Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite


Wenn sie sterben sollte: wie wird mir alle
meine muthwillige Hitze gegen sie vor Augen ste-
hen! - - Warum, warum habe ich ihr doch je-
mals Unruhe gemacht? - - Sie sagt, ich sey voll-
kommen gut und gehorsam gewesen! - - Sie
vergißt aus Gütigkeit alle meine Fehler und erin-
nert sich einer jeden Sache, worinn ich so glücklich
gewesen bin, ihr gefällig zu werden. Dieß geht
mir durchs Herz.

Jch sehe, ich sehe, meine Wertheste, Sie be-
finden sich sehr übel - - Und ich kann es nicht
ertragen. Werden Sie besser, meine geliebte
Fräulein Harlowe, wo sie besser werden können:
werden
Sie um meinetwillen besser, und ge-
ben mir davon Nachricht. Lassen Sie ja den
Ueberbringer des Gegenwärtigen mir eine Zeile zu-
rückbringen. Gewiß Sie senden mir eine Zeile.
Wo ich Sie verliere, die Sie mir mehr, als eine
Schwester sind, und meine Mutter verliere: so
werde ich ein Mistrauen in mich selbst setzen, mich
gehörig zu verhalten, und will nicht heyrathen.
Und warum sollte ich es auch thun? - - Man
kriechet, man schmieget und bieget sich mit liebko-
sender Höflichkeit: - - O meine Wertheste, die
Mannspersonen sind eine schändliche Bruth von
kriechenden Thieren, so lange wir noch frey
sind,
und bloße Bären, so bald sie uns in ih-
rer Gewalt haben.
Sehen Sie an Lovelacen
alles, was man sich wünschen möchte, von Gestalt,
von Geburt, von Glücksgütern: aber in seinem
Herzen einen Teufel! - - Sehen Sie an Hick-

mannen


Wenn ſie ſterben ſollte: wie wird mir alle
meine muthwillige Hitze gegen ſie vor Augen ſte-
hen! ‒ ‒ Warum, warum habe ich ihr doch je-
mals Unruhe gemacht? ‒ ‒ Sie ſagt, ich ſey voll-
kommen gut und gehorſam geweſen! ‒ ‒ Sie
vergißt aus Guͤtigkeit alle meine Fehler und erin-
nert ſich einer jeden Sache, worinn ich ſo gluͤcklich
geweſen bin, ihr gefaͤllig zu werden. Dieß geht
mir durchs Herz.

Jch ſehe, ich ſehe, meine Wertheſte, Sie be-
finden ſich ſehr uͤbel ‒ ‒ Und ich kann es nicht
ertragen. Werden Sie beſſer, meine geliebte
Fraͤulein Harlowe, wo ſie beſſer werden koͤnnen:
werden
Sie um meinetwillen beſſer, und ge-
ben mir davon Nachricht. Laſſen Sie ja den
Ueberbringer des Gegenwaͤrtigen mir eine Zeile zu-
ruͤckbringen. Gewiß Sie ſenden mir eine Zeile.
Wo ich Sie verliere, die Sie mir mehr, als eine
Schweſter ſind, und meine Mutter verliere: ſo
werde ich ein Mistrauen in mich ſelbſt ſetzen, mich
gehoͤrig zu verhalten, und will nicht heyrathen.
Und warum ſollte ich es auch thun? ‒ ‒ Man
kriechet, man ſchmieget und bieget ſich mit liebko-
ſender Hoͤflichkeit: ‒ ‒ O meine Wertheſte, die
Mannsperſonen ſind eine ſchaͤndliche Bruth von
kriechenden Thieren, ſo lange wir noch frey
ſind,
und bloße Baͤren, ſo bald ſie uns in ih-
rer Gewalt haben.
Sehen Sie an Lovelacen
alles, was man ſich wuͤnſchen moͤchte, von Geſtalt,
von Geburt, von Gluͤcksguͤtern: aber in ſeinem
Herzen einen Teufel! ‒ ‒ Sehen Sie an Hick-

