Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



und in dem Falle müßte sie ihnen in ihrem letz-
ten Aufzuge
nicht zur Entehrung gereichen.

Er ist mit feinem schwarzen Tuch überzogen,
und mit weißem Atlaß ausgefüttert, der, wie sie
sagte, bald durch eine schnödere Erde, als ihn be-
decken könnte, seinen Glanz verlieren müßte.

Das Todtenkleid ward mit ihm zu Hause ge-
bracht. Die Frauensleute hatten, wie ich vermu-
the, Neubegierde genug, sie dasselbe öffnen zu sehen,
wo sie es öffnete - - Und, vielleicht, würde es dir
lieb gewesen seyn, wenn du zugegen gewesen wärest,
es auch bewundert zu haben.

Fr. Lovick gestand, daß sie sich die Freyheit ge-
nommen, ihr Vorwürfe zu machen, und die Ent-
fernung eines solchen Gegenstandes - - wenig-
stens aus ihrer Schlaf kammer, gewünscht hät-
te; aber durch die edelmüthige Antwort, welche sie
ihr darauf gegeben, so gerühret worden wäre, daß
sie dieselbe den Augenblick, da sie von ihr gegangen,
niedergeschrieben.

Gesunden Personen, sagte sie, mag dieser Anblick
anstößig und zuwider seyn, und die Zubereitung,
nebst meiner Freudigkeit dabey, gezwungen schei-
nen: aber was mich betrifft, die ich Zeit gehabt ha-
be, mich so nach und nach von der Welt zu ent-
wöhnen, und so viel Ursache, sie nicht zu lieben;
so muß ich sagen, ich verweile mich mit Fleiß bey
den Todesgedanken, ich hänge ihnen nach, ja, ge-
nau zu reden, ich habe daran meine Freude. Denn
glauben sie mir - - Sie sahe dabey steif auf das
fürchterliche Behältniß - - glauben sie, was ich

diesen



und in dem Falle muͤßte ſie ihnen in ihrem letz-
ten Aufzuge
nicht zur Entehrung gereichen.

Er iſt mit feinem ſchwarzen Tuch uͤberzogen,
und mit weißem Atlaß ausgefuͤttert, der, wie ſie
ſagte, bald durch eine ſchnoͤdere Erde, als ihn be-
decken koͤnnte, ſeinen Glanz verlieren muͤßte.

Das Todtenkleid ward mit ihm zu Hauſe ge-
bracht. Die Frauensleute hatten, wie ich vermu-
the, Neubegierde genug, ſie daſſelbe oͤffnen zu ſehen,
wo ſie es oͤffnete ‒ ‒ Und, vielleicht, wuͤrde es dir
lieb geweſen ſeyn, wenn du zugegen geweſen waͤreſt,
es auch bewundert zu haben.

Fr. Lovick geſtand, daß ſie ſich die Freyheit ge-
nommen, ihr Vorwuͤrfe zu machen, und die Ent-
fernung eines ſolchen Gegenſtandes ‒ ‒ wenig-
ſtens aus ihrer Schlaf kammer, gewuͤnſcht haͤt-
te; aber durch die edelmuͤthige Antwort, welche ſie
ihr darauf gegeben, ſo geruͤhret worden waͤre, daß
ſie dieſelbe den Augenblick, da ſie von ihr gegangen,
niedergeſchrieben.

Geſunden Perſonen, ſagte ſie, mag dieſer Anblick
anſtoͤßig und zuwider ſeyn, und die Zubereitung,
nebſt meiner Freudigkeit dabey, gezwungen ſchei-
nen: aber was mich betrifft, die ich Zeit gehabt ha-
be, mich ſo nach und nach von der Welt zu ent-
woͤhnen, und ſo viel Urſache, ſie nicht zu lieben;
ſo muß ich ſagen, ich verweile mich mit Fleiß bey
den Todesgedanken, ich haͤnge ihnen nach, ja, ge-
nau zu reden, ich habe daran meine Freude. Denn
glauben ſie mir ‒ ‒ Sie ſahe dabey ſteif auf das
fuͤrchterliche Behaͤltniß ‒ ‒ glauben ſie, was ich

