welcher Art die Tränke gewesen, wenn man eben dieselbe Absicht zum Ziel gehabt hat?
Ueberhaupt muß ich dir sagen, daß weder die Königinn von Carthago, noch die Königinn von Schottland, gedacht haben würden, daß sie Ursache hätten sich zu beklagen: wenn man nicht ärger mit ihnen umgegangen wäre, als ich mit der Königinn meines Herzens umgegangen bin. Trage ich über dieß nicht ein sehnliches Verlan- gen, alles durch die Heyrath wieder gut zu ma- chen? Was meynst du, würde der fromme Ae- neas wohl so gerecht gegen seine Dido gewesen seyn: wenn sie gelebt hätte?
Wohlan denn, Belford, laß die Leute mit ih- ren Begriffen laufen, wie sie wollen: ich bin vergleichungsweise ein sehr unschuldiger Mensch. Und habe ich durch diese und andere dergleichen Schlüsse mein eignes Gewissen nur befriediget: so ist eine wichtige Absicht erhalten. Was habe ich mit der Welt zu thun?
Nun setze ich mich geruhig nieder, deine Briefe zu erwägen.
Jch hoffe, deine Vorstellungen zu meinem Vortheil (*), als sie dir meine Briefe für mich, und zwar mit so vieler Großmuth, übergab, wa- ren mit dem Nachdruck, den die Ehrlichkeit er- fordert, begleitet. Aber ich habe dich sehr im Verdacht, daß du deinen Clienten zu bald ver- lohren giebst. Hiernächst hast du ein so wunder- liches Ansehen, das nichts gutes zusaget; ein
Ansehen
(*) Siehe den LXXII. Brief.
welcher Art die Traͤnke geweſen, wenn man eben dieſelbe Abſicht zum Ziel gehabt hat?
Ueberhaupt muß ich dir ſagen, daß weder die Koͤniginn von Carthago, noch die Koͤniginn von Schottland, gedacht haben wuͤrden, daß ſie Urſache haͤtten ſich zu beklagen: wenn man nicht aͤrger mit ihnen umgegangen waͤre, als ich mit der Koͤniginn meines Herzens umgegangen bin. Trage ich uͤber dieß nicht ein ſehnliches Verlan- gen, alles durch die Heyrath wieder gut zu ma- chen? Was meynſt du, wuͤrde der fromme Ae- neas wohl ſo gerecht gegen ſeine Dido geweſen ſeyn: wenn ſie gelebt haͤtte?
Wohlan denn, Belford, laß die Leute mit ih- ren Begriffen laufen, wie ſie wollen: ich bin vergleichungsweiſe ein ſehr unſchuldiger Menſch. Und habe ich durch dieſe und andere dergleichen Schluͤſſe mein eignes Gewiſſen nur befriediget: ſo iſt eine wichtige Abſicht erhalten. Was habe ich mit der Welt zu thun?
Nun ſetze ich mich geruhig nieder, deine Briefe zu erwaͤgen.
Jch hoffe, deine Vorſtellungen zu meinem Vortheil (*), als ſie dir meine Briefe fuͤr mich, und zwar mit ſo vieler Großmuth, uͤbergab, wa- ren mit dem Nachdruck, den die Ehrlichkeit er- fordert, begleitet. Aber ich habe dich ſehr im Verdacht, daß du deinen Clienten zu bald ver- lohren giebſt. Hiernaͤchſt haſt du ein ſo wunder- liches Anſehen, das nichts gutes zuſaget; ein
Anſehen
(*) Siehe den LXXII. Brief.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0581"n="575"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
welcher Art die <hirendition="#fr">Traͤnke</hi> geweſen, wenn man<lb/>
eben dieſelbe Abſicht zum Ziel gehabt hat?</p><lb/><p>Ueberhaupt muß ich dir ſagen, daß weder<lb/>
die Koͤniginn von Carthago, noch die Koͤniginn<lb/>
von Schottland, gedacht haben wuͤrden, daß ſie<lb/>
Urſache haͤtten ſich zu beklagen: wenn man nicht<lb/>
aͤrger mit ihnen umgegangen waͤre, als ich mit<lb/>
der Koͤniginn meines Herzens umgegangen bin.<lb/>
Trage ich uͤber dieß nicht ein ſehnliches Verlan-<lb/>
gen, alles durch die Heyrath wieder gut zu ma-<lb/>
chen? Was meynſt du, wuͤrde der <hirendition="#fr">fromme</hi> Ae-<lb/>
neas wohl ſo gerecht gegen ſeine Dido geweſen<lb/>ſeyn: wenn ſie gelebt haͤtte?</p><lb/><p>Wohlan denn, Belford, laß die Leute mit ih-<lb/>
ren Begriffen laufen, wie ſie wollen: ich bin<lb/><hirendition="#fr">vergleichungsweiſe</hi> ein ſehr unſchuldiger<lb/>
Menſch. Und habe ich durch dieſe und andere<lb/>
dergleichen Schluͤſſe mein eignes Gewiſſen nur<lb/>
befriediget: ſo iſt eine wichtige Abſicht erhalten.<lb/>
Was habe ich mit der Welt zu thun?</p><lb/><p>Nun ſetze ich mich geruhig nieder, deine<lb/>
Briefe zu erwaͤgen.</p><lb/><p>Jch hoffe, deine Vorſtellungen zu meinem<lb/>
Vortheil <noteplace="foot"n="(*)">Siehe den <hirendition="#aq">LXXII.</hi> Brief.</note>, als ſie dir meine Briefe fuͤr mich,<lb