Der zwey und achtzigste Brief. Eine Fortsetzung von dem Obrist Morden.
Dienstags, frühe, den 12ten Sept.
Die gute Fr. Norton ist angekommen: und es ist ein wenig besser mit ihrem Gemüth; welches eben von den hinterlassenen Briefen her- kommt, von denen Sie, Herr Belford, und ich besorgten, daß sie unglückliche Wirkungen über sie haben würden.
Jch kann dieß nichts anders als ihrer richtigen Gemüthsfassung zuschreiben. Es scheint, sie ist zu Trübsalen gewohnet und hat in einer beständi- gen Hoffnung eines bessern Lebens gelebet. Da sie sich nun kein unfreundliches Bezeigen gegen die liebe Verstorbene vorzuwerfen hat, so ist sie auf das bedächtlichste entschlossen, ihre äußerste Standhaftigkeit anzuwenden, um die betrübte Mutter zu trösten.
O Herr Belford, wie wird die Gemüthsart meiner lieben verstorbenen Base von eines jeden Munde gegen mich erhöhet! - - Wäre sie mein eignes Kind, oder meine Schwester gewesen - - - Aber denken sie, daß der Mensch, der dieses gro- ße, dieses weit ausgebreitete Verderben angerich- tet hat - - - Jedoch ich enthalte mich.
Das
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Der zwey und achtzigſte Brief. Eine Fortſetzung von dem Obriſt Morden.
Dienſtags, fruͤhe, den 12ten Sept.
Die gute Fr. Norton iſt angekommen: und es iſt ein wenig beſſer mit ihrem Gemuͤth; welches eben von den hinterlaſſenen Briefen her- kommt, von denen Sie, Herr Belford, und ich beſorgten, daß ſie ungluͤckliche Wirkungen uͤber ſie haben wuͤrden.
Jch kann dieß nichts anders als ihrer richtigen Gemuͤthsfaſſung zuſchreiben. Es ſcheint, ſie iſt zu Truͤbſalen gewohnet und hat in einer beſtaͤndi- gen Hoffnung eines beſſern Lebens gelebet. Da ſie ſich nun kein unfreundliches Bezeigen gegen die liebe Verſtorbene vorzuwerfen hat, ſo iſt ſie auf das bedaͤchtlichſte entſchloſſen, ihre aͤußerſte Standhaftigkeit anzuwenden, um die betruͤbte Mutter zu troͤſten.
O Herr Belford, wie wird die Gemuͤthsart meiner lieben verſtorbenen Baſe von eines jeden Munde gegen mich erhoͤhet! ‒ ‒ Waͤre ſie mein eignes Kind, oder meine Schweſter geweſen ‒ ‒ ‒ Aber denken ſie, daß der Menſch, der dieſes gro- ße, dieſes weit ausgebreitete Verderben angerich- tet hat ‒ ‒ ‒ Jedoch ich enthalte mich.
Das
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Der zwey und achtzigſte Brief.
Eine Fortſetzung
von dem Obriſt Morden.
Dienſtags, fruͤhe, den 12ten Sept.
Die gute Fr. Norton iſt angekommen: und es
iſt ein wenig beſſer mit ihrem Gemuͤth;
welches eben von den hinterlaſſenen Briefen her-
kommt, von denen Sie, Herr Belford, und ich
beſorgten, daß ſie ungluͤckliche Wirkungen uͤber ſie
haben wuͤrden.
Jch kann dieß nichts anders als ihrer richtigen
Gemuͤthsfaſſung zuſchreiben. Es ſcheint, ſie iſt
zu Truͤbſalen gewohnet und hat in einer beſtaͤndi-
gen Hoffnung eines beſſern Lebens gelebet. Da
ſie ſich nun kein unfreundliches Bezeigen gegen
die liebe Verſtorbene vorzuwerfen hat, ſo iſt ſie
auf das bedaͤchtlichſte entſchloſſen, ihre aͤußerſte
Standhaftigkeit anzuwenden, um die betruͤbte
Mutter zu troͤſten.
O Herr Belford, wie wird die Gemuͤthsart
meiner lieben verſtorbenen Baſe von eines jeden
Munde gegen mich erhoͤhet! ‒ ‒ Waͤre ſie mein
eignes Kind, oder meine Schweſter geweſen ‒ ‒ ‒
Aber denken ſie, daß der Menſch, der dieſes gro-
ße, dieſes weit ausgebreitete Verderben angerich-
tet hat ‒ ‒ ‒ Jedoch ich enthalte mich.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 597. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/603>, abgerufen am 22.11.2024.
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