Wenn sie sterben sollte: wie wird mir alle meine muthwillige Hitze gegen sie vor Augen ste- hen! - - Warum, warum habe ich ihr doch je- mals Unruhe gemacht? - - Sie sagt, ich sey voll- kommen gut und gehorsam gewesen! - - Sie vergißt aus Gütigkeit alle meine Fehler und erin- nert sich einer jeden Sache, worinn ich so glücklich gewesen bin, ihr gefällig zu werden. Dieß geht mir durchs Herz.
Jch sehe, ich sehe, meine Wertheste, Sie be- finden sich sehr übel - - Und ich kann es nicht ertragen. Werden Sie besser, meine geliebte Fräulein Harlowe, wo sie besser werden können: werden Sie um meinetwillen besser, und ge- ben mir davon Nachricht. Lassen Sie ja den Ueberbringer des Gegenwärtigen mir eine Zeile zu- rückbringen. Gewiß Sie senden mir eine Zeile. Wo ich Sie verliere, die Sie mir mehr, als eine Schwester sind, und meine Mutter verliere: so werde ich ein Mistrauen in mich selbst setzen, mich gehörig zu verhalten, und will nicht heyrathen. Und warum sollte ich es auch thun? - - Man kriechet, man schmieget und bieget sich mit liebko- sender Höflichkeit: - - O meine Wertheste, die Mannspersonen sind eine schändliche Bruth von kriechenden Thieren, so lange wir noch frey sind, und bloße Bären, so bald sie uns in ih- rer Gewalt haben. Sehen Sie an Lovelacen alles, was man sich wünschen möchte, von Gestalt, von Geburt, von Glücksgütern: aber in seinem Herzen einen Teufel! - - Sehen Sie an Hick-
mannen
Wenn ſie ſterben ſollte: wie wird mir alle meine muthwillige Hitze gegen ſie vor Augen ſte- hen! ‒ ‒ Warum, warum habe ich ihr doch je- mals Unruhe gemacht? ‒ ‒ Sie ſagt, ich ſey voll- kommen gut und gehorſam geweſen! ‒ ‒ Sie vergißt aus Guͤtigkeit alle meine Fehler und erin- nert ſich einer jeden Sache, worinn ich ſo gluͤcklich geweſen bin, ihr gefaͤllig zu werden. Dieß geht mir durchs Herz.
Jch ſehe, ich ſehe, meine Wertheſte, Sie be- finden ſich ſehr uͤbel ‒ ‒ Und ich kann es nicht ertragen. Werden Sie beſſer, meine geliebte Fraͤulein Harlowe, wo ſie beſſer werden koͤnnen: werden Sie um meinetwillen beſſer, und ge- ben mir davon Nachricht. Laſſen Sie ja den Ueberbringer des Gegenwaͤrtigen mir eine Zeile zu- ruͤckbringen. Gewiß Sie ſenden mir eine Zeile. Wo ich Sie verliere, die Sie mir mehr, als eine Schweſter ſind, und meine Mutter verliere: ſo werde ich ein Mistrauen in mich ſelbſt ſetzen, mich gehoͤrig zu verhalten, und will nicht heyrathen. Und warum ſollte ich es auch thun? ‒ ‒ Man kriechet, man ſchmieget und bieget ſich mit liebko- ſender Hoͤflichkeit: ‒ ‒ O meine Wertheſte, die Mannsperſonen ſind eine ſchaͤndliche Bruth von kriechenden Thieren, ſo lange wir noch frey ſind, und bloße Baͤren, ſo bald ſie uns in ih- rer Gewalt haben. Sehen Sie an Lovelacen alles, was man ſich wuͤnſchen moͤchte, von Geſtalt, von Geburt, von Gluͤcksguͤtern: aber in ſeinem Herzen einen Teufel! ‒ ‒ Sehen Sie an Hick-
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Wenn ſie ſterben ſollte: wie wird mir alle
meine muthwillige Hitze gegen ſie vor Augen ſte-
hen! ‒ ‒ Warum, warum habe ich ihr doch je-
mals Unruhe gemacht? ‒ ‒ Sie ſagt, ich ſey voll-
kommen gut und gehorſam geweſen! ‒ ‒ Sie
vergißt aus Guͤtigkeit alle meine Fehler und erin-
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geweſen bin, ihr gefaͤllig zu werden. Dieß geht
mir durchs Herz.
Jch ſehe, ich ſehe, meine Wertheſte, Sie be-
finden ſich ſehr uͤbel ‒ ‒ Und ich kann es nicht
ertragen. Werden Sie beſſer, meine geliebte
Fraͤulein Harlowe, wo ſie beſſer werden koͤnnen:
werden Sie um meinetwillen beſſer, und ge-
ben mir davon Nachricht. Laſſen Sie ja den
Ueberbringer des Gegenwaͤrtigen mir eine Zeile zu-
ruͤckbringen. Gewiß Sie ſenden mir eine Zeile.
Wo ich Sie verliere, die Sie mir mehr, als eine
Schweſter ſind, und meine Mutter verliere: ſo
werde ich ein Mistrauen in mich ſelbſt ſetzen, mich
gehoͤrig zu verhalten, und will nicht heyrathen.
Und warum ſollte ich es auch thun? ‒ ‒ Man
kriechet, man ſchmieget und bieget ſich mit liebko-
ſender Hoͤflichkeit: ‒ ‒ O meine Wertheſte, die
Mannsperſonen ſind eine ſchaͤndliche Bruth von
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ſind, und bloße Baͤren, ſo bald ſie uns in ih-
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alles, was man ſich wuͤnſchen moͤchte, von Geſtalt,
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/300>, abgerufen am 24.11.2024.
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