Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



dadurch, daß er ihr die Gerechtigkeit entgegen-
setzte, einigermaßen zum Stillschweigen brachte.
Was wollte ich darum gegeben haben, daß mir
eine gute, eine vorzüglich gute Handlung in den
Sinn gekommen wäre, an die ich ihn hätte erin-
nern können, um dadurch seine Furcht zu be-
streiten.

Jch glaube, Lovelace, ich werde dich ermü-
den und zwar mehr durch den Jnhalt meines
Briefes, als durch die Länge desselben. Allein
wirklich, du bist nach meinen Gedanken, seit dei-
ner Genesung, so muthig geworden, andere zu be-
leidigen, daß ich mich bemühen muß, durch trau-
rige Vorstellungen, so wie sich die Gelegenheit da-
zu anbietet, dich wieder zu der Fahne der Mensch-
heit herunterzubringen. Außer dem mußt du
auch nothwendig neugierig seyn, alles zu erfah-
ren, was den armen Mann betrifft, gegen den du
allezeit viele Achtung bezeuget hast. Jch will
daher fortfahren, wie ich angefangen habe. Ge-
fällt es dir itzo nicht zu lesen: so lege es bey, wo
du willst, bis dich dergleichen Umstände befallen,
und dergleichen Betrachtungen von diesen Um-
ständen in dir entstehen; alsdenn nimm es zur
Hand und vergleiche die beyden Fälle mit ein-
ander.



Auf sein ernstliches Verlangen saß ich ver-
wichne Nacht bey ihm auf. Jch kann dir nicht
sagen, wie ruhig und sicher er sich, für den ersten

Theil



dadurch, daß er ihr die Gerechtigkeit entgegen-
ſetzte, einigermaßen zum Stillſchweigen brachte.
Was wollte ich darum gegeben haben, daß mir
eine gute, eine vorzuͤglich gute Handlung in den
Sinn gekommen waͤre, an die ich ihn haͤtte erin-
nern koͤnnen, um dadurch ſeine Furcht zu be-
ſtreiten.

Jch glaube, Lovelace, ich werde dich ermuͤ-
den und zwar mehr durch den Jnhalt meines
Briefes, als durch die Laͤnge deſſelben. Allein
wirklich, du biſt nach meinen Gedanken, ſeit dei-
ner Geneſung, ſo muthig geworden, andere zu be-
leidigen, daß ich mich bemuͤhen muß, durch trau-
rige Vorſtellungen, ſo wie ſich die Gelegenheit da-
zu anbietet, dich wieder zu der Fahne der Menſch-
heit herunterzubringen. Außer dem mußt du
auch nothwendig neugierig ſeyn, alles zu erfah-
ren, was den armen Mann betrifft, gegen den du
allezeit viele Achtung bezeuget haſt. Jch will
daher fortfahren, wie ich angefangen habe. Ge-
faͤllt es dir itzo nicht zu leſen: ſo lege es bey, wo
du willſt, bis dich dergleichen Umſtaͤnde befallen,
und dergleichen Betrachtungen von dieſen Um-
ſtaͤnden in dir entſtehen; alsdenn nimm es zur
Hand und vergleiche die beyden Faͤlle mit ein-
ander.



Auf ſein ernſtliches Verlangen ſaß ich ver-
wichne Nacht bey ihm auf. Jch kann dir nicht
ſagen, wie ruhig und ſicher er ſich, fuͤr den erſten

