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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

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daher gekommen, daß sie eben um ihrer Höflich-
keiten willen gegen sie desto schlechter gefahren
ist. Aber ist denn keine Hoffnung zu ihrer Ge-
nesung?

Die Aerzte haben sie mit der traurigen Er-
klärung, daß keine mehr da sey, verlassen.

Hat sie gute Pflege gehabt, mein Herr? Ei-
nen erfahrnen und geschickten Arzt? Jch höre,
diese guten Leute sind sehr höflich und gefällig ge-
gen sie gewesen - -

Wer könnte wohl anders, sagte Fr. Smi-
thinn mit Weinen? Sie ist die liebenswürdigste
Fräulein von der Welt!

Ein Ruhm, sprach der Obrist, welcher seine
Augen und die eine Hand aufhub, den ihr alle
Menschen geben! - - Lieber Gott! Wie ist es
ihrem verfluchten Freunde möglich gewesen - -

Und wie, fiel ich ihm in die Rede, ist es ih-
ren grausamen Eltern möglich gewesen. - - Wir
können für ihn eben so leicht, als für diese, Rede
und Antwort geben.

Nur mehr als zu wahr! versetzte er: wenn
man die schändliche Art der liederlichen Leute von
unserm Geschlechte erwäget, so oft sie irgend eine
Person von dem andern Geschlechte in ihre Ge-
walt bekommen können.

Jch gab ihm hinlängliche Nachricht von der
Sorge, die man für sie getragen hätte, und erzähl-
te ihm die freundschaftliche, ja gar väterliche
Sorgfalt, die ihr von dem Dr. H. und Herrn
Goddard bewiesen wäre.

Er
D d 4



daher gekommen, daß ſie eben um ihrer Hoͤflich-
keiten willen gegen ſie deſto ſchlechter gefahren
iſt. Aber iſt denn keine Hoffnung zu ihrer Ge-
neſung?

Die Aerzte haben ſie mit der traurigen Er-
klaͤrung, daß keine mehr da ſey, verlaſſen.

Hat ſie gute Pflege gehabt, mein Herr? Ei-
nen erfahrnen und geſchickten Arzt? Jch hoͤre,
dieſe guten Leute ſind ſehr hoͤflich und gefaͤllig ge-
gen ſie geweſen ‒ ‒

Wer koͤnnte wohl anders, ſagte Fr. Smi-
thinn mit Weinen? Sie iſt die liebenswuͤrdigſte
Fraͤulein von der Welt!

Ein Ruhm, ſprach der Obriſt, welcher ſeine
Augen und die eine Hand aufhub, den ihr alle
Menſchen geben! ‒ ‒ Lieber Gott! Wie iſt es
ihrem verfluchten Freunde moͤglich geweſen ‒ ‒

Und wie, fiel ich ihm in die Rede, iſt es ih-
ren grauſamen Eltern moͤglich geweſen. ‒ ‒ Wir
koͤnnen fuͤr ihn eben ſo leicht, als fuͤr dieſe, Rede
und Antwort geben.

Nur mehr als zu wahr! verſetzte er: wenn
man die ſchaͤndliche Art der liederlichen Leute von
unſerm Geſchlechte erwaͤget, ſo oft ſie irgend eine
Perſon von dem andern Geſchlechte in ihre Ge-
walt bekommen koͤnnen.

Jch gab ihm hinlaͤngliche Nachricht von der
Sorge, die man fuͤr ſie getragen haͤtte, und erzaͤhl-
te ihm die freundſchaftliche, ja gar vaͤterliche
Sorgfalt, die ihr von dem Dr. H. und Herrn
Goddard bewieſen waͤre.

Er
D d 4
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[423/0429] daher gekommen, daß ſie eben um ihrer Hoͤflich- keiten willen gegen ſie deſto ſchlechter gefahren iſt. Aber iſt denn keine Hoffnung zu ihrer Ge- neſung? Die Aerzte haben ſie mit der traurigen Er- klaͤrung, daß keine mehr da ſey, verlaſſen. Hat ſie gute Pflege gehabt, mein Herr? Ei- nen erfahrnen und geſchickten Arzt? Jch hoͤre, dieſe guten Leute ſind ſehr hoͤflich und gefaͤllig ge- gen ſie geweſen ‒ ‒ Wer koͤnnte wohl anders, ſagte Fr. Smi- thinn mit Weinen? Sie iſt die liebenswuͤrdigſte Fraͤulein von der Welt! Ein Ruhm, ſprach der Obriſt, welcher ſeine Augen und die eine Hand aufhub, den ihr alle Menſchen geben! ‒ ‒ Lieber Gott! Wie iſt es ihrem verfluchten Freunde moͤglich geweſen ‒ ‒ Und wie, fiel ich ihm in die Rede, iſt es ih- ren grauſamen Eltern moͤglich geweſen. ‒ ‒ Wir koͤnnen fuͤr ihn eben ſo leicht, als fuͤr dieſe, Rede und Antwort geben. Nur mehr als zu wahr! verſetzte er: wenn man die ſchaͤndliche Art der liederlichen Leute von unſerm Geſchlechte erwaͤget, ſo oft ſie irgend eine Perſon von dem andern Geſchlechte in ihre Ge- walt bekommen koͤnnen. Jch gab ihm hinlaͤngliche Nachricht von der Sorge, die man fuͤr ſie getragen haͤtte, und erzaͤhl- te ihm die freundſchaftliche, ja gar vaͤterliche Sorgfalt, die ihr von dem Dr. H. und Herrn Goddard bewieſen waͤre. Er D d 4

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/429>, abgerufen am 21.05.2024.