der Leidenschaft die Ueberlegung Platz nähme, oder vielmehr wenn die verdammte Liebe zu listigen Ränken aufhörte, die ich mir niemals so sehr zum Ruhme gerechnet habe, als sie itzo bey richtiger Ueberlegung mir zum Fluche dienet.
Unternimm nur deine Vertheidigung: so will ich dir den Schwär noch tiefer stechen und dich noch stärker überführen, daß du in dieser Sache selbst mehr Schuld, als Verdienst, hast. Was aber alle übrige Fälle betrifft, in welchen wir in Kuppeln auf das Jagen ausgegangen sind: so warest du allezeit voraus, und weit geneigter, mich mit dir, als ich, dich mit mir, hinzureißen. Dennoch kannst du itzo deine pferdmäßige Mus- keln zierlich in Ordnung bringen und ausschreyen: Wie viel hast du, Lovelace, mehr zu verantworten, als ich - - Jndem du aber dieß sagest, sagest du nichts: wenn es auch wahr wäre. - - Denn du wirst nicht durch Vergleichung mit andern Rechenschaft zu geben haben, wann die Zeit kommt.
Kurz, du kannst dich selbst auf diese Weise so jämmerlich betrügen, daß, ungeachtet aller deiner Selbstverleugnung und Ertödtung, du vielleicht deine Augen, wenn du sie geschlossen hast, an ei- nem Orte wieder aufthun magst, wo du am we- nigsten zu seyn gedachtest.
Jnzwischen berathschlage mit deinem alten Weibe über diese Sache. Jch werde meinem Charakter nicht gemäß zu handeln scheinen: wenn ich in diesem Tone fortgehe. Allein wirklich,
was
Z z 2
der Leidenſchaft die Ueberlegung Platz naͤhme, oder vielmehr wenn die verdammte Liebe zu liſtigen Raͤnken aufhoͤrte, die ich mir niemals ſo ſehr zum Ruhme gerechnet habe, als ſie itzo bey richtiger Ueberlegung mir zum Fluche dienet.
Unternimm nur deine Vertheidigung: ſo will ich dir den Schwaͤr noch tiefer ſtechen und dich noch ſtaͤrker uͤberfuͤhren, daß du in dieſer Sache ſelbſt mehr Schuld, als Verdienſt, haſt. Was aber alle uͤbrige Faͤlle betrifft, in welchen wir in Kuppeln auf das Jagen ausgegangen ſind: ſo wareſt du allezeit voraus, und weit geneigter, mich mit dir, als ich, dich mit mir, hinzureißen. Dennoch kannſt du itzo deine pferdmaͤßige Mus- keln zierlich in Ordnung bringen und ausſchreyen: Wie viel haſt du, Lovelace, mehr zu verantworten, als ich ‒ ‒ Jndem du aber dieß ſageſt, ſageſt du nichts: wenn es auch wahr waͤre. ‒ ‒ Denn du wirſt nicht durch Vergleichung mit andern Rechenſchaft zu geben haben, wann die Zeit kommt.
Kurz, du kannſt dich ſelbſt auf dieſe Weiſe ſo jaͤmmerlich betruͤgen, daß, ungeachtet aller deiner Selbſtverleugnung und Ertoͤdtung, du vielleicht deine Augen, wenn du ſie geſchloſſen haſt, an ei- nem Orte wieder aufthun magſt, wo du am we- nigſten zu ſeyn gedachteſt.
