schon lange kein freyer Wille gelassen gewesen, und ein größeres, ja, ich mag nun wohl sagen, das größte Uebel zu vermeiden, schreibe ich.
Wenn es mir möglich wäre, meine wirkliche Gesinnung zu verbergen, oder zu verhehlen: so könnte ich Jhnen wohl die entfernte Hoffnung machen, welche Sie verlangen, und doch bey allen meinen Entschließungen bleiben. Aber ich muß Jhnen sagen, mein Herr; es geziemet meiner Gemüthsart, Jhnen zu sagen, daß, wenn ich auch mehr Jahre leben sollte, als ich vielleicht Wochen leben mag, und keine andere Mannsperson in der Welt wäre, ich dennoch die Jhrige nicht seyn könnte, nicht seyn wollte.
Man machet sich kein Verdienst, wenn man seine Pflicht erfüllet:
Die Religion verbindet mich, nicht allein er- littenes Unrecht zu vergeben, sondern auch Böses mit Gutem zu vergelten. Es ist mein einziger Trost, und ich danke Gott für denselben, daß ich itzo in einer solchen Gemüthsverfassung in Anse- hung Jhrer stehe, daß ich den Gesetzen der Reli- gion mit Freuden gehorchen kann. Daher ver- sichere ich Sie, daß ich wünsche, Sie mögen al- lenthalben, wo Sie gehen, glücklich seyn: und hier- inn will ich alle gute Wünsche eingeschlossen haben.
Da ich nun, mit großem Widerstreben, das gestehe ich, einen von denen Fällen, worunter Sie mich zu wählen zwingen, erfüllet habe: so er- warte ich die Früchte davon.
Clarissa Harlowe.
Der
ſchon lange kein freyer Wille gelaſſen geweſen, und ein groͤßeres, ja, ich mag nun wohl ſagen, das groͤßte Uebel zu vermeiden, ſchreibe ich.
Wenn es mir moͤglich waͤre, meine wirkliche Geſinnung zu verbergen, oder zu verhehlen: ſo koͤnnte ich Jhnen wohl die entfernte Hoffnung machen, welche Sie verlangen, und doch bey allen meinen Entſchließungen bleiben. Aber ich muß Jhnen ſagen, mein Herr; es geziemet meiner Gemuͤthsart, Jhnen zu ſagen, daß, wenn ich auch mehr Jahre leben ſollte, als ich vielleicht Wochen leben mag, und keine andere Mannsperſon in der Welt waͤre, ich dennoch die Jhrige nicht ſeyn koͤnnte, nicht ſeyn wollte.
Man machet ſich kein Verdienſt, wenn man ſeine Pflicht erfuͤllet:
Die Religion verbindet mich, nicht allein er- littenes Unrecht zu vergeben, ſondern auch Boͤſes mit Gutem zu vergelten. Es iſt mein einziger Troſt, und ich danke Gott fuͤr denſelben, daß ich itzo in einer ſolchen Gemuͤthsverfaſſung in Anſe- hung Jhrer ſtehe, daß ich den Geſetzen der Reli- gion mit Freuden gehorchen kann. Daher ver- ſichere ich Sie, daß ich wuͤnſche, Sie moͤgen al- lenthalben, wo Sie gehen, gluͤcklich ſeyn: und hier- inn will ich alle gute Wuͤnſche eingeſchloſſen haben.
Da ich nun, mit großem Widerſtreben, das geſtehe ich, einen von denen Faͤllen, worunter Sie mich zu waͤhlen zwingen, erfuͤllet habe: ſo er- warte ich die Fruͤchte davon.
Clariſſa Harlowe.
Der
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ſchon lange kein freyer Wille gelaſſen geweſen,
und ein groͤßeres, ja, ich mag nun wohl ſagen,
das groͤßte Uebel zu vermeiden, ſchreibe ich.
Wenn es mir moͤglich waͤre, meine wirkliche
Geſinnung zu verbergen, oder zu verhehlen: ſo
koͤnnte ich Jhnen wohl die entfernte Hoffnung
machen, welche Sie verlangen, und doch bey allen
meinen Entſchließungen bleiben. Aber ich muß
Jhnen ſagen, mein Herr; es geziemet meiner
Gemuͤthsart, Jhnen zu ſagen, daß, wenn ich auch
mehr Jahre leben ſollte, als ich vielleicht Wochen
leben mag, und keine andere Mannsperſon in
der Welt waͤre, ich dennoch die Jhrige nicht ſeyn
koͤnnte, nicht ſeyn wollte.
Man machet ſich kein Verdienſt, wenn man
ſeine Pflicht erfuͤllet:
Die Religion verbindet mich, nicht allein er-
littenes Unrecht zu vergeben, ſondern auch Boͤſes
mit Gutem zu vergelten. Es iſt mein einziger
Troſt, und ich danke Gott fuͤr denſelben, daß ich
itzo in einer ſolchen Gemuͤthsverfaſſung in Anſe-
hung Jhrer ſtehe, daß ich den Geſetzen der Reli-
gion mit Freuden gehorchen kann. Daher ver-
ſichere ich Sie, daß ich wuͤnſche, Sie moͤgen al-
lenthalben, wo Sie gehen, gluͤcklich ſeyn: und hier-
inn will ich alle gute Wuͤnſche eingeſchloſſen haben.
Da ich nun, mit großem Widerſtreben, das
geſtehe ich, einen von denen Faͤllen, worunter Sie
mich zu waͤhlen zwingen, erfuͤllet habe: ſo er-
warte ich die Fruͤchte davon.
Clariſſa Harlowe.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 734. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/740>, abgerufen am 23.11.2024.
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