Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite




Der ein und vierzigste Brief
von
Herrn Belford an Hrn. Rob. Lovelace.

Die Fräulein wollte den Brief den sie von der
Fr. Norton bekommen, nicht eher lesen, als
bis sie das heilige Abendmahl empfangen hatte:
aus Furcht, er möchte etwas enthalten, das die
glückselige Stille, welche sie zu dieser heiligen
Handlung zu erhalten gesucht, stören könnte.
Nachdem dieselbe vollendet war, fand sie sich so
gesetzt und geruhig, wie sie sagte, daß sie glaubte,
sie könnte nunmehr alle und jede Zeitungen, wenn
sie auch noch so schmerzlich wären, mit gelassenem
Gemüthe annehmen.

Nichts desto weniger ward sie genöthigt, als sie
ihn las, verschiedne male abzusetzen, wegen Schwach-
heit und Verdunkelung des Gesichts, worüber sie
klagte; wo ich klagen sagen mag; denn ihre Kla-
gen waren mit einer solchen Zufriedenheit und
Sanftmuth verbunden, daß man sie kaum so nen-
nen konnte.

Sie ward bey verschiedenen Stellen dieses
Briefes gar sehr gerühret. Sie weinte zu ver-
schiedenen malen und seufzete oft. Fr. Lovick er-
zählte mir, daß dieß die sanften Ausrufungen wa-
ren, die sie von sich hören ließ, als sie las: - -

Jhr




Der ein und vierzigſte Brief
von
Herrn Belford an Hrn. Rob. Lovelace.

Die Fraͤulein wollte den Brief den ſie von der
Fr. Norton bekommen, nicht eher leſen, als
bis ſie das heilige Abendmahl empfangen hatte:
aus Furcht, er moͤchte etwas enthalten, das die
gluͤckſelige Stille, welche ſie zu dieſer heiligen
Handlung zu erhalten geſucht, ſtoͤren koͤnnte.
Nachdem dieſelbe vollendet war, fand ſie ſich ſo
geſetzt und geruhig, wie ſie ſagte, daß ſie glaubte,
ſie koͤnnte nunmehr alle und jede Zeitungen, wenn
ſie auch noch ſo ſchmerzlich waͤren, mit gelaſſenem
Gemuͤthe annehmen.

Nichts deſto weniger ward ſie genoͤthigt, als ſie
ihn las, verſchiedne male abzuſetzen, wegen Schwach-
heit und Verdunkelung des Geſichts, woruͤber ſie
klagte; wo ich klagen ſagen mag; denn ihre Kla-
gen waren mit einer ſolchen Zufriedenheit und
Sanftmuth verbunden, daß man ſie kaum ſo nen-
nen konnte.

Sie ward bey verſchiedenen Stellen dieſes
Briefes gar ſehr geruͤhret. Sie weinte zu ver-
ſchiedenen malen und ſeufzete oft. Fr. Lovick er-
zaͤhlte mir, daß dieß die ſanften Ausrufungen wa-
ren, die ſie von ſich hoͤren ließ, als ſie las: ‒ ‒

Jhr
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0355" n="349"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#fr">Der ein und vierzig&#x017F;te Brief</hi><lb/>
von<lb/><hi rendition="#fr">Herrn Belford an Hrn. Rob. Lovelace.</hi></head><lb/>
          <dateline> <hi rendition="#et">Montags, den &#x017F;ten Sept.</hi> </dateline><lb/>
          <p><hi rendition="#in">D</hi>ie Fra&#x0364;ulein wollte den Brief den &#x017F;ie von der<lb/>
Fr. Norton bekommen, nicht eher le&#x017F;en, als<lb/>
bis &#x017F;ie das heilige Abendmahl empfangen hatte:<lb/>
aus Furcht, er mo&#x0364;chte etwas enthalten, das die<lb/>
glu&#x0364;ck&#x017F;elige Stille, welche &#x017F;ie zu die&#x017F;er heiligen<lb/>
Handlung zu erhalten ge&#x017F;ucht, &#x017F;to&#x0364;ren ko&#x0364;nnte.<lb/>
Nachdem die&#x017F;elbe vollendet war, fand &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;o<lb/>
ge&#x017F;etzt und geruhig, wie &#x017F;ie &#x017F;agte, daß &#x017F;ie glaubte,<lb/>
&#x017F;ie ko&#x0364;nnte nunmehr alle und jede Zeitungen, wenn<lb/>
&#x017F;ie auch noch &#x017F;o &#x017F;chmerzlich wa&#x0364;ren, mit gela&#x017F;&#x017F;enem<lb/>
Gemu&#x0364;the annehmen.</p><lb/>
          <p>Nichts de&#x017F;to weniger ward &#x017F;ie geno&#x0364;thigt, als &#x017F;ie<lb/>
ihn las, ver&#x017F;chiedne male abzu&#x017F;etzen, wegen Schwach-<lb/>
heit und Verdunkelung des Ge&#x017F;ichts, woru&#x0364;ber &#x017F;ie<lb/>
klagte; wo ich <hi rendition="#fr">klagen</hi> &#x017F;agen mag; denn ihre Kla-<lb/>
gen waren mit einer &#x017F;olchen Zufriedenheit und<lb/>
Sanftmuth verbunden, daß man &#x017F;ie kaum &#x017F;o nen-<lb/>
nen konnte.</p><lb/>
          <p>Sie ward bey ver&#x017F;chiedenen Stellen die&#x017F;es<lb/>
Briefes gar &#x017F;ehr geru&#x0364;hret. Sie weinte zu ver-<lb/>
&#x017F;chiedenen malen und &#x017F;eufzete oft. Fr. Lovick er-<lb/>
za&#x0364;hlte mir, daß dieß die &#x017F;anften Ausrufungen wa-<lb/>
ren, die &#x017F;ie von &#x017F;ich ho&#x0364;ren ließ, als &#x017F;ie las: &#x2012; &#x2012;<lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Jhr</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[349/0355] Der ein und vierzigſte Brief von Herrn Belford an Hrn. Rob. Lovelace. Montags, den ſten Sept. Die Fraͤulein wollte den Brief den ſie von der Fr. Norton bekommen, nicht eher leſen, als bis ſie das heilige Abendmahl empfangen hatte: aus Furcht, er moͤchte etwas enthalten, das die gluͤckſelige Stille, welche ſie zu dieſer heiligen Handlung zu erhalten geſucht, ſtoͤren koͤnnte. Nachdem dieſelbe vollendet war, fand ſie ſich ſo geſetzt und geruhig, wie ſie ſagte, daß ſie glaubte, ſie koͤnnte nunmehr alle und jede Zeitungen, wenn ſie auch noch ſo ſchmerzlich waͤren, mit gelaſſenem Gemuͤthe annehmen. Nichts deſto weniger ward ſie genoͤthigt, als ſie ihn las, verſchiedne male abzuſetzen, wegen Schwach- heit und Verdunkelung des Geſichts, woruͤber ſie klagte; wo ich klagen ſagen mag; denn ihre Kla- gen waren mit einer ſolchen Zufriedenheit und Sanftmuth verbunden, daß man ſie kaum ſo nen- nen konnte. Sie ward bey verſchiedenen Stellen dieſes Briefes gar ſehr geruͤhret. Sie weinte zu ver- ſchiedenen malen und ſeufzete oft. Fr. Lovick er- zaͤhlte mir, daß dieß die ſanften Ausrufungen wa- ren, die ſie von ſich hoͤren ließ, als ſie las: ‒ ‒ Jhr

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/355
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 349. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/355>, abgerufen am 22.11.2024.