Jnzwiſchen berathſchlage mit deinem alten Weibe uͤber dieſe Sache. Jch werde meinem Charakter nicht gemaͤß zu handeln ſcheinen: wenn ich in dieſem Tone fortgehe. Allein wirklich,
was
Z z 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0729"n="723"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
der Leidenſchaft die Ueberlegung Platz naͤhme, oder<lb/>
vielmehr wenn die verdammte Liebe zu liſtigen<lb/>
Raͤnken aufhoͤrte, die ich mir niemals ſo ſehr zum<lb/>
Ruhme gerechnet habe, als ſie itzo bey richtiger<lb/>
Ueberlegung mir zum Fluche dienet.</p><lb/><p>Unternimm nur deine Vertheidigung: ſo will<lb/>
ich dir den Schwaͤr noch tiefer ſtechen und dich<lb/>
noch ſtaͤrker uͤberfuͤhren, daß du in dieſer Sache<lb/>ſelbſt mehr Schuld, als Verdienſt, haſt. Was<lb/>
aber alle uͤbrige Faͤlle betrifft, in welchen wir in<lb/>
Kuppeln auf das Jagen ausgegangen ſind: ſo<lb/>
wareſt du allezeit voraus, und weit geneigter,<lb/>
mich mit dir, als ich, dich mit mir, hinzureißen.<lb/>
Dennoch kannſt du itzo deine pferdmaͤßige Mus-<lb/>
keln zierlich in Ordnung bringen und ausſchreyen:<lb/>
Wie viel haſt du, Lovelace, mehr zu verantworten,<lb/>
als ich ‒‒ Jndem du aber dieß ſageſt, ſageſt du<lb/><hirendition="#fr">nichts:</hi> wenn es auch wahr waͤre. ‒‒ Denn<lb/>
du wirſt nicht durch <hirendition="#fr">Vergleichung mit andern</hi><lb/>
Rechenſchaft zu geben haben, wann die Zeit<lb/>
kommt.</p><lb/><p>Kurz, du kannſt dich ſelbſt auf dieſe Weiſe ſo<lb/>
jaͤmmerlich betruͤgen, daß, ungeachtet aller deiner<lb/>
Selbſtverleugnung und Ertoͤdtung, du vielleicht<lb/>
deine Augen, wenn du ſie geſchloſſen haſt, an ei-<lb/>
nem Orte wieder aufthun magſt, wo du am we-<lb/>
nigſten zu ſeyn gedachteſt.</p><lb/><p>Jnzwiſchen berathſchlage mit deinem alten<lb/>
Weibe uͤber dieſe Sache. Jch werde meinem<lb/>
Charakter nicht gemaͤß zu handeln ſcheinen: wenn<lb/>
ich in dieſem Tone fortgehe. Allein wirklich,<lb/><fwplace="bottom"type="sig">Z z 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">was</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[723/0729]
der Leidenſchaft die Ueberlegung Platz naͤhme, oder
vielmehr wenn die verdammte Liebe zu liſtigen
Raͤnken aufhoͤrte, die ich mir niemals ſo ſehr zum
Ruhme gerechnet habe, als ſie itzo bey richtiger
Ueberlegung mir zum Fluche dienet.
Unternimm nur deine Vertheidigung: ſo will
ich dir den Schwaͤr noch tiefer ſtechen und dich
noch ſtaͤrker uͤberfuͤhren, daß du in dieſer Sache
ſelbſt mehr Schuld, als Verdienſt, haſt. Was
aber alle uͤbrige Faͤlle betrifft, in welchen wir in
Kuppeln auf das Jagen ausgegangen ſind: ſo
wareſt du allezeit voraus, und weit geneigter,
mich mit dir, als ich, dich mit mir, hinzureißen.
Dennoch kannſt du itzo deine pferdmaͤßige Mus-
keln zierlich in Ordnung bringen und ausſchreyen:
Wie viel haſt du, Lovelace, mehr zu verantworten,
als ich ‒ ‒ Jndem du aber dieß ſageſt, ſageſt du
nichts: wenn es auch wahr waͤre. ‒ ‒ Denn
du wirſt nicht durch Vergleichung mit andern
Rechenſchaft zu geben haben, wann die Zeit
kommt.
Kurz, du kannſt dich ſelbſt auf dieſe Weiſe ſo
jaͤmmerlich betruͤgen, daß, ungeachtet aller deiner
Selbſtverleugnung und Ertoͤdtung, du vielleicht
deine Augen, wenn du ſie geſchloſſen haſt, an ei-
nem Orte wieder aufthun magſt, wo du am we-
nigſten zu ſeyn gedachteſt.
Jnzwiſchen berathſchlage mit deinem alten
Weibe uͤber dieſe Sache. Jch werde meinem
Charakter nicht gemaͤß zu handeln ſcheinen: wenn
ich in dieſem Tone fortgehe. Allein wirklich,
was
Z z 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 723. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/729>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.