Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751.

Bild:
<< vorherige Seite



Ehre schicket, welche Jhnen allezeit von einem je-
den, der von Jhnen redete, beygeleget ward.

Allein, gnädige Fräulein, wenn auch alle
Welt anderer Meynung gewesen wäre: so hätte
das doch die meinige niemals ändern können.
Jch habe Sie allezeit geliebet: ich muß Sie al-
lezeit lieben. Dennoch habe ich mich bemühet,
mein hartes Schicksal zu ertragen. Nachdem
ich so viele Wege vergebens versucht hatte, um
Sie zur Gewogenheit gegen mich zu bewegen,
ruhete ich und war dem äußerlichen Ansehen nach
zufrieden. Jch suchte auch allen meinen Freun-
den, und denen, die mit mir umgehen, die Ge-
danken beyzubringen, daß ich es wirklich wäre.
Aber niemand weiß, was für Marter mich diese
Selbstverleugnung kostet. Vergebens stellte sich
mir die Jagd, vergebens stellte sich mir das Rei-
sen, vergebens stellte sich mir lebhafte Gesellschaft
dar. Ob ich gleich ein jedes nach der Reihe an-
nahm: so brachte doch meine Liebe zu Jhnen mei-
ne Unglückseligkeit immer mit gedoppelter Stärke
wieder hervor, wenn ich in mich selbst, in mein
eignes Herz schauete; denn da hatte Jhr reizen-
des Bild seinen festen Thron, und Sie nahmen
mich gänzlich ein.

Jch bedaure aufrichtig das Unglück und Lei-
den, welches Sie betroffen hat, um Jhrer selbst
willen. Nichts desto weniger aber macht mir
dasselbe einen Muth, meine kühne Hoffnung wie-
der zu erneuren. Jch weiß die eigentlichen Um-
stände nicht. Jch darf mich nicht darnach erkun-

digen:
Siebenter Theil. K



Ehre ſchicket, welche Jhnen allezeit von einem je-
den, der von Jhnen redete, beygeleget ward.

Allein, gnaͤdige Fraͤulein, wenn auch alle
Welt anderer Meynung geweſen waͤre: ſo haͤtte
das doch die meinige niemals aͤndern koͤnnen.
Jch habe Sie allezeit geliebet: ich muß Sie al-
lezeit lieben. Dennoch habe ich mich bemuͤhet,
mein hartes Schickſal zu ertragen. Nachdem
ich ſo viele Wege vergebens verſucht hatte, um
Sie zur Gewogenheit gegen mich zu bewegen,
ruhete ich und war dem aͤußerlichen Anſehen nach
zufrieden. Jch ſuchte auch allen meinen Freun-
den, und denen, die mit mir umgehen, die Ge-
danken beyzubringen, daß ich es wirklich waͤre.
Aber niemand weiß, was fuͤr Marter mich dieſe
Selbſtverleugnung koſtet. Vergebens ſtellte ſich
mir die Jagd, vergebens ſtellte ſich mir das Rei-
ſen, vergebens ſtellte ſich mir lebhafte Geſellſchaft
dar. Ob ich gleich ein jedes nach der Reihe an-
nahm: ſo brachte doch meine Liebe zu Jhnen mei-
ne Ungluͤckſeligkeit immer mit gedoppelter Staͤrke
wieder hervor, wenn ich in mich ſelbſt, in mein
eignes Herz ſchauete; denn da hatte Jhr reizen-
des Bild ſeinen feſten Thron, und Sie nahmen
mich gaͤnzlich ein.

Jch bedaure aufrichtig das Ungluͤck und Lei-
den, welches Sie betroffen hat, um Jhrer ſelbſt
willen. Nichts deſto weniger aber macht mir
daſſelbe einen Muth, meine kuͤhne Hoffnung wie-
der zu erneuren. Jch weiß die eigentlichen Um-
ſtaͤnde nicht. Jch darf mich nicht darnach erkun-

