Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite


Ueber dieß, sagte ich ihnen, wäre in dem ge-
genwärtigen Fall ein Umstand sehr zu meinem
Vortheil. Denn ich würde mich von ganzem
Herzen gefreuet haben, meine Vergebung durch
eine Gefälligkeit unter solchen Bedingungen, bey
welchen ich anfangs zweifelhaft war, zu erkaufen.
Dazu habe ich mich ja erboten: und mein Lord
und Lady Elisabeth und Lady Sarah, und meine
beyden Basen, und meiner Basen Basen, bis in
das vierzehnte Glied, würden für mich gut gesagt
haben - - Allein es wollte nicht helfen: die an-
genehme Geizige wollte sich das Herz abnagen
und sterben. Was konnte ich dawider?

Wenn alles um und um kommt, Bruder:
würde wohl halb so viel davon gesagt seyn, wenn
die Fräulein nicht gestorben wäre, als nun gesagt
wird? War ich aber die Ursache ihres Todes?
Oder konnte ich es helfen? Und sind nicht unter
einer Million von solchen Fällen, wie dieser ist,
neun hundert und neun und neunzig tausend ge-
wesen, die sich nicht so, als dieser, geendigt haben?
- - Wie hart ist also mein Schicksal! - - Bey
meiner Seele, ich will es nicht leiden, wie ich ge-
than habe: sondern an statt die Schuld auf mich
zu nehmen, will ich Mitleiden fordern. Und, da
ein gestriger Tag nicht wieder zurückzurufen ste-
het: so ist dieß die einzige Lebensart, die ich wäh-
len kann, mich zu beruhigen. Nach Tische will
ich weiter schreiben.

Der


Ueber dieß, ſagte ich ihnen, waͤre in dem ge-
genwaͤrtigen Fall ein Umſtand ſehr zu meinem
Vortheil. Denn ich wuͤrde mich von ganzem
Herzen gefreuet haben, meine Vergebung durch
eine Gefaͤlligkeit unter ſolchen Bedingungen, bey
welchen ich anfangs zweifelhaft war, zu erkaufen.
Dazu habe ich mich ja erboten: und mein Lord
und Lady Eliſabeth und Lady Sarah, und meine
beyden Baſen, und meiner Baſen Baſen, bis in
das vierzehnte Glied, wuͤrden fuͤr mich gut geſagt
haben ‒ ‒ Allein es wollte nicht helfen: die an-
genehme Geizige wollte ſich das Herz abnagen
und ſterben. Was konnte ich dawider?

Wenn alles um und um kommt, Bruder:
wuͤrde wohl halb ſo viel davon geſagt ſeyn, wenn
die Fraͤulein nicht geſtorben waͤre, als nun geſagt
wird? War ich aber die Urſache ihres Todes?
Oder konnte ich es helfen? Und ſind nicht unter
einer Million von ſolchen Faͤllen, wie dieſer iſt,
neun hundert und neun und neunzig tauſend ge-
weſen, die ſich nicht ſo, als dieſer, geendigt haben?
‒ ‒ Wie hart iſt alſo mein Schickſal! ‒ ‒ Bey
meiner Seele, ich will es nicht leiden, wie ich ge-
than habe: ſondern an ſtatt die Schuld auf mich
zu nehmen, will ich Mitleiden fordern. Und, da
ein geſtriger Tag nicht wieder zuruͤckzurufen ſte-
het: ſo iſt dieß die einzige Lebensart, die ich waͤh-
len kann, mich zu beruhigen. Nach Tiſche will
ich weiter ſchreiben.

