mend schlecht: und dennoch hat sie ihr Augen- merk auf eine Antwort auf den Brief von ihrer Fr. Norton gerichtet, die sie gestern in ihrer Kam- mer angefangen und ein gutes Theil fortgeschrie- ben hat; aber nicht in ihrer schönen Hand, wie mir Fr. Lovick sagt, sondern viel größer, und mit krummen Zeilen.
Jch habe hier ein Zimmer, das mir angebo- ten worden, und an die Stube der Witwe Lovick stößet, angenommen, bis ich sehe, wie die Sachen laufen; jedoch ohne der Fräulein Wissen. Jch werde nur alle Abend auf einige wenige Stunden zu Hause gehen. - - Jch wollte um eines gan- zen Reichs willen nicht einen Ausspruch von so lehrreichen Lippen, noch die bequeme Gelegenheit, alle ihre Befehle anzunehmen, verlieren.
Jn diesem meinen neuen Zimmer schreibe ich itzo, und werde es ferner thun, wie sich dazu Ge- legenheit findet, damit ich desto umständlicher seyn möge. Jch verlasse mich aber darauf, daß ich meine Briefe, oder Abschriften davon, auf Ver- langen wiederbekomme, damit ich alles beysam- men habe, was zu dieser rührenden Begebenheit gehöret. Das werde ich bis an das Ende mei- nes Lebens mit einem traurigen Vergnügen fleißig wieder nachlesen.
Jch denke, ich werde dir den Brief von Bran- den an Herrn Joh. Harlowe, worinn er seine schändliche Muthmaßungen wiederruft, zuschicken. Es ist ein Stück, das unter den Werken der Pe- danten seines gleichen nicht hat, und kann viel-
leicht
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mend ſchlecht: und dennoch hat ſie ihr Augen- merk auf eine Antwort auf den Brief von ihrer Fr. Norton gerichtet, die ſie geſtern in ihrer Kam- mer angefangen und ein gutes Theil fortgeſchrie- ben hat; aber nicht in ihrer ſchoͤnen Hand, wie mir Fr. Lovick ſagt, ſondern viel groͤßer, und mit krummen Zeilen.
Jch habe hier ein Zimmer, das mir angebo- ten worden, und an die Stube der Witwe Lovick ſtoͤßet, angenommen, bis ich ſehe, wie die Sachen laufen; jedoch ohne der Fraͤulein Wiſſen. Jch werde nur alle Abend auf einige wenige Stunden zu Hauſe gehen. ‒ ‒ Jch wollte um eines gan- zen Reichs willen nicht einen Ausſpruch von ſo lehrreichen Lippen, noch die bequeme Gelegenheit, alle ihre Befehle anzunehmen, verlieren.
Jn dieſem meinen neuen Zimmer ſchreibe ich itzo, und werde es ferner thun, wie ſich dazu Ge- legenheit findet, damit ich deſto umſtaͤndlicher ſeyn moͤge. Jch verlaſſe mich aber darauf, daß ich meine Briefe, oder Abſchriften davon, auf Ver- langen wiederbekomme, damit ich alles beyſam- men habe, was zu dieſer ruͤhrenden Begebenheit gehoͤret. Das werde ich bis an das Ende mei- nes Lebens mit einem traurigen Vergnuͤgen fleißig wieder nachleſen.
Jch denke, ich werde dir den Brief von Bran- den an Herrn Joh. Harlowe, worinn er ſeine ſchaͤndliche Muthmaßungen wiederruft, zuſchicken. Es iſt ein Stuͤck, das unter den Werken der Pe- danten ſeines gleichen nicht hat, und kann viel-
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mend ſchlecht: und dennoch hat ſie ihr Augen-
merk auf eine Antwort auf den Brief von ihrer
Fr. Norton gerichtet, die ſie geſtern in ihrer Kam-
mer angefangen und ein gutes Theil fortgeſchrie-
ben hat; aber nicht in ihrer ſchoͤnen Hand, wie
mir Fr. Lovick ſagt, ſondern viel groͤßer, und mit
krummen Zeilen.
Jch habe hier ein Zimmer, das mir angebo-
ten worden, und an die Stube der Witwe Lovick
ſtoͤßet, angenommen, bis ich ſehe, wie die Sachen
laufen; jedoch ohne der Fraͤulein Wiſſen. Jch
werde nur alle Abend auf einige wenige Stunden
zu Hauſe gehen. ‒ ‒ Jch wollte um eines gan-
zen Reichs willen nicht einen Ausſpruch von ſo
lehrreichen Lippen, noch die bequeme Gelegenheit,
alle ihre Befehle anzunehmen, verlieren.
Jn dieſem meinen neuen Zimmer ſchreibe ich
itzo, und werde es ferner thun, wie ſich dazu Ge-
legenheit findet, damit ich deſto umſtaͤndlicher ſeyn
moͤge. Jch verlaſſe mich aber darauf, daß ich
meine Briefe, oder Abſchriften davon, auf Ver-
langen wiederbekomme, damit ich alles beyſam-
men habe, was zu dieſer ruͤhrenden Begebenheit
gehoͤret. Das werde ich bis an das Ende mei-
nes Lebens mit einem traurigen Vergnuͤgen fleißig
wieder nachleſen.
Jch denke, ich werde dir den Brief von Bran-
den an Herrn Joh. Harlowe, worinn er ſeine
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 375. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/381>, abgerufen am 21.11.2024.
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