wenigen Monaten so jämmerlich zernichtet ist! Jedoch ich muß allezeit Jhre Freundinn seyn und Sie bedauren: eben deswegen, weil ich selbst bey jedermann Mitleiden verdiene.
Vielleicht finde ich eine Gelegenheit, Sie zu besuchen, als wenn es Jhrer Krankheit wegen geschähe: und dann mag ich den Brief, wovon Sie Erwähnung thun, bey Jhnen mit Thränen durchlesen. Allein in Zukunft schreiben Sie mir nichts von dem armen Mägdchen, das Jhrer Meynung nach nicht uns allen entdecket werden kann.
Jch empfehle Jhnen, wo Sie meine Freund- schaft achten, wo Sie meine Ruhe wünschen, weder dem boshaften Kinde, noch sonst jeman- den, das geringste von einem Briefe zu sagen, den Sie von mir bekommen haben. Es ist mir eine kleine Erleichterung gewesen, weil mir die Gelegenheit gegeben ist, an Sie zu schreiben: da Sie, auf eine so besondre Art, an meinem Leiden Theil nehmen müssen. Eine Mutter, Fr. Nor- ton, kann ihr Kind nicht vergessen: wenn auch das Kind die Mutter verlassen, und, indem es das that, allen Trost, alles Vergnügen ihrer Mutter mit sich hinwegnehmen konnte! - - Un- ter solchen Umständen, kann ich mit Wahrheit sagen, ist
Jhre unglückliche Freundinn Charlotte Harlowe.
Der
wenigen Monaten ſo jaͤmmerlich zernichtet iſt! Jedoch ich muß allezeit Jhre Freundinn ſeyn und Sie bedauren: eben deswegen, weil ich ſelbſt bey jedermann Mitleiden verdiene.
Vielleicht finde ich eine Gelegenheit, Sie zu beſuchen, als wenn es Jhrer Krankheit wegen geſchaͤhe: und dann mag ich den Brief, wovon Sie Erwaͤhnung thun, bey Jhnen mit Thraͤnen durchleſen. Allein in Zukunft ſchreiben Sie mir nichts von dem armen Maͤgdchen, das Jhrer Meynung nach nicht uns allen entdecket werden kann.
Jch empfehle Jhnen, wo Sie meine Freund- ſchaft achten, wo Sie meine Ruhe wuͤnſchen, weder dem boshaften Kinde, noch ſonſt jeman- den, das geringſte von einem Briefe zu ſagen, den Sie von mir bekommen haben. Es iſt mir eine kleine Erleichterung geweſen, weil mir die Gelegenheit gegeben iſt, an Sie zu ſchreiben: da Sie, auf eine ſo beſondre Art, an meinem Leiden Theil nehmen muͤſſen. Eine Mutter, Fr. Nor- ton, kann ihr Kind nicht vergeſſen: wenn auch das Kind die Mutter verlaſſen, und, indem es das that, allen Troſt, alles Vergnuͤgen ihrer Mutter mit ſich hinwegnehmen konnte! ‒ ‒ Un- ter ſolchen Umſtaͤnden, kann ich mit Wahrheit ſagen, iſt
Jhre ungluͤckliche Freundinn Charlotte Harlowe.
Der
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wenigen Monaten ſo jaͤmmerlich zernichtet iſt!
Jedoch ich muß allezeit Jhre Freundinn ſeyn und
Sie bedauren: eben deswegen, weil ich ſelbſt bey
jedermann Mitleiden verdiene.
Vielleicht finde ich eine Gelegenheit, Sie zu
beſuchen, als wenn es Jhrer Krankheit wegen
geſchaͤhe: und dann mag ich den Brief, wovon
Sie Erwaͤhnung thun, bey Jhnen mit Thraͤnen
durchleſen. Allein in Zukunft ſchreiben Sie mir
nichts von dem armen Maͤgdchen, das Jhrer
Meynung nach nicht uns allen entdecket werden
kann.
Jch empfehle Jhnen, wo Sie meine Freund-
ſchaft achten, wo Sie meine Ruhe wuͤnſchen,
weder dem boshaften Kinde, noch ſonſt jeman-
den, das geringſte von einem Briefe zu ſagen,
den Sie von mir bekommen haben. Es iſt mir
eine kleine Erleichterung geweſen, weil mir die
Gelegenheit gegeben iſt, an Sie zu ſchreiben: da
Sie, auf eine ſo beſondre Art, an meinem Leiden
Theil nehmen muͤſſen. Eine Mutter, Fr. Nor-
ton, kann ihr Kind nicht vergeſſen: wenn auch
das Kind die Mutter verlaſſen, und, indem es
das that, allen Troſt, alles Vergnuͤgen ihrer
Mutter mit ſich hinwegnehmen konnte! ‒ ‒ Un-
ter ſolchen Umſtaͤnden, kann ich mit Wahrheit
ſagen, iſt
Jhre ungluͤckliche Freundinn
Charlotte Harlowe.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 626. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/632>, abgerufen am 22.11.2024.
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