Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



wäre. Jch darf wohl sagen, daß ich itzo, da Sie
dieß empfangen, daselbst angekommen bin, und la-
de Sie ein, mir zu folgen, so bald als Sie zu ei-
ner so großen Reise vorbereitet seyn können.

Jch will nicht weiter verblümt reden - -
Mein Schicksal ist itzo, da Sie dieses lesen, voll-
endet. Mein Urtheil ist unveränderlich bestim-
met: und ich bin entweder ein unglückseliges,
oder ein glückseliges Geschöpfe in alle Ewigkeit.
Bin ich glückselig: so habe ich es allein der gött-
lichen Barmherzigkeit zu danken. Bin ich aber
unglückselig: so ist Jhre unverdiente Grausam-
keit daran schuld - - Bedenken Sie nun um
Jhrer selbst willen, fröhlicher, grausamer, flatter-
hafter, unglückseliger Mensch! bedenken Sie, ob
die unmenschliche und treulose Begegnung, welche
mir von Jhnen widerfahren ist, es wohl verlohnte,

daß
den mußte, welches von dem Uebereilen und Schre-
cken, worinn Herr Lovelace sie gesetzet hatte, um sei-
nen Besuch zu vermeiden, den er sich so ernstlich vor-
genommen, in Smithens Hause bey ihr abzulegen,
veranlasset war - - So frühe ist er vielleicht des-
wegen geschrieben, damit sie nicht von dem Tode in
einem scheinbaren Bruch ihres Wortes übereilt wer-
den möchte.
So hoch sich auch ihr christlicher Geist in diesem
Briefe hebet: so hat doch der Leser in dem XLVIII
Briefe und in andern Stellen gesehen, daß dieser er-
habne Geist sie noch zu einem weit göttlichern Swun-
ge gebracht, da sie ihrem Ende näher gekommen.



waͤre. Jch darf wohl ſagen, daß ich itzo, da Sie
dieß empfangen, daſelbſt angekommen bin, und la-
de Sie ein, mir zu folgen, ſo bald als Sie zu ei-
ner ſo großen Reiſe vorbereitet ſeyn koͤnnen.

Jch will nicht weiter verbluͤmt reden ‒ ‒
Mein Schickſal iſt itzo, da Sie dieſes leſen, voll-
endet. Mein Urtheil iſt unveraͤnderlich beſtim-
met: und ich bin entweder ein ungluͤckſeliges,
oder ein gluͤckſeliges Geſchoͤpfe in alle Ewigkeit.
Bin ich gluͤckſelig: ſo habe ich es allein der goͤtt-
lichen Barmherzigkeit zu danken. Bin ich aber
ungluͤckſelig: ſo iſt Jhre unverdiente Grauſam-
keit daran ſchuld ‒ ‒ Bedenken Sie nun um
Jhrer ſelbſt willen, froͤhlicher, grauſamer, flatter-
hafter, ungluͤckſeliger Menſch! bedenken Sie, ob
die unmenſchliche und treuloſe Begegnung, welche
mir von Jhnen widerfahren iſt, es wohl verlohnte,

