Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite


O setze, setze doch den Fall nicht, meine Arabelle,
antwortete Jhre arme Fr. Mutter: ich kann nicht
daran gedenken, daß ich mein Clärchen verlieren
sollte - - Bey allen Jhren Fehlern ist sie doch
mein Kind - - Man hat noch die Ursachen nicht
gehört, die sie gehabt hat, sich so zu verhalten.
Es würde mir das Herz abstoßen, wenn ich ihrer
verlustig werden sollte. - - Jch gedenke, mein
Werthester, sprach sie zu Jhrem Herrn Vater, es
schickt sich für niemand so gut als für mich, wenn
sie mir die Erlaubniß geben wollen, hinaufzurei-
sen: und Fr. Norton soll mir Gesellschaft leisten.

Dieß war ein liebreicher Rath: und ihr Hr.
Vater hielte dabey inne. Herr Morden erbot sei-
ne Dienste, sie zu begleiten. Jhre Onkels schienen
es zu billigen. Aber Jhr Bruder machte alles
zu nichte. Jch hoffe, gnädiger Herr, sagte er zu
seinem Herrn Vater; ich hoffe, gnädige Frau, zu
seiner Fr. Mutter, daß sie eine strafbare Tochter
nicht durch den Verlust eines unsträflichen Sohnes
wieder zu bekommen suchen werden. Jch erkläre
mich, daß, wo jemals meine Schwester Clärchen
diese Schwellen wieder betritt, ich es niemals thun
will. Jch will den Augenblick, gnädige Frau, da
sie zu einem solchen Gewerbe nach London abge-
hen, nach Edinburg aufbrechen: da will ich blei-
ben, und zu vergessen suchen, daß ich so nahe und
so werthe Anverwandten, als sie mir itzo alle sind,
in England habe.

Lieber Gott! sprach der Obrist, was ist das
für eine Erklärung! - - Gesetzt aber, mein Herr,

gesetzt,


O ſetze, ſetze doch den Fall nicht, meine Arabelle,
antwortete Jhre arme Fr. Mutter: ich kann nicht
daran gedenken, daß ich mein Claͤrchen verlieren
ſollte ‒ ‒ Bey allen Jhren Fehlern iſt ſie doch
mein Kind ‒ ‒ Man hat noch die Urſachen nicht
gehoͤrt, die ſie gehabt hat, ſich ſo zu verhalten.
Es wuͤrde mir das Herz abſtoßen, wenn ich ihrer
verluſtig werden ſollte. ‒ ‒ Jch gedenke, mein
Wertheſter, ſprach ſie zu Jhrem Herrn Vater, es
ſchickt ſich fuͤr niemand ſo gut als fuͤr mich, wenn
ſie mir die Erlaubniß geben wollen, hinaufzurei-
ſen: und Fr. Norton ſoll mir Geſellſchaft leiſten.

Dieß war ein liebreicher Rath: und ihr Hr.
Vater hielte dabey inne. Herr Morden erbot ſei-
ne Dienſte, ſie zu begleiten. Jhre Onkels ſchienen
es zu billigen. Aber Jhr Bruder machte alles
zu nichte. Jch hoffe, gnaͤdiger Herr, ſagte er zu
ſeinem Herrn Vater; ich hoffe, gnaͤdige Frau, zu
ſeiner Fr. Mutter, daß ſie eine ſtrafbare Tochter
nicht durch den Verluſt eines unſtraͤflichen Sohnes
wieder zu bekommen ſuchen werden. Jch erklaͤre
mich, daß, wo jemals meine Schweſter Claͤrchen
dieſe Schwellen wieder betritt, ich es niemals thun
will. Jch will den Augenblick, gnaͤdige Frau, da
ſie zu einem ſolchen Gewerbe nach London abge-
hen, nach Edinburg aufbrechen: da will ich blei-
ben, und zu vergeſſen ſuchen, daß ich ſo nahe und
ſo werthe Anverwandten, als ſie mir itzo alle ſind,
in England habe.

Lieber Gott! ſprach der Obriſt, was iſt das
fuͤr eine Erklaͤrung! ‒ ‒ Geſetzt aber, mein Herr,