mannen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0300" n="294"/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <p>Wenn &#x017F;ie &#x017F;terben &#x017F;ollte: wie wird mir alle<lb/>
meine muthwillige Hitze gegen &#x017F;ie vor Augen &#x017F;te-<lb/>
hen! &#x2012; &#x2012; Warum, warum habe ich ihr doch je-<lb/>
mals Unruhe gemacht? &#x2012; &#x2012; Sie &#x017F;agt, ich &#x017F;ey voll-<lb/>
kommen gut und gehor&#x017F;am gewe&#x017F;en! &#x2012; &#x2012; Sie<lb/>
vergißt aus Gu&#x0364;tigkeit alle meine Fehler und erin-<lb/>
nert &#x017F;ich einer jeden Sache, worinn ich &#x017F;o glu&#x0364;cklich<lb/>
gewe&#x017F;en bin, ihr gefa&#x0364;llig zu werden. Dieß geht<lb/>
mir durchs Herz.</p><lb/>
            <p>Jch &#x017F;ehe, ich &#x017F;ehe, meine Werthe&#x017F;te, Sie be-<lb/>
finden &#x017F;ich &#x017F;ehr u&#x0364;bel &#x2012; &#x2012; Und ich kann es nicht<lb/>
ertragen. Werden Sie be&#x017F;&#x017F;er, meine geliebte<lb/>
Fra&#x0364;ulein Harlowe, wo &#x017F;ie be&#x017F;&#x017F;er werden <hi rendition="#fr">ko&#x0364;nnen:<lb/>
werden</hi> Sie um <hi rendition="#fr">meinetwillen</hi> be&#x017F;&#x017F;er, und ge-<lb/>
ben mir davon Nachricht. La&#x017F;&#x017F;en Sie ja den<lb/>
Ueberbringer des Gegenwa&#x0364;rtigen mir eine Zeile zu-<lb/>
ru&#x0364;ckbringen. Gewiß Sie &#x017F;enden mir eine Zeile.<lb/>
Wo ich Sie verliere, die Sie mir mehr, als eine<lb/>
Schwe&#x017F;ter &#x017F;ind, und meine Mutter verliere: &#x017F;o<lb/>
werde ich ein Mistrauen in mich &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;etzen, mich<lb/>
geho&#x0364;rig zu verhalten, und will nicht heyrathen.<lb/>
Und warum &#x017F;ollte ich es auch thun? &#x2012; &#x2012; Man<lb/>
kriechet, man &#x017F;chmieget und bieget &#x017F;ich mit liebko-<lb/>
&#x017F;ender Ho&#x0364;flichkeit: &#x2012; &#x2012; O meine Werthe&#x017F;te, die<lb/>
Mannsper&#x017F;onen &#x017F;ind eine &#x017F;cha&#x0364;ndliche Bruth von<lb/><hi rendition="#fr">kriechenden Thieren,</hi> &#x017F;o lange <hi rendition="#fr">wir noch frey<lb/>
&#x017F;ind,</hi> und bloße <hi rendition="#fr">Ba&#x0364;ren,</hi> &#x017F;o bald &#x017F;ie <hi rendition="#fr">uns in ih-<lb/>
rer Gewalt haben.</hi> Sehen Sie an Lovelacen<lb/>
alles, was man &#x017F;ich wu&#x0364;n&#x017F;chen mo&#x0364;chte, von Ge&#x017F;talt,<lb/>
von Geburt, von Glu&#x0364;cksgu&#x0364;tern: aber in &#x017F;einem<lb/>
Herzen einen Teufel! &#x2012; &#x2012; Sehen Sie an Hick-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">mannen</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[294/0300] Wenn ſie ſterben ſollte: wie wird mir alle meine muthwillige Hitze gegen ſie vor Augen ſte- hen! ‒ ‒ Warum, warum habe ich ihr doch je- mals Unruhe gemacht? ‒ ‒ Sie ſagt, ich ſey voll- kommen gut und gehorſam geweſen! ‒ ‒ Sie vergißt aus Guͤtigkeit alle meine Fehler und erin- nert ſich einer jeden Sache, worinn ich ſo gluͤcklich geweſen bin, ihr gefaͤllig zu werden. Dieß geht mir durchs Herz. Jch ſehe, ich ſehe, meine Wertheſte, Sie be- finden ſich ſehr uͤbel ‒ ‒ Und ich kann es nicht ertragen. Werden Sie beſſer, meine geliebte Fraͤulein Harlowe, wo ſie beſſer werden koͤnnen: werden Sie um meinetwillen beſſer, und ge- ben mir davon Nachricht. Laſſen Sie ja den Ueberbringer des Gegenwaͤrtigen mir eine Zeile zu- ruͤckbringen. Gewiß Sie ſenden mir eine Zeile. Wo ich Sie verliere, die Sie mir mehr, als eine Schweſter ſind, und meine Mutter verliere: ſo werde ich ein Mistrauen in mich ſelbſt ſetzen, mich gehoͤrig zu verhalten, und will nicht heyrathen. Und warum ſollte ich es auch thun? ‒ ‒ Man kriechet, man ſchmieget und bieget ſich mit liebko- ſender Hoͤflichkeit: ‒ ‒ O meine Wertheſte, die Mannsperſonen ſind eine ſchaͤndliche Bruth von kriechenden Thieren, ſo lange wir noch frey ſind, und bloße Baͤren, ſo bald ſie uns in ih- rer Gewalt haben. Sehen Sie an Lovelacen alles, was man ſich wuͤnſchen moͤchte, von Geſtalt, von Geburt, von Gluͤcksguͤtern: aber in ſeinem Herzen einen Teufel! ‒ ‒ Sehen Sie an Hick- mannen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/300
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/300>, abgerufen am 24.11.2024.