Nichts desto weniger will ich einen andern wie- der anfangen: in der Vermuthung, daß meine kla- genvolle Weitläuftigkeit Jhnen nicht unangenehm seyn werde. Jch bin in der That zur Ruhe gar nicht geschickt: wie ich vorher gedacht habe. Al- so kann ich nichts anders thun, als schreiben. Jch habe auch noch mehr traurige Aufzüge zu schilder. Meine Feder, wenn ich so sagen mag, ist unerm ü- det. Diese Trauerbilder sind mir noch in fri- schem Andenken: und vielleicht bitte ich mir von Jhnen die Gewogenheit aus, sie nebst andern der- gleichen Papieren, mit denen sie mir zu dienen für gut finden werden, wieder durchzusehen, wenn der schwere Kummer einer sanftern Traurigkeit Platz gemachet hat.
Mein Bedienter soll, auf seinem Wege zu Jhnen mit diesem Briefe, zu St. Albans anfra- gen und sich nach der guten Frauen erkundigen, damit er Jhnen Nachricht bringen könne, wie sie sich befindet. Fräulein Arabella fragte mich nach ihr, als ich mich in meine Kammer begab, zu der sie mich höflich begleitete. Sie war über den schlechten Zustand, worinn wir sie verlassen hatten, sehr bekümmert, und sagte, ihre Mutter würde sich noch mehr betrüben.
Kein Wunder, daß die liebe Verstorbene, welche die Gewissensbisse voraussahe, die dieser unglück- lichen Familie zu Theil werden würden, wenn ihnen die Zeitung von ihrem Tode bekräftigt wäre, sich über ihren besorgten Kummer so sehr betrübte und sie durch ihre hinterlassene Briefe zu trösten suchte.
Allein
Nichts deſto weniger will ich einen andern wie- der anfangen: in der Vermuthung, daß meine kla- genvolle Weitlaͤuftigkeit Jhnen nicht unangenehm ſeyn werde. Jch bin in der That zur Ruhe gar nicht geſchickt: wie ich vorher gedacht habe. Al- ſo kann ich nichts anders thun, als ſchreiben. Jch habe auch noch mehr traurige Aufzuͤge zu ſchilder. Meine Feder, wenn ich ſo ſagen mag, iſt unerm uͤ- det. Dieſe Trauerbilder ſind mir noch in fri- ſchem Andenken: und vielleicht bitte ich mir von Jhnen die Gewogenheit aus, ſie nebſt andern der- gleichen Papieren, mit denen ſie mir zu dienen fuͤr gut finden werden, wieder durchzuſehen, wenn der ſchwere Kummer einer ſanftern Traurigkeit Platz gemachet hat.
Mein Bedienter ſoll, auf ſeinem Wege zu Jhnen mit dieſem Briefe, zu St. Albans anfra- gen und ſich nach der guten Frauen erkundigen, damit er Jhnen Nachricht bringen koͤnne, wie ſie ſich befindet. Fraͤulein Arabella fragte mich nach ihr, als ich mich in meine Kammer begab, zu der ſie mich hoͤflich begleitete. Sie war uͤber den ſchlechten Zuſtand, worinn wir ſie verlaſſen hatten, ſehr bekuͤmmert, und ſagte, ihre Mutter wuͤrde ſich noch mehr betruͤben.
Kein Wunder, daß die liebe Verſtorbene, welche die Gewiſſensbiſſe vorausſahe, die dieſer ungluͤck- lichen Familie zu Theil werden wuͤrden, wenn ihnen die Zeitung von ihrem Tode bekraͤftigt waͤre, ſich uͤber ihren beſorgten Kummer ſo ſehr betruͤbte und ſie durch ihre hinterlaſſene Briefe zu troͤſten ſuchte.
Allein
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Nichts deſto weniger will ich einen andern wie-
der anfangen: in der Vermuthung, daß meine kla-
genvolle Weitlaͤuftigkeit Jhnen nicht unangenehm
ſeyn werde. Jch bin in der That zur Ruhe gar
nicht geſchickt: wie ich vorher gedacht habe. Al-
ſo kann ich nichts anders thun, als ſchreiben. Jch
habe auch noch mehr traurige Aufzuͤge zu ſchilder.
Meine Feder, wenn ich ſo ſagen mag, iſt unerm uͤ-
det. Dieſe Trauerbilder ſind mir noch in fri-
ſchem Andenken: und vielleicht bitte ich mir von
Jhnen die Gewogenheit aus, ſie nebſt andern der-
gleichen Papieren, mit denen ſie mir zu dienen fuͤr
gut finden werden, wieder durchzuſehen, wenn der
ſchwere Kummer einer ſanftern Traurigkeit Platz
gemachet hat.
Mein Bedienter ſoll, auf ſeinem Wege zu
Jhnen mit dieſem Briefe, zu St. Albans anfra-
gen und ſich nach der guten Frauen erkundigen,
damit er Jhnen Nachricht bringen koͤnne, wie ſie
ſich befindet. Fraͤulein Arabella fragte mich nach
ihr, als ich mich in meine Kammer begab, zu der
ſie mich hoͤflich begleitete. Sie war uͤber den
ſchlechten Zuſtand, worinn wir ſie verlaſſen hatten,
ſehr bekuͤmmert, und ſagte, ihre Mutter wuͤrde
ſich noch mehr betruͤben.
Kein Wunder, daß die liebe Verſtorbene, welche
die Gewiſſensbiſſe vorausſahe, die dieſer ungluͤck-
lichen Familie zu Theil werden wuͤrden, wenn ihnen
die Zeitung von ihrem Tode bekraͤftigt waͤre, ſich
uͤber ihren beſorgten Kummer ſo ſehr betruͤbte und
ſie durch ihre hinterlaſſene Briefe zu troͤſten ſuchte.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 580. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/586>, abgerufen am 22.11.2024.
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