Theil
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0030" n="24"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
dadurch, daß er ihr die <hi rendition="#fr">Gerechtigkeit</hi> entgegen-<lb/>
&#x017F;etzte, einigermaßen zum Still&#x017F;chweigen brachte.<lb/>
Was wollte ich darum gegeben haben, daß mir<lb/>
eine gute, eine vorzu&#x0364;glich gute Handlung in den<lb/>
Sinn gekommen wa&#x0364;re, an die ich ihn ha&#x0364;tte erin-<lb/>
nern ko&#x0364;nnen, um dadurch &#x017F;eine Furcht zu be-<lb/>
&#x017F;treiten.</p><lb/>
          <p>Jch glaube, Lovelace, ich werde dich ermu&#x0364;-<lb/>
den und zwar mehr durch den Jnhalt meines<lb/>
Briefes, als durch die La&#x0364;nge de&#x017F;&#x017F;elben. Allein<lb/>
wirklich, du bi&#x017F;t nach meinen Gedanken, &#x017F;eit dei-<lb/>
ner Gene&#x017F;ung, &#x017F;o muthig geworden, andere zu be-<lb/>
leidigen, daß ich mich bemu&#x0364;hen muß, durch trau-<lb/>
rige Vor&#x017F;tellungen, &#x017F;o wie &#x017F;ich die Gelegenheit da-<lb/>
zu anbietet, dich wieder zu der Fahne der Men&#x017F;ch-<lb/>
heit herunterzubringen. Außer dem mußt du<lb/>
auch nothwendig neugierig &#x017F;eyn, alles zu erfah-<lb/>
ren, was den armen Mann betrifft, gegen den du<lb/>
allezeit viele Achtung bezeuget ha&#x017F;t. Jch will<lb/>
daher fortfahren, wie ich angefangen habe. Ge-<lb/>
fa&#x0364;llt es dir itzo nicht zu le&#x017F;en: &#x017F;o lege es bey, wo<lb/>
du will&#x017F;t, bis dich dergleichen Um&#x017F;ta&#x0364;nde befallen,<lb/>
und dergleichen Betrachtungen von die&#x017F;en Um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nden in dir ent&#x017F;tehen; alsdenn nimm es zur<lb/>
Hand und vergleiche die beyden Fa&#x0364;lle mit ein-<lb/>
ander.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <p>Auf &#x017F;ein ern&#x017F;tliches Verlangen &#x017F;aß ich ver-<lb/>
wichne Nacht bey ihm auf. Jch kann dir nicht<lb/>
&#x017F;agen, wie ruhig und &#x017F;icher er &#x017F;ich, fu&#x0364;r den er&#x017F;ten<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Theil</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0030] dadurch, daß er ihr die Gerechtigkeit entgegen- ſetzte, einigermaßen zum Stillſchweigen brachte. Was wollte ich darum gegeben haben, daß mir eine gute, eine vorzuͤglich gute Handlung in den Sinn gekommen waͤre, an die ich ihn haͤtte erin- nern koͤnnen, um dadurch ſeine Furcht zu be- ſtreiten. Jch glaube, Lovelace, ich werde dich ermuͤ- den und zwar mehr durch den Jnhalt meines Briefes, als durch die Laͤnge deſſelben. Allein wirklich, du biſt nach meinen Gedanken, ſeit dei- ner Geneſung, ſo muthig geworden, andere zu be- leidigen, daß ich mich bemuͤhen muß, durch trau- rige Vorſtellungen, ſo wie ſich die Gelegenheit da- zu anbietet, dich wieder zu der Fahne der Menſch- heit herunterzubringen. Außer dem mußt du auch nothwendig neugierig ſeyn, alles zu erfah- ren, was den armen Mann betrifft, gegen den du allezeit viele Achtung bezeuget haſt. Jch will daher fortfahren, wie ich angefangen habe. Ge- faͤllt es dir itzo nicht zu leſen: ſo lege es bey, wo du willſt, bis dich dergleichen Umſtaͤnde befallen, und dergleichen Betrachtungen von dieſen Um- ſtaͤnden in dir entſtehen; alsdenn nimm es zur Hand und vergleiche die beyden Faͤlle mit ein- ander. Auf ſein ernſtliches Verlangen ſaß ich ver- wichne Nacht bey ihm auf. Jch kann dir nicht ſagen, wie ruhig und ſicher er ſich, fuͤr den erſten Theil

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/30
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/30>, abgerufen am 23.11.2024.