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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

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Er schlich hierauf zu mir, mit den Händen
auf dem Rücken, halb willig und halb unwillig.

Jch schlug, ehe er es sich versahe, meinen
Arm um seinen Hals. Wilhelm, dein Feder-
messer, den Augenblick. Verdammter Kerl, wo
ist dein Federmesser?

O Himmel! sagte der buschköpfichte Hund,
und bestrebte sich mit aller Mühe seinen Kopf
unter meinem Arm wegzuziehen: da ich unter-
dessen mit der andern Hand um seine verfluchten
Kinnbacken herumwühlte, als wenn ich ihm seine
Zähne ausreißen wollte.

Jch will dich gut bezahlen, Kerl: sträube dich
nicht so. Das Federmesser, Wilhelm!

O Himmel! schrie Joseph und sträubte sich
immer mehr und mehr. Endlich kam Wilhel-
mens Schneidemesser heraus: denn der Galgen-
schwengel ist ein Gärtner auf dem Lande. Jch
habe nur dieses, gnädiger Herr.

Das beste von der Welt, einen Zahn aus sei-
nem Fleische zu heben. Der Henker hole den
Kerl, warum sträubst du dich so?

Weil Meister Smith und die Meisterinn,
wie ich vermuthe, befürchteten, ich möchte eine
Absicht wider Josephs Kehle haben, weil er ihr
Verfechter wäre; und dieß machte auch in der
That, daß ich mich mehr mit ihm abgab: so ka-
men sie mit trauriglustigen Gesichtern auf mich
zu. Daher ließ ich ihn gehen.

Jch wollte, sprach ich, nur zween oder drey
von den breiten Zähnen dieses Kerls herausneh-

men,


Er ſchlich hierauf zu mir, mit den Haͤnden
auf dem Ruͤcken, halb willig und halb unwillig.

Jch ſchlug, ehe er es ſich verſahe, meinen
Arm um ſeinen Hals. Wilhelm, dein Feder-
meſſer, den Augenblick. Verdammter Kerl, wo
iſt dein Federmeſſer?

O Himmel! ſagte der buſchkoͤpfichte Hund,
und beſtrebte ſich mit aller Muͤhe ſeinen Kopf
unter meinem Arm wegzuziehen: da ich unter-
deſſen mit der andern Hand um ſeine verfluchten
Kinnbacken herumwuͤhlte, als wenn ich ihm ſeine
Zaͤhne ausreißen wollte.

Jch will dich gut bezahlen, Kerl: ſtraͤube dich
nicht ſo. Das Federmeſſer, Wilhelm!

O Himmel! ſchrie Joſeph und ſtraͤubte ſich
immer mehr und mehr. Endlich kam Wilhel-
mens Schneidemeſſer heraus: denn der Galgen-
ſchwengel iſt ein Gaͤrtner auf dem Lande. Jch
habe nur dieſes, gnaͤdiger Herr.

Das beſte von der Welt, einen Zahn aus ſei-
nem Fleiſche zu heben. Der Henker hole den
Kerl, warum ſtraͤubſt du dich ſo?

Weil Meiſter Smith und die Meiſterinn,
wie ich vermuthe, befuͤrchteten, ich moͤchte eine
Abſicht wider Joſephs Kehle haben, weil er ihr
Verfechter waͤre; und dieß machte auch in der
That, daß ich mich mehr mit ihm abgab: ſo ka-
men ſie mit traurigluſtigen Geſichtern auf mich
zu. Daher ließ ich ihn gehen.

Jch wollte, ſprach ich, nur zween oder drey
von den breiten Zaͤhnen dieſes Kerls herausneh-

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[808/0814] Er ſchlich hierauf zu mir, mit den Haͤnden auf dem Ruͤcken, halb willig und halb unwillig. Jch ſchlug, ehe er es ſich verſahe, meinen Arm um ſeinen Hals. Wilhelm, dein Feder- meſſer, den Augenblick. Verdammter Kerl, wo iſt dein Federmeſſer? O Himmel! ſagte der buſchkoͤpfichte Hund, und beſtrebte ſich mit aller Muͤhe ſeinen Kopf unter meinem Arm wegzuziehen: da ich unter- deſſen mit der andern Hand um ſeine verfluchten Kinnbacken herumwuͤhlte, als wenn ich ihm ſeine Zaͤhne ausreißen wollte. Jch will dich gut bezahlen, Kerl: ſtraͤube dich nicht ſo. Das Federmeſſer, Wilhelm! O Himmel! ſchrie Joſeph und ſtraͤubte ſich immer mehr und mehr. Endlich kam Wilhel- mens Schneidemeſſer heraus: denn der Galgen- ſchwengel iſt ein Gaͤrtner auf dem Lande. Jch habe nur dieſes, gnaͤdiger Herr. Das beſte von der Welt, einen Zahn aus ſei- nem Fleiſche zu heben. Der Henker hole den Kerl, warum ſtraͤubſt du dich ſo? Weil Meiſter Smith und die Meiſterinn, wie ich vermuthe, befuͤrchteten, ich moͤchte eine Abſicht wider Joſephs Kehle haben, weil er ihr Verfechter waͤre; und dieß machte auch in der That, daß ich mich mehr mit ihm abgab: ſo ka- men ſie mit traurigluſtigen Geſichtern auf mich zu. Daher ließ ich ihn gehen. Jch wollte, ſprach ich, nur zween oder drey von den breiten Zaͤhnen dieſes Kerls herausneh- men,

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 808. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/814>, abgerufen am 23.11.2024.