen seyn sollte: ein Werk, wovon die Folge ist, daß eine Seele, mit allen ihren Sünden über dem Haupte, ins Ver- derben gestürzet, und die Seele des elenden Sie- gers selbst in Gefahr gesetzet wird - - indem kei- ner von beyden dem andern, in einer Gelegenheit zur Buße, den Raum zur göttlichen Barmher- zigkeit zu verstatten willens ist, welchen doch ein jeder für sich hoffen will.
Suchen Sie also nicht, mein Herr, ich bitte Sie, suchen Sie nicht meinen Fehler durch eine blutige Rache, welche nothwendig für eine Folge desselben gehalten werden muß, schwerer zu ma- chen. Gestatten Sie dem unglücklichen Men- schen, wenn sie ungezweifelt den Sieg davon tra- gen müßten, nicht den Vorzug, daß er durch Jh- re Hand falle. Jtzo ist er der treulose, der un- dankbare Betrüger. Allein wird nicht die Ver- scherzung seines Lebens und der wahrscheinliche Verlust seiner Seele eine schreckliche Buße dafür seyn, daß er mich nur auf einige wenige Mo- nathe unglücklich, und durch dieses Unglück, nach der göttlichen Gnade, auf alle Ewigkeit glücklich gemachet hat?
Wo,
Ein Zweykampf, mein Herr, darf ich Jh- nen, die eine oͤffentliche Ehrenſtelle bekleiden, nicht erſt ſagen, iſt nicht allein ein Eingriff in die goͤttlichen Vorrechte, ſondern auch eine Beſchim- pfung der Obrigkeit und guter Regierung. Es iſt eine gottloſe Handlung. Es iſt ein Unterneh- men, ein Leben wegzureißen, das dem Schwerdt einer Privatperſon nicht uͤberlaſſen ſeyn ſollte: ein Werk, wovon die Folge iſt, daß eine Seele, mit allen ihren Suͤnden uͤber dem Haupte, ins Ver- derben geſtuͤrzet, und die Seele des elenden Sie- gers ſelbſt in Gefahr geſetzet wird ‒ ‒ indem kei- ner von beyden dem andern, in einer Gelegenheit zur Buße, den Raum zur goͤttlichen Barmher- zigkeit zu verſtatten willens iſt, welchen doch ein jeder fuͤr ſich hoffen will.
Suchen Sie alſo nicht, mein Herr, ich bitte Sie, ſuchen Sie nicht meinen Fehler durch eine blutige Rache, welche nothwendig fuͤr eine Folge deſſelben gehalten werden muß, ſchwerer zu ma- chen. Geſtatten Sie dem ungluͤcklichen Men- ſchen, wenn ſie ungezweifelt den Sieg davon tra- gen muͤßten, nicht den Vorzug, daß er durch Jh- re Hand falle. Jtzo iſt er der treuloſe, der un- dankbare Betruͤger. Allein wird nicht die Ver- ſcherzung ſeines Lebens und der wahrſcheinliche Verluſt ſeiner Seele eine ſchreckliche Buße dafuͤr ſeyn, daß er mich nur auf einige wenige Mo- nathe ungluͤcklich, und durch dieſes Ungluͤck, nach der goͤttlichen Gnade, auf alle Ewigkeit gluͤcklich gemachet hat?
Wo,
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Ein Zweykampf, mein Herr, darf ich Jh-
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nicht erſt ſagen, iſt nicht allein ein Eingriff in die
goͤttlichen Vorrechte, ſondern auch eine Beſchim-
pfung der Obrigkeit und guter Regierung. Es
iſt eine gottloſe Handlung. Es iſt ein Unterneh-
men, ein Leben wegzureißen, das dem Schwerdt
einer Privatperſon nicht uͤberlaſſen ſeyn ſollte: ein
Werk, wovon die Folge iſt, daß eine Seele, mit
allen ihren Suͤnden uͤber dem Haupte, ins Ver-
derben geſtuͤrzet, und die Seele des elenden Sie-
gers ſelbſt in Gefahr geſetzet wird ‒ ‒ indem kei-
ner von beyden dem andern, in einer Gelegenheit
zur Buße, den Raum zur goͤttlichen Barmher-
zigkeit zu verſtatten willens iſt, welchen doch ein
jeder fuͤr ſich hoffen will.
Suchen Sie alſo nicht, mein Herr, ich bitte
Sie, ſuchen Sie nicht meinen Fehler durch eine
blutige Rache, welche nothwendig fuͤr eine Folge
deſſelben gehalten werden muß, ſchwerer zu ma-
chen. Geſtatten Sie dem ungluͤcklichen Men-
ſchen, wenn ſie ungezweifelt den Sieg davon tra-
gen muͤßten, nicht den Vorzug, daß er durch Jh-
re Hand falle. Jtzo iſt er der treuloſe, der un-
dankbare Betruͤger. Allein wird nicht die Ver-
ſcherzung ſeines Lebens und der wahrſcheinliche
Verluſt ſeiner Seele eine ſchreckliche Buße dafuͤr
ſeyn, daß er mich nur auf einige wenige Mo-
nathe ungluͤcklich, und durch dieſes Ungluͤck, nach
der goͤttlichen Gnade, auf alle Ewigkeit gluͤcklich
gemachet hat?
Wo,
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 734. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/740>, abgerufen am 27.11.2024.
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