Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite




Der zwey und achtzigste Brief.
Eine Fortsetzung
von dem Obrist Morden.

Die gute Fr. Norton ist angekommen: und es
ist ein wenig besser mit ihrem Gemüth;
welches eben von den hinterlassenen Briefen her-
kommt, von denen Sie, Herr Belford, und ich
besorgten, daß sie unglückliche Wirkungen über sie
haben würden.

Jch kann dieß nichts anders als ihrer richtigen
Gemüthsfassung zuschreiben. Es scheint, sie ist
zu Trübsalen gewohnet und hat in einer beständi-
gen Hoffnung eines bessern Lebens gelebet. Da
sie sich nun kein unfreundliches Bezeigen gegen
die liebe Verstorbene vorzuwerfen hat, so ist sie
auf das bedächtlichste entschlossen, ihre äußerste
Standhaftigkeit anzuwenden, um die betrübte
Mutter zu trösten.

O Herr Belford, wie wird die Gemüthsart
meiner lieben verstorbenen Base von eines jeden
Munde gegen mich erhöhet! - - Wäre sie mein
eignes Kind, oder meine Schwester gewesen - - -
Aber denken sie, daß der Mensch, der dieses gro-
ße, dieses weit ausgebreitete Verderben angerich-
tet hat - - - Jedoch ich enthalte mich.

Das
P p 3




Der zwey und achtzigſte Brief.
Eine Fortſetzung
von dem Obriſt Morden.

Die gute Fr. Norton iſt angekommen: und es
iſt ein wenig beſſer mit ihrem Gemuͤth;
welches eben von den hinterlaſſenen Briefen her-
kommt, von denen Sie, Herr Belford, und ich
beſorgten, daß ſie ungluͤckliche Wirkungen uͤber ſie
haben wuͤrden.

Jch kann dieß nichts anders als ihrer richtigen
Gemuͤthsfaſſung zuſchreiben. Es ſcheint, ſie iſt
zu Truͤbſalen gewohnet und hat in einer beſtaͤndi-
gen Hoffnung eines beſſern Lebens gelebet. Da
ſie ſich nun kein unfreundliches Bezeigen gegen
die liebe Verſtorbene vorzuwerfen hat, ſo iſt ſie
auf das bedaͤchtlichſte entſchloſſen, ihre aͤußerſte
Standhaftigkeit anzuwenden, um die betruͤbte
Mutter zu troͤſten.

O Herr Belford, wie wird die Gemuͤthsart
meiner lieben verſtorbenen Baſe von eines jeden
Munde gegen mich erhoͤhet! ‒ ‒ Waͤre ſie mein
eignes Kind, oder meine Schweſter geweſen ‒ ‒ ‒
Aber denken ſie, daß der Menſch, der dieſes gro-
ße, dieſes weit ausgebreitete Verderben angerich-
tet hat ‒ ‒ ‒ Jedoch ich enthalte mich.

Das
P p 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0603" n="597"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#fr">Der zwey und achtzig&#x017F;te Brief.</hi><lb/>
Eine Fort&#x017F;etzung<lb/><hi rendition="#fr">von dem Obri&#x017F;t Morden.</hi></head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Dien&#x017F;tags, fru&#x0364;he, den 12ten Sept.</hi> </dateline><lb/>
          <p><hi rendition="#in">D</hi>ie gute Fr. Norton i&#x017F;t angekommen: und es<lb/>
i&#x017F;t ein wenig be&#x017F;&#x017F;er mit ihrem Gemu&#x0364;th;<lb/>
welches eben von den hinterla&#x017F;&#x017F;enen Briefen her-<lb/>
kommt, von denen Sie, Herr Belford, und ich<lb/>
be&#x017F;orgten, daß &#x017F;ie unglu&#x0364;ckliche Wirkungen u&#x0364;ber &#x017F;ie<lb/>
haben wu&#x0364;rden.</p><lb/>
          <p>Jch kann dieß nichts anders als ihrer richtigen<lb/>
Gemu&#x0364;thsfa&#x017F;&#x017F;ung zu&#x017F;chreiben. Es &#x017F;cheint, &#x017F;ie i&#x017F;t<lb/>
zu Tru&#x0364;b&#x017F;alen gewohnet und hat in einer be&#x017F;ta&#x0364;ndi-<lb/>
gen Hoffnung eines <hi rendition="#fr">be&#x017F;&#x017F;ern</hi> Lebens gelebet. Da<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;ich nun kein unfreundliches Bezeigen gegen<lb/>
die liebe Ver&#x017F;torbene vorzuwerfen hat, &#x017F;o i&#x017F;t &#x017F;ie<lb/>
auf das beda&#x0364;chtlich&#x017F;te ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, ihre <hi rendition="#fr">a&#x0364;ußer&#x017F;te</hi><lb/>
Standhaftigkeit anzuwenden, um die betru&#x0364;bte<lb/>
Mutter zu tro&#x0364;&#x017F;ten.</p><lb/>
          <p>O Herr Belford, wie wird die Gemu&#x0364;thsart<lb/>
meiner lieben ver&#x017F;torbenen Ba&#x017F;e von eines jeden<lb/>
Munde gegen mich erho&#x0364;het! &#x2012; &#x2012; Wa&#x0364;re &#x017F;ie mein<lb/>
eignes Kind, oder meine Schwe&#x017F;ter gewe&#x017F;en &#x2012; &#x2012; &#x2012;<lb/>
Aber denken &#x017F;ie, daß der Men&#x017F;ch, der die&#x017F;es gro-<lb/>
ße, die&#x017F;es weit ausgebreitete Verderben angerich-<lb/>
tet hat &#x2012; &#x2012; &#x2012; Jedoch ich enthalte mich.</p><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">P p 3</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Das</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[597/0603] Der zwey und achtzigſte Brief. Eine Fortſetzung von dem Obriſt Morden. Dienſtags, fruͤhe, den 12ten Sept. Die gute Fr. Norton iſt angekommen: und es iſt ein wenig beſſer mit ihrem Gemuͤth; welches eben von den hinterlaſſenen Briefen her- kommt, von denen Sie, Herr Belford, und ich beſorgten, daß ſie ungluͤckliche Wirkungen uͤber ſie haben wuͤrden. Jch kann dieß nichts anders als ihrer richtigen Gemuͤthsfaſſung zuſchreiben. Es ſcheint, ſie iſt zu Truͤbſalen gewohnet und hat in einer beſtaͤndi- gen Hoffnung eines beſſern Lebens gelebet. Da ſie ſich nun kein unfreundliches Bezeigen gegen die liebe Verſtorbene vorzuwerfen hat, ſo iſt ſie auf das bedaͤchtlichſte entſchloſſen, ihre aͤußerſte Standhaftigkeit anzuwenden, um die betruͤbte Mutter zu troͤſten. O Herr Belford, wie wird die Gemuͤthsart meiner lieben verſtorbenen Baſe von eines jeden Munde gegen mich erhoͤhet! ‒ ‒ Waͤre ſie mein eignes Kind, oder meine Schweſter geweſen ‒ ‒ ‒ Aber denken ſie, daß der Menſch, der dieſes gro- ße, dieſes weit ausgebreitete Verderben angerich- tet hat ‒ ‒ ‒ Jedoch ich enthalte mich. Das P p 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/603
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 597. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/603>, abgerufen am 16.07.2024.