Der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0722" n="716"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Ueber dieß, &#x017F;agte ich ihnen, wa&#x0364;re in dem ge-<lb/>
genwa&#x0364;rtigen Fall ein Um&#x017F;tand &#x017F;ehr zu meinem<lb/>
Vortheil. Denn ich wu&#x0364;rde mich von ganzem<lb/>
Herzen gefreuet haben, meine Vergebung durch<lb/>
eine Gefa&#x0364;lligkeit unter &#x017F;olchen Bedingungen, bey<lb/>
welchen ich anfangs zweifelhaft war, zu erkaufen.<lb/>
Dazu habe ich mich ja erboten: und mein Lord<lb/>
und Lady Eli&#x017F;abeth und Lady Sarah, und meine<lb/>
beyden Ba&#x017F;en, und meiner Ba&#x017F;en Ba&#x017F;en, bis in<lb/>
das vierzehnte Glied, wu&#x0364;rden fu&#x0364;r mich gut ge&#x017F;agt<lb/>
haben &#x2012; &#x2012; Allein es wollte nicht helfen: die an-<lb/>
genehme Geizige wollte &#x017F;ich das Herz abnagen<lb/>
und &#x017F;terben. Was konnte ich dawider?</p><lb/>
          <p>Wenn alles um und um kommt, Bruder:<lb/>
wu&#x0364;rde wohl halb &#x017F;o viel davon ge&#x017F;agt &#x017F;eyn, wenn<lb/>
die Fra&#x0364;ulein nicht ge&#x017F;torben wa&#x0364;re, als nun ge&#x017F;agt<lb/>
wird? War ich aber die Ur&#x017F;ache ihres Todes?<lb/>
Oder konnte ich es helfen? Und &#x017F;ind nicht unter<lb/>
einer Million von &#x017F;olchen Fa&#x0364;llen, wie die&#x017F;er i&#x017F;t,<lb/>
neun hundert und neun und neunzig tau&#x017F;end ge-<lb/>
we&#x017F;en, die &#x017F;ich nicht &#x017F;o, als die&#x017F;er, geendigt haben?<lb/>
&#x2012; &#x2012; Wie hart i&#x017F;t al&#x017F;o mein Schick&#x017F;al! &#x2012; &#x2012; Bey<lb/>
meiner Seele, ich will es nicht leiden, wie ich ge-<lb/>
than habe: &#x017F;ondern an &#x017F;tatt die Schuld auf mich<lb/>
zu nehmen, will ich Mitleiden fordern. Und, da<lb/>
ein ge&#x017F;triger Tag nicht wieder zuru&#x0364;ckzurufen &#x017F;te-<lb/>
het: &#x017F;o i&#x017F;t dieß die einzige Lebensart, die ich wa&#x0364;h-<lb/><hi rendition="#c">len kann, mich zu beruhigen. Nach Ti&#x017F;che will<lb/>
ich weiter &#x017F;chreiben.</hi></p>
        </div><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Der</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[716/0722] Ueber dieß, ſagte ich ihnen, waͤre in dem ge- genwaͤrtigen Fall ein Umſtand ſehr zu meinem Vortheil. Denn ich wuͤrde mich von ganzem Herzen gefreuet haben, meine Vergebung durch eine Gefaͤlligkeit unter ſolchen Bedingungen, bey welchen ich anfangs zweifelhaft war, zu erkaufen. Dazu habe ich mich ja erboten: und mein Lord und Lady Eliſabeth und Lady Sarah, und meine beyden Baſen, und meiner Baſen Baſen, bis in das vierzehnte Glied, wuͤrden fuͤr mich gut geſagt haben ‒ ‒ Allein es wollte nicht helfen: die an- genehme Geizige wollte ſich das Herz abnagen und ſterben. Was konnte ich dawider? Wenn alles um und um kommt, Bruder: wuͤrde wohl halb ſo viel davon geſagt ſeyn, wenn die Fraͤulein nicht geſtorben waͤre, als nun geſagt wird? War ich aber die Urſache ihres Todes? Oder konnte ich es helfen? Und ſind nicht unter einer Million von ſolchen Faͤllen, wie dieſer iſt, neun hundert und neun und neunzig tauſend ge- weſen, die ſich nicht ſo, als dieſer, geendigt haben? ‒ ‒ Wie hart iſt alſo mein Schickſal! ‒ ‒ Bey meiner Seele, ich will es nicht leiden, wie ich ge- than habe: ſondern an ſtatt die Schuld auf mich zu nehmen, will ich Mitleiden fordern. Und, da ein geſtriger Tag nicht wieder zuruͤckzurufen ſte- het: ſo iſt dieß die einzige Lebensart, die ich waͤh- len kann, mich zu beruhigen. Nach Tiſche will ich weiter ſchreiben. Der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/722
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 716. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/722>, abgerufen am 16.07.2024.