dieſen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0282" n="276"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
und in dem Falle mu&#x0364;ßte &#x017F;ie ihnen in <hi rendition="#fr">ihrem letz-<lb/>
ten Aufzuge</hi> nicht zur Entehrung gereichen.</p><lb/>
          <p>Er i&#x017F;t mit feinem &#x017F;chwarzen Tuch u&#x0364;berzogen,<lb/>
und mit weißem Atlaß ausgefu&#x0364;ttert, der, wie &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;agte, bald durch eine &#x017F;chno&#x0364;dere Erde, als ihn be-<lb/>
decken ko&#x0364;nnte, &#x017F;einen Glanz verlieren mu&#x0364;ßte.</p><lb/>
          <p>Das Todtenkleid ward mit ihm zu Hau&#x017F;e ge-<lb/>
bracht. Die Frauensleute hatten, wie ich vermu-<lb/>
the, Neubegierde genug, &#x017F;ie da&#x017F;&#x017F;elbe o&#x0364;ffnen zu &#x017F;ehen,<lb/>
wo &#x017F;ie es o&#x0364;ffnete &#x2012; &#x2012; Und, vielleicht, wu&#x0364;rde es dir<lb/>
lieb gewe&#x017F;en &#x017F;eyn, wenn du zugegen gewe&#x017F;en wa&#x0364;re&#x017F;t,<lb/>
es auch bewundert zu haben.</p><lb/>
          <p>Fr. Lovick ge&#x017F;tand, daß &#x017F;ie &#x017F;ich die Freyheit ge-<lb/>
nommen, ihr Vorwu&#x0364;rfe zu machen, und die Ent-<lb/>
fernung eines &#x017F;olchen Gegen&#x017F;tandes &#x2012; &#x2012; wenig-<lb/>
&#x017F;tens aus ihrer <hi rendition="#fr">Schlaf kammer,</hi> gewu&#x0364;n&#x017F;cht ha&#x0364;t-<lb/>
te; aber durch die edelmu&#x0364;thige Antwort, welche &#x017F;ie<lb/>
ihr darauf gegeben, &#x017F;o geru&#x0364;hret worden wa&#x0364;re, daß<lb/>
&#x017F;ie die&#x017F;elbe den Augenblick, da &#x017F;ie von ihr gegangen,<lb/>
niederge&#x017F;chrieben.</p><lb/>
          <p>Ge&#x017F;unden Per&#x017F;onen, &#x017F;agte &#x017F;ie, mag die&#x017F;er Anblick<lb/>
an&#x017F;to&#x0364;ßig und zuwider &#x017F;eyn, und die Zubereitung,<lb/>
neb&#x017F;t meiner Freudigkeit dabey, gezwungen &#x017F;chei-<lb/>
nen: aber was mich betrifft, die ich Zeit gehabt ha-<lb/>
be, mich &#x017F;o nach und nach von der Welt zu ent-<lb/>
wo&#x0364;hnen, und &#x017F;o viel Ur&#x017F;ache, &#x017F;ie nicht zu lieben;<lb/>
&#x017F;o muß ich &#x017F;agen, ich verweile mich mit Fleiß bey<lb/>
den Todesgedanken, ich ha&#x0364;nge ihnen nach, ja, ge-<lb/>
nau zu reden, ich habe daran meine Freude. Denn<lb/>
glauben &#x017F;ie mir &#x2012; &#x2012; Sie &#x017F;ahe dabey &#x017F;teif auf das<lb/>
fu&#x0364;rchterliche Beha&#x0364;ltniß &#x2012; &#x2012; glauben &#x017F;ie, was ich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">die&#x017F;en</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[276/0282] und in dem Falle muͤßte ſie ihnen in ihrem letz- ten Aufzuge nicht zur Entehrung gereichen. Er iſt mit feinem ſchwarzen Tuch uͤberzogen, und mit weißem Atlaß ausgefuͤttert, der, wie ſie ſagte, bald durch eine ſchnoͤdere Erde, als ihn be- decken koͤnnte, ſeinen Glanz verlieren muͤßte. Das Todtenkleid ward mit ihm zu Hauſe ge- bracht. Die Frauensleute hatten, wie ich vermu- the, Neubegierde genug, ſie daſſelbe oͤffnen zu ſehen, wo ſie es oͤffnete ‒ ‒ Und, vielleicht, wuͤrde es dir lieb geweſen ſeyn, wenn du zugegen geweſen waͤreſt, es auch bewundert zu haben. Fr. Lovick geſtand, daß ſie ſich die Freyheit ge- nommen, ihr Vorwuͤrfe zu machen, und die Ent- fernung eines ſolchen Gegenſtandes ‒ ‒ wenig- ſtens aus ihrer Schlaf kammer, gewuͤnſcht haͤt- te; aber durch die edelmuͤthige Antwort, welche ſie ihr darauf gegeben, ſo geruͤhret worden waͤre, daß ſie dieſelbe den Augenblick, da ſie von ihr gegangen, niedergeſchrieben. Geſunden Perſonen, ſagte ſie, mag dieſer Anblick anſtoͤßig und zuwider ſeyn, und die Zubereitung, nebſt meiner Freudigkeit dabey, gezwungen ſchei- nen: aber was mich betrifft, die ich Zeit gehabt ha- be, mich ſo nach und nach von der Welt zu ent- woͤhnen, und ſo viel Urſache, ſie nicht zu lieben; ſo muß ich ſagen, ich verweile mich mit Fleiß bey den Todesgedanken, ich haͤnge ihnen nach, ja, ge- nau zu reden, ich habe daran meine Freude. Denn glauben ſie mir ‒ ‒ Sie ſahe dabey ſteif auf das fuͤrchterliche Behaͤltniß ‒ ‒ glauben ſie, was ich dieſen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/282
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 276. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/282>, abgerufen am 12.05.2024.