Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



ziehen. Beyde Figuren scheinen, wie du finden
wirst, in einem Streit zu seyn: die größere, ob
sie die kleinere bey den Ohren herunter ziehen mag;
- - die kleinere; ein pausbäckichter fetter kleiner
Bube, nur den vierten Theil so groß, als die andere,
mit Flügeln, die nicht viel größer sind, als die Flü-
gel der Buttervögel; ob sie die größere zu einem
Himmel erheben soll, nach welchem sie trachtet,
der aber kaum groß genug ist, die großen Zehe von
der einen oder der andern zu fassen.

Du wirst vielleicht sagen, die Abbildung der
Frauen in Stein könne, bey dem Vergleich, dei-
ner Gestalt, so wohl dem Stoffe als der Bildung
nach, Ehre machen: aber die Fräulein, die in al-
len Stücken, außer dem betrüglichen Streich, den
sie mir so neulich gespielet hat, wirklich ein Engel
ist, werde nur schlecht durch den dickleibichten Cu-
pido vorgestellet. Dieß gebe ich dir zu: allein
es bleibt doch noch genug in deinen erhabenen
Wünschen, mein Gemüth durch eine Aehnlichkeit
von dir und der Fräulein mit den Figuren auf
dem elenden Denkmaale zu rühren. Denn du
mußt bedenken, daß, so wohl bereitet sie auch seyn
mag, zu dem Himmel, ihrem Geburtsort aufzu-
fahren, es ihr doch unmöglich sey, einen schweren
Kerl, der so viel zu bereuen und zu bessern hat,
nach sich zu ziehen.

Nun aber, um noch einmal ernsthaft zu seyn,
muß ich euch sagen, Belford, daß, wo die Fräu-
lein sich wirklich so schlecht befindet, als ihr schrei-
bet, es euch geziemen werde; hier ist keine rö-

mische



ziehen. Beyde Figuren ſcheinen, wie du finden
wirſt, in einem Streit zu ſeyn: die groͤßere, ob
ſie die kleinere bey den Ohren herunter ziehen mag;
‒ ‒ die kleinere; ein pausbaͤckichter fetter kleiner
Bube, nur den vierten Theil ſo groß, als die andere,
mit Fluͤgeln, die nicht viel groͤßer ſind, als die Fluͤ-
gel der Buttervoͤgel; ob ſie die groͤßere zu einem
Himmel erheben ſoll, nach welchem ſie trachtet,
der aber kaum groß genug iſt, die großen Zehe von
der einen oder der andern zu faſſen.

Du wirſt vielleicht ſagen, die Abbildung der
Frauen in Stein koͤnne, bey dem Vergleich, dei-
ner Geſtalt, ſo wohl dem Stoffe als der Bildung
nach, Ehre machen: aber die Fraͤulein, die in al-
len Stuͤcken, außer dem betruͤglichen Streich, den
ſie mir ſo neulich geſpielet hat, wirklich ein Engel
iſt, werde nur ſchlecht durch den dickleibichten Cu-
pido vorgeſtellet. Dieß gebe ich dir zu: allein
es bleibt doch noch genug in deinen erhabenen
Wuͤnſchen, mein Gemuͤth durch eine Aehnlichkeit
von dir und der Fraͤulein mit den Figuren auf
dem elenden Denkmaale zu ruͤhren. Denn du
mußt bedenken, daß, ſo wohl bereitet ſie auch ſeyn
mag, zu dem Himmel, ihrem Geburtsort aufzu-
fahren, es ihr doch unmoͤglich ſey, einen ſchweren
Kerl, der ſo viel zu bereuen und zu beſſern hat,
nach ſich zu ziehen.

Nun aber, um noch einmal ernſthaft zu ſeyn,
muß ich euch ſagen, Belford, daß, wo die Fraͤu-
lein ſich wirklich ſo ſchlecht befindet, als ihr ſchrei-
bet, es euch geziemen werde; hier iſt keine roͤ-