geſetzt,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0341" n="335"/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <p>O &#x017F;etze, &#x017F;etze doch <hi rendition="#fr">den Fall</hi> nicht, meine Arabelle,<lb/>
antwortete Jhre arme Fr. Mutter: ich kann nicht<lb/>
daran gedenken, daß ich mein Cla&#x0364;rchen verlieren<lb/>
&#x017F;ollte &#x2012; &#x2012; Bey allen Jhren Fehlern i&#x017F;t &#x017F;ie doch<lb/>
mein Kind &#x2012; &#x2012; Man hat noch die Ur&#x017F;achen nicht<lb/>
geho&#x0364;rt, die &#x017F;ie gehabt hat, &#x017F;ich &#x017F;o zu verhalten.<lb/>
Es wu&#x0364;rde mir das Herz ab&#x017F;toßen, wenn ich ihrer<lb/>
verlu&#x017F;tig werden &#x017F;ollte. &#x2012; &#x2012; Jch gedenke, mein<lb/>
Werthe&#x017F;ter, &#x017F;prach &#x017F;ie zu Jhrem Herrn Vater, es<lb/>
&#x017F;chickt &#x017F;ich fu&#x0364;r niemand &#x017F;o gut als fu&#x0364;r mich, wenn<lb/>
&#x017F;ie mir die Erlaubniß geben wollen, hinaufzurei-<lb/>
&#x017F;en: und Fr. Norton &#x017F;oll mir Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft lei&#x017F;ten.</p><lb/>
            <p>Dieß war ein liebreicher Rath: und ihr Hr.<lb/>
Vater hielte dabey inne. Herr Morden erbot &#x017F;ei-<lb/>
ne Dien&#x017F;te, &#x017F;ie zu begleiten. Jhre Onkels &#x017F;chienen<lb/>
es zu billigen. Aber Jhr Bruder machte alles<lb/>
zu nichte. Jch hoffe, gna&#x0364;diger Herr, &#x017F;agte er zu<lb/>
&#x017F;einem Herrn Vater; ich hoffe, gna&#x0364;dige Frau, zu<lb/>
&#x017F;einer Fr. Mutter, daß &#x017F;ie eine &#x017F;trafbare Tochter<lb/>
nicht durch den Verlu&#x017F;t eines un&#x017F;tra&#x0364;flichen Sohnes<lb/>
wieder zu bekommen &#x017F;uchen werden. Jch erkla&#x0364;re<lb/>
mich, daß, wo jemals meine Schwe&#x017F;ter Cla&#x0364;rchen<lb/>
die&#x017F;e Schwellen wieder betritt, ich es niemals thun<lb/>
will. Jch will den Augenblick, gna&#x0364;dige Frau, da<lb/>
&#x017F;ie zu einem &#x017F;olchen Gewerbe nach London abge-<lb/>
hen, nach Edinburg aufbrechen: da will ich blei-<lb/>
ben, und zu verge&#x017F;&#x017F;en &#x017F;uchen, daß ich &#x017F;o nahe und<lb/>
&#x017F;o werthe Anverwandten, als &#x017F;ie mir itzo alle &#x017F;ind,<lb/>
in England habe.</p><lb/>
            <p>Lieber Gott! &#x017F;prach der Obri&#x017F;t, was i&#x017F;t das<lb/>
fu&#x0364;r eine Erkla&#x0364;rung! &#x2012; &#x2012; Ge&#x017F;etzt aber, mein Herr,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">ge&#x017F;etzt,</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[335/0341] O ſetze, ſetze doch den Fall nicht, meine Arabelle, antwortete Jhre arme Fr. Mutter: ich kann nicht daran gedenken, daß ich mein Claͤrchen verlieren ſollte ‒ ‒ Bey allen Jhren Fehlern iſt ſie doch mein Kind ‒ ‒ Man hat noch die Urſachen nicht gehoͤrt, die ſie gehabt hat, ſich ſo zu verhalten. Es wuͤrde mir das Herz abſtoßen, wenn ich ihrer verluſtig werden ſollte. ‒ ‒ Jch gedenke, mein Wertheſter, ſprach ſie zu Jhrem Herrn Vater, es ſchickt ſich fuͤr niemand ſo gut als fuͤr mich, wenn ſie mir die Erlaubniß geben wollen, hinaufzurei- ſen: und Fr. Norton ſoll mir Geſellſchaft leiſten. Dieß war ein liebreicher Rath: und ihr Hr. Vater hielte dabey inne. Herr Morden erbot ſei- ne Dienſte, ſie zu begleiten. Jhre Onkels ſchienen es zu billigen. Aber Jhr Bruder machte alles zu nichte. Jch hoffe, gnaͤdiger Herr, ſagte er zu ſeinem Herrn Vater; ich hoffe, gnaͤdige Frau, zu ſeiner Fr. Mutter, daß ſie eine ſtrafbare Tochter nicht durch den Verluſt eines unſtraͤflichen Sohnes wieder zu bekommen ſuchen werden. Jch erklaͤre mich, daß, wo jemals meine Schweſter Claͤrchen dieſe Schwellen wieder betritt, ich es niemals thun will. Jch will den Augenblick, gnaͤdige Frau, da ſie zu einem ſolchen Gewerbe nach London abge- hen, nach Edinburg aufbrechen: da will ich blei- ben, und zu vergeſſen ſuchen, daß ich ſo nahe und ſo werthe Anverwandten, als ſie mir itzo alle ſind, in England habe. Lieber Gott! ſprach der Obriſt, was iſt das fuͤr eine Erklaͤrung! ‒ ‒ Geſetzt aber, mein Herr, geſetzt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/341
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 335. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/341>, abgerufen am 11.05.2024.