mag wahr seyn oder nicht: so laß es mir so gesagt werden. Alsdenn will ich mit Freuden herum- gehen und es glauben. Meine Wünsche und Einbildungskraft sollen alles übrige gut machen.
Wenn sie nur noch ein Jahr lebet, daß ich mich bey mir selbst rechtfertigen kann; nach der Welt frage ich nichts; daß ihr Tod mir nicht beyzumessen ist: so will ich mich wegen des Uebri- gen zufrieden geben.
Wollen denn weder Gelübde noch Gebethe sie erretten? Jch habe niemals in meinem Leben, wenn man alle Jahre desselben zusammen nimmt, so gebetet, als ich diese letzten Vierzehntage gethan habe: und ich habe alle meine schändliche Hand- lungen gegen sie aufrichtigst bereuet - - Will dann nichts etwas helfen?
Aber endlich, wo sie nicht wieder genesen wird, muß diese Betrachtung mein Trost seyn; und es ist die Wahrheit; daß ihr Tod vielmehr einem Eigensinne, einem offenbaren weiblichen Eigensin- ne, als irgend einer andern Ursache zuzuschreiben seyn wird.
Es ist schwer für Leute, die den Eingebungen eines heftigen Unwillens nachgehen, da inne zu halten, wo sie zuerst inne zu halten willens waren.
Jch bin aus christlicher Liebe geneigt zu glau- ben, daß selbst Jakob und Arabella Harlowe an- fangs bey dem Bündnisse, das sie gegen ihre en- glische Schwester gemacht, keine andere Absichten geheget, als sie in Ungnade zu bringen und nie- derzuhalten, damit nicht etwa zu ihrem Scha-
den;
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mag wahr ſeyn oder nicht: ſo laß es mir ſo geſagt werden. Alsdenn will ich mit Freuden herum- gehen und es glauben. Meine Wuͤnſche und Einbildungskraft ſollen alles uͤbrige gut machen.
Wenn ſie nur noch ein Jahr lebet, daß ich mich bey mir ſelbſt rechtfertigen kann; nach der Welt frage ich nichts; daß ihr Tod mir nicht beyzumeſſen iſt: ſo will ich mich wegen des Uebri- gen zufrieden geben.
Wollen denn weder Geluͤbde noch Gebethe ſie erretten? Jch habe niemals in meinem Leben, wenn man alle Jahre deſſelben zuſammen nimmt, ſo gebetet, als ich dieſe letzten Vierzehntage gethan habe: und ich habe alle meine ſchaͤndliche Hand- lungen gegen ſie aufrichtigſt bereuet ‒ ‒ Will dann nichts etwas helfen?
Aber endlich, wo ſie nicht wieder geneſen wird, muß dieſe Betrachtung mein Troſt ſeyn; und es iſt die Wahrheit; daß ihr Tod vielmehr einem Eigenſinne, einem offenbaren weiblichen Eigenſin- ne, als irgend einer andern Urſache zuzuſchreiben ſeyn wird.
Es iſt ſchwer fuͤr Leute, die den Eingebungen eines heftigen Unwillens nachgehen, da inne zu halten, wo ſie zuerſt inne zu halten willens waren.
Jch bin aus chriſtlicher Liebe geneigt zu glau- ben, daß ſelbſt Jakob und Arabella Harlowe an- fangs bey dem Buͤndniſſe, das ſie gegen ihre en- gliſche Schweſter gemacht, keine andere Abſichten geheget, als ſie in Ungnade zu bringen und nie- derzuhalten, damit nicht etwa zu ihrem Scha-
den;
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mag wahr ſeyn oder nicht: ſo laß es mir ſo geſagt
werden. Alsdenn will ich mit Freuden herum-
gehen und es glauben. Meine Wuͤnſche und
Einbildungskraft ſollen alles uͤbrige gut machen.
Wenn ſie nur noch ein Jahr lebet, daß ich
mich bey mir ſelbſt rechtfertigen kann; nach der
Welt frage ich nichts; daß ihr Tod mir nicht
beyzumeſſen iſt: ſo will ich mich wegen des Uebri-
gen zufrieden geben.
Wollen denn weder Geluͤbde noch Gebethe
ſie erretten? Jch habe niemals in meinem Leben,
wenn man alle Jahre deſſelben zuſammen nimmt,
ſo gebetet, als ich dieſe letzten Vierzehntage gethan
habe: und ich habe alle meine ſchaͤndliche Hand-
lungen gegen ſie aufrichtigſt bereuet ‒ ‒ Will
dann nichts etwas helfen?
Aber endlich, wo ſie nicht wieder geneſen wird,
muß dieſe Betrachtung mein Troſt ſeyn; und es
iſt die Wahrheit; daß ihr Tod vielmehr einem
Eigenſinne, einem offenbaren weiblichen Eigenſin-
ne, als irgend einer andern Urſache zuzuſchreiben
ſeyn wird.
Es iſt ſchwer fuͤr Leute, die den Eingebungen
eines heftigen Unwillens nachgehen, da inne zu
halten, wo ſie zuerſt inne zu halten willens waren.
Jch bin aus chriſtlicher Liebe geneigt zu glau-
ben, daß ſelbſt Jakob und Arabella Harlowe an-
fangs bey dem Buͤndniſſe, das ſie gegen ihre en-
gliſche Schweſter gemacht, keine andere Abſichten
geheget, als ſie in Ungnade zu bringen und nie-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 409. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/415>, abgerufen am 22.11.2024.
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