miſche
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0270" n="264"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
ziehen. Beyde Figuren &#x017F;cheinen, wie du finden<lb/>
wir&#x017F;t, in einem Streit zu &#x017F;eyn: die gro&#x0364;ßere, ob<lb/>
&#x017F;ie die kleinere bey den Ohren herunter ziehen mag;<lb/>
&#x2012; &#x2012; die kleinere; ein pausba&#x0364;ckichter fetter kleiner<lb/>
Bube, nur den vierten Theil &#x017F;o groß, als die andere,<lb/>
mit Flu&#x0364;geln, die nicht viel gro&#x0364;ßer &#x017F;ind, als die Flu&#x0364;-<lb/>
gel der Buttervo&#x0364;gel; ob &#x017F;ie die gro&#x0364;ßere zu einem<lb/>
Himmel erheben &#x017F;oll, nach welchem &#x017F;ie trachtet,<lb/>
der aber kaum groß genug i&#x017F;t, die großen Zehe von<lb/>
der einen oder der andern zu fa&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Du wir&#x017F;t vielleicht &#x017F;agen, die Abbildung der<lb/>
Frauen in <hi rendition="#fr">Stein</hi> ko&#x0364;nne, bey dem Vergleich, dei-<lb/>
ner Ge&#x017F;talt, &#x017F;o wohl dem Stoffe als der Bildung<lb/>
nach, Ehre machen: aber die Fra&#x0364;ulein, die in al-<lb/>
len Stu&#x0364;cken, außer dem betru&#x0364;glichen Streich, den<lb/>
&#x017F;ie mir &#x017F;o neulich ge&#x017F;pielet hat, wirklich ein Engel<lb/>
i&#x017F;t, werde nur &#x017F;chlecht durch den dickleibichten Cu-<lb/>
pido vorge&#x017F;tellet. Dieß gebe ich dir zu: allein<lb/>
es bleibt doch noch genug in deinen erhabenen<lb/>
Wu&#x0364;n&#x017F;chen, mein Gemu&#x0364;th durch eine Aehnlichkeit<lb/>
von dir und der Fra&#x0364;ulein mit den Figuren auf<lb/>
dem elenden Denkmaale zu ru&#x0364;hren. Denn du<lb/>
mußt bedenken, daß, &#x017F;o wohl bereitet &#x017F;ie auch &#x017F;eyn<lb/>
mag, zu dem Himmel, ihrem Geburtsort aufzu-<lb/>
fahren, es ihr doch unmo&#x0364;glich &#x017F;ey, einen &#x017F;chweren<lb/>
Kerl, der &#x017F;o viel zu bereuen und zu be&#x017F;&#x017F;ern hat,<lb/>
nach &#x017F;ich zu ziehen.</p><lb/>
          <p>Nun aber, um noch einmal ern&#x017F;thaft zu &#x017F;eyn,<lb/>
muß ich euch &#x017F;agen, Belford, daß, wo die Fra&#x0364;u-<lb/>
lein &#x017F;ich wirklich &#x017F;o &#x017F;chlecht befindet, als ihr &#x017F;chrei-<lb/>
bet, es euch geziemen werde; <hi rendition="#fr">hier i&#x017F;t keine ro&#x0364;-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">mi&#x017F;che</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[264/0270] ziehen. Beyde Figuren ſcheinen, wie du finden wirſt, in einem Streit zu ſeyn: die groͤßere, ob ſie die kleinere bey den Ohren herunter ziehen mag; ‒ ‒ die kleinere; ein pausbaͤckichter fetter kleiner Bube, nur den vierten Theil ſo groß, als die andere, mit Fluͤgeln, die nicht viel groͤßer ſind, als die Fluͤ- gel der Buttervoͤgel; ob ſie die groͤßere zu einem Himmel erheben ſoll, nach welchem ſie trachtet, der aber kaum groß genug iſt, die großen Zehe von der einen oder der andern zu faſſen. Du wirſt vielleicht ſagen, die Abbildung der Frauen in Stein koͤnne, bey dem Vergleich, dei- ner Geſtalt, ſo wohl dem Stoffe als der Bildung nach, Ehre machen: aber die Fraͤulein, die in al- len Stuͤcken, außer dem betruͤglichen Streich, den ſie mir ſo neulich geſpielet hat, wirklich ein Engel iſt, werde nur ſchlecht durch den dickleibichten Cu- pido vorgeſtellet. Dieß gebe ich dir zu: allein es bleibt doch noch genug in deinen erhabenen Wuͤnſchen, mein Gemuͤth durch eine Aehnlichkeit von dir und der Fraͤulein mit den Figuren auf dem elenden Denkmaale zu ruͤhren. Denn du mußt bedenken, daß, ſo wohl bereitet ſie auch ſeyn mag, zu dem Himmel, ihrem Geburtsort aufzu- fahren, es ihr doch unmoͤglich ſey, einen ſchweren Kerl, der ſo viel zu bereuen und zu beſſern hat, nach ſich zu ziehen. Nun aber, um noch einmal ernſthaft zu ſeyn, muß ich euch ſagen, Belford, daß, wo die Fraͤu- lein ſich wirklich ſo ſchlecht befindet, als ihr ſchrei- bet, es euch geziemen werde; hier iſt keine roͤ- miſche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/270
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/270>, abgerufen am 13.05.2024.