digen:
Siebenter Theil. K
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0151" n="145"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
Ehre &#x017F;chicket, welche Jhnen allezeit von einem je-<lb/>
den, der von Jhnen redete, beygeleget ward.</p><lb/>
          <p>Allein, gna&#x0364;dige Fra&#x0364;ulein, wenn auch alle<lb/>
Welt anderer Meynung gewe&#x017F;en wa&#x0364;re: &#x017F;o ha&#x0364;tte<lb/>
das doch die meinige niemals a&#x0364;ndern ko&#x0364;nnen.<lb/>
Jch habe Sie allezeit geliebet: ich <hi rendition="#fr">muß</hi> Sie al-<lb/>
lezeit lieben. Dennoch habe ich mich bemu&#x0364;het,<lb/>
mein hartes Schick&#x017F;al zu ertragen. Nachdem<lb/>
ich &#x017F;o viele Wege vergebens ver&#x017F;ucht hatte, um<lb/>
Sie zur Gewogenheit gegen mich zu bewegen,<lb/>
ruhete ich und war dem a&#x0364;ußerlichen An&#x017F;ehen nach<lb/>
zufrieden. Jch &#x017F;uchte auch allen meinen Freun-<lb/>
den, und denen, die mit mir umgehen, die Ge-<lb/>
danken beyzubringen, daß ich es wirklich wa&#x0364;re.<lb/>
Aber niemand weiß, was fu&#x0364;r Marter mich die&#x017F;e<lb/>
Selb&#x017F;tverleugnung ko&#x017F;tet. Vergebens &#x017F;tellte &#x017F;ich<lb/>
mir die Jagd, vergebens &#x017F;tellte &#x017F;ich mir das Rei-<lb/>
&#x017F;en, vergebens &#x017F;tellte &#x017F;ich mir lebhafte Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft<lb/>
dar. Ob ich gleich ein jedes nach der Reihe an-<lb/>
nahm: &#x017F;o brachte doch meine Liebe zu Jhnen mei-<lb/>
ne Unglu&#x0364;ck&#x017F;eligkeit immer mit gedoppelter Sta&#x0364;rke<lb/>
wieder hervor, wenn ich in mich &#x017F;elb&#x017F;t, in mein<lb/>
eignes Herz &#x017F;chauete; denn da hatte Jhr reizen-<lb/>
des Bild &#x017F;einen fe&#x017F;ten Thron, und Sie nahmen<lb/>
mich ga&#x0364;nzlich ein.</p><lb/>
          <p>Jch bedaure aufrichtig das Unglu&#x0364;ck und Lei-<lb/>
den, welches Sie betroffen hat, um <hi rendition="#fr">Jhrer &#x017F;elb&#x017F;t</hi><lb/>
willen. Nichts de&#x017F;to weniger aber macht <hi rendition="#fr">mir</hi><lb/>
da&#x017F;&#x017F;elbe einen Muth, meine ku&#x0364;hne Hoffnung wie-<lb/>
der zu erneuren. Jch weiß die eigentlichen Um-<lb/>
&#x017F;ta&#x0364;nde nicht. Jch darf mich nicht darnach erkun-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig"><hi rendition="#fr">Siebenter Theil.</hi> K</fw><fw place="bottom" type="catch">digen:</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[145/0151] Ehre ſchicket, welche Jhnen allezeit von einem je- den, der von Jhnen redete, beygeleget ward. Allein, gnaͤdige Fraͤulein, wenn auch alle Welt anderer Meynung geweſen waͤre: ſo haͤtte das doch die meinige niemals aͤndern koͤnnen. Jch habe Sie allezeit geliebet: ich muß Sie al- lezeit lieben. Dennoch habe ich mich bemuͤhet, mein hartes Schickſal zu ertragen. Nachdem ich ſo viele Wege vergebens verſucht hatte, um Sie zur Gewogenheit gegen mich zu bewegen, ruhete ich und war dem aͤußerlichen Anſehen nach zufrieden. Jch ſuchte auch allen meinen Freun- den, und denen, die mit mir umgehen, die Ge- danken beyzubringen, daß ich es wirklich waͤre. Aber niemand weiß, was fuͤr Marter mich dieſe Selbſtverleugnung koſtet. Vergebens ſtellte ſich mir die Jagd, vergebens ſtellte ſich mir das Rei- ſen, vergebens ſtellte ſich mir lebhafte Geſellſchaft dar. Ob ich gleich ein jedes nach der Reihe an- nahm: ſo brachte doch meine Liebe zu Jhnen mei- ne Ungluͤckſeligkeit immer mit gedoppelter Staͤrke wieder hervor, wenn ich in mich ſelbſt, in mein eignes Herz ſchauete; denn da hatte Jhr reizen- des Bild ſeinen feſten Thron, und Sie nahmen mich gaͤnzlich ein. Jch bedaure aufrichtig das Ungluͤck und Lei- den, welches Sie betroffen hat, um Jhrer ſelbſt willen. Nichts deſto weniger aber macht mir daſſelbe einen Muth, meine kuͤhne Hoffnung wie- der zu erneuren. Jch weiß die eigentlichen Um- ſtaͤnde nicht. Jch darf mich nicht darnach erkun- digen: Siebenter Theil. K

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/151
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 7. Göttingen, 1751, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa07_1751/151>, abgerufen am 27.04.2024.