Der hundert und funfzehnte Brief von Frau Norton an Fräul. Clarissa Harlowe.
Montags, den 14ten Aug.
Alle Jhre Freunde, meine liebste Fräulein, scheinen hier nunmehr entschlossen zu seyn, Jhnen den Vorschlag zu thun, daß Sie sich zu einer von unsern Pflanzstädten begeben mögen. Dieß, glaube ich, kommt von den falschen und widrigen Nachrichten des Herrn Brands her, von welchem sie einen Brief empfangen haben.
Jch wünschte von Herzen, daß Sie, ohne wi- der Jhre eigne Begriffe von der Ehre zu han- deln, sich den inständigen Bitten der ganzen Fa- milie des Herrn Lovelace zu seinem Besten ge- mäß bezeigen könnten. Dieß, denke ich, würde einem jeden das Maul stopfen, und mit der Zeit Jhnen jedermann wieder zum Freunde machen. Denn Jhre eigne Freunde wollen nicht glauben, daß er im Ernst, Sie zu heyrathen, gesonnen sey: und der Haß zwischen beyden Familien ist so groß, daß sie sich nicht herablassen wollen, desfalls Er- kundigung einzuziehen; ja ihm auch nicht glau- ben würden, wenn er noch so feyerlich betheurte, daß es ihm ein Ernst sey.
Es würde mir lieb seyn, auf allen Nothfall, einen kleinen Aufsatz von den Umständen Jhrer
trau-
Der hundert und funfzehnte Brief von Frau Norton an Fraͤul. Clariſſa Harlowe.
Montags, den 14ten Aug.
Alle Jhre Freunde, meine liebſte Fraͤulein, ſcheinen hier nunmehr entſchloſſen zu ſeyn, Jhnen den Vorſchlag zu thun, daß Sie ſich zu einer von unſern Pflanzſtaͤdten begeben moͤgen. Dieß, glaube ich, kommt von den falſchen und widrigen Nachrichten des Herrn Brands her, von welchem ſie einen Brief empfangen haben.
Jch wuͤnſchte von Herzen, daß Sie, ohne wi- der Jhre eigne Begriffe von der Ehre zu han- deln, ſich den inſtaͤndigen Bitten der ganzen Fa- milie des Herrn Lovelace zu ſeinem Beſten ge- maͤß bezeigen koͤnnten. Dieß, denke ich, wuͤrde einem jeden das Maul ſtopfen, und mit der Zeit Jhnen jedermann wieder zum Freunde machen. Denn Jhre eigne Freunde wollen nicht glauben, daß er im Ernſt, Sie zu heyrathen, geſonnen ſey: und der Haß zwiſchen beyden Familien iſt ſo groß, daß ſie ſich nicht herablaſſen wollen, desfalls Er- kundigung einzuziehen; ja ihm auch nicht glau- ben wuͤrden, wenn er noch ſo feyerlich betheurte, daß es ihm ein Ernſt ſey.
Es wuͤrde mir lieb ſeyn, auf allen Nothfall, einen kleinen Aufſatz von den Umſtaͤnden Jhrer
trau-
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0760"n="754"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><divn="2"><head><hirendition="#fr">Der hundert und funfzehnte Brief</hi><lb/>
von<lb/><hirendition="#fr">Frau Norton an Fraͤul. Clariſſa Harlowe.</hi></head><lb/><dateline><hirendition="#et">Montags, den 14ten Aug.</hi></dateline><lb/><p><hirendition="#in">A</hi>lle Jhre Freunde, meine liebſte Fraͤulein,<lb/>ſcheinen hier nunmehr entſchloſſen zu ſeyn,<lb/>
Jhnen den Vorſchlag zu thun, daß Sie ſich zu<lb/>
einer von unſern Pflanzſtaͤdten begeben moͤgen.<lb/>
Dieß, glaube ich, kommt von den falſchen und<lb/>
widrigen Nachrichten des Herrn Brands her,<lb/>
von welchem ſie einen Brief empfangen haben.</p><lb/><p>Jch wuͤnſchte von Herzen, daß Sie, ohne wi-<lb/>
der Jhre eigne Begriffe von der Ehre zu han-<lb/>
deln, ſich den inſtaͤndigen Bitten der ganzen Fa-<lb/>
milie des Herrn Lovelace zu ſeinem Beſten ge-<lb/>
maͤß bezeigen koͤnnten. Dieß, denke ich, wuͤrde<lb/>
einem jeden das Maul ſtopfen, und mit der Zeit<lb/>
Jhnen jedermann wieder zum Freunde machen.<lb/>
Denn Jhre eigne Freunde wollen nicht glauben,<lb/>
daß er im Ernſt, Sie zu heyrathen, geſonnen ſey:<lb/>
und der Haß zwiſchen beyden Familien iſt ſo groß,<lb/>
daß ſie ſich nicht herablaſſen wollen, desfalls Er-<lb/>
kundigung einzuziehen; ja <hirendition="#fr">ihm</hi> auch nicht glau-<lb/>
ben wuͤrden, wenn er noch ſo feyerlich betheurte,<lb/>
daß es ihm ein Ernſt ſey.</p><lb/><p>Es wuͤrde mir lieb ſeyn, auf allen Nothfall,<lb/>
einen kleinen Aufſatz von den Umſtaͤnden Jhrer<lb/><fwplace="bottom"type="catch">trau-</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[754/0760]
Der hundert und funfzehnte Brief
von
Frau Norton an Fraͤul. Clariſſa Harlowe.
Montags, den 14ten Aug.
Alle Jhre Freunde, meine liebſte Fraͤulein,
ſcheinen hier nunmehr entſchloſſen zu ſeyn,
Jhnen den Vorſchlag zu thun, daß Sie ſich zu
einer von unſern Pflanzſtaͤdten begeben moͤgen.
Dieß, glaube ich, kommt von den falſchen und
widrigen Nachrichten des Herrn Brands her,
von welchem ſie einen Brief empfangen haben.
Jch wuͤnſchte von Herzen, daß Sie, ohne wi-
der Jhre eigne Begriffe von der Ehre zu han-
deln, ſich den inſtaͤndigen Bitten der ganzen Fa-
milie des Herrn Lovelace zu ſeinem Beſten ge-
maͤß bezeigen koͤnnten. Dieß, denke ich, wuͤrde
einem jeden das Maul ſtopfen, und mit der Zeit
Jhnen jedermann wieder zum Freunde machen.
Denn Jhre eigne Freunde wollen nicht glauben,
daß er im Ernſt, Sie zu heyrathen, geſonnen ſey:
und der Haß zwiſchen beyden Familien iſt ſo groß,
daß ſie ſich nicht herablaſſen wollen, desfalls Er-
kundigung einzuziehen; ja ihm auch nicht glau-
ben wuͤrden, wenn er noch ſo feyerlich betheurte,
daß es ihm ein Ernſt ſey.
Es wuͤrde mir lieb ſeyn, auf allen Nothfall,
einen kleinen Aufſatz von den Umſtaͤnden Jhrer
trau-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 754. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/760>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.