daß
den mußte, welches von dem Uebereilen und Schre-
cken, worinn Herr Lovelace ſie geſetzet hatte, um ſei-
nen Beſuch zu vermeiden, den er ſich ſo ernſtlich vor-
genommen, in Smithens Hauſe bey ihr abzulegen,
veranlaſſet war ‒ ‒ So fruͤhe iſt er vielleicht des-
wegen geſchrieben, damit ſie nicht von dem Tode in
einem ſcheinbaren Bruch ihres Wortes uͤbereilt wer-
den moͤchte.
So hoch ſich auch ihr chriſtlicher Geiſt in dieſem
Briefe hebet: ſo hat doch der Leſer in dem XLVIII
Briefe und in andern Stellen geſehen, daß dieſer er-
habne Geiſt ſie noch zu einem weit goͤttlichern Swun-
ge gebracht, da ſie ihrem Ende naͤher gekommen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0677" n="671"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
wa&#x0364;re. Jch darf wohl &#x017F;agen, daß ich <hi rendition="#fr">itzo,</hi> da Sie<lb/>
dieß empfangen, da&#x017F;elb&#x017F;t angekommen bin, und la-<lb/>
de Sie ein, mir zu folgen, &#x017F;o bald als Sie zu ei-<lb/>
ner &#x017F;o großen Rei&#x017F;e <hi rendition="#fr">vorbereitet</hi> &#x017F;eyn ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
            <p>Jch will nicht weiter verblu&#x0364;mt reden &#x2012; &#x2012;<lb/>
Mein Schick&#x017F;al i&#x017F;t <hi rendition="#fr">itzo,</hi> da Sie die&#x017F;es le&#x017F;en, voll-<lb/>
endet. Mein Urtheil i&#x017F;t unvera&#x0364;nderlich be&#x017F;tim-<lb/>
met: und ich bin entweder ein unglu&#x0364;ck&#x017F;eliges,<lb/>
oder ein glu&#x0364;ck&#x017F;eliges Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe in alle Ewigkeit.<lb/>
Bin ich <hi rendition="#fr">glu&#x0364;ck&#x017F;elig:</hi> &#x017F;o habe ich es allein der go&#x0364;tt-<lb/>
lichen Barmherzigkeit zu danken. Bin ich aber<lb/>
unglu&#x0364;ck&#x017F;elig: &#x017F;o i&#x017F;t Jhre unverdiente Grau&#x017F;am-<lb/>
keit daran &#x017F;chuld &#x2012; &#x2012; Bedenken Sie nun um<lb/>
Jhrer &#x017F;elb&#x017F;t willen, fro&#x0364;hlicher, grau&#x017F;amer, flatter-<lb/>
hafter, unglu&#x0364;ck&#x017F;eliger Men&#x017F;ch! bedenken Sie, ob<lb/>
die unmen&#x017F;chliche und treulo&#x017F;e Begegnung, welche<lb/>
mir von Jhnen widerfahren i&#x017F;t, es wohl verlohnte,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">daß</fw><lb/><note xml:id="a10" prev="#a09" place="foot" n="(*)">den mußte, welches von dem Uebereilen und Schre-<lb/>
cken, worinn Herr Lovelace &#x017F;ie ge&#x017F;etzet hatte, um &#x017F;ei-<lb/>
nen Be&#x017F;uch zu vermeiden, den er &#x017F;ich &#x017F;o ern&#x017F;tlich vor-<lb/>
genommen, in Smithens Hau&#x017F;e bey ihr abzulegen,<lb/>
veranla&#x017F;&#x017F;et war &#x2012; &#x2012; So fru&#x0364;he i&#x017F;t er vielleicht des-<lb/>
wegen ge&#x017F;chrieben, damit &#x017F;ie nicht von dem Tode in<lb/>
einem &#x017F;cheinbaren Bruch ihres Wortes u&#x0364;bereilt wer-<lb/>
den mo&#x0364;chte.<lb/>
So hoch &#x017F;ich auch ihr chri&#x017F;tlicher Gei&#x017F;t in die&#x017F;em<lb/>
Briefe hebet: &#x017F;o hat doch der Le&#x017F;er in dem <hi rendition="#aq">XLVIII</hi><lb/>
Briefe und in andern Stellen ge&#x017F;ehen, daß die&#x017F;er er-<lb/>
habne Gei&#x017F;t &#x017F;ie noch zu einem weit go&#x0364;ttlichern Swun-<lb/>
ge gebracht, da &#x017F;ie ihrem Ende na&#x0364;her gekommen.</note><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[671/0677] waͤre. Jch darf wohl ſagen, daß ich itzo, da Sie dieß empfangen, daſelbſt angekommen bin, und la- de Sie ein, mir zu folgen, ſo bald als Sie zu ei- ner ſo großen Reiſe vorbereitet ſeyn koͤnnen. Jch will nicht weiter verbluͤmt reden ‒ ‒ Mein Schickſal iſt itzo, da Sie dieſes leſen, voll- endet. Mein Urtheil iſt unveraͤnderlich beſtim- met: und ich bin entweder ein ungluͤckſeliges, oder ein gluͤckſeliges Geſchoͤpfe in alle Ewigkeit. Bin ich gluͤckſelig: ſo habe ich es allein der goͤtt- lichen Barmherzigkeit zu danken. Bin ich aber ungluͤckſelig: ſo iſt Jhre unverdiente Grauſam- keit daran ſchuld ‒ ‒ Bedenken Sie nun um Jhrer ſelbſt willen, froͤhlicher, grauſamer, flatter- hafter, ungluͤckſeliger Menſch! bedenken Sie, ob die unmenſchliche und treuloſe Begegnung, welche mir von Jhnen widerfahren iſt, es wohl verlohnte, daß (*) (*) den mußte, welches von dem Uebereilen und Schre- cken, worinn Herr Lovelace ſie geſetzet hatte, um ſei- nen Beſuch zu vermeiden, den er ſich ſo ernſtlich vor- genommen, in Smithens Hauſe bey ihr abzulegen, veranlaſſet war ‒ ‒ So fruͤhe iſt er vielleicht des- wegen geſchrieben, damit ſie nicht von dem Tode in einem ſcheinbaren Bruch ihres Wortes uͤbereilt wer- den moͤchte. So hoch ſich auch ihr chriſtlicher Geiſt in dieſem Briefe hebet: ſo hat doch der Leſer in dem XLVIII Briefe und in andern Stellen geſehen, daß dieſer er- habne Geiſt ſie noch zu einem weit goͤttlichern Swun- ge gebracht, da ſie ihrem Ende naͤher gekommen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/677
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 671. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/677>, abgerufen am 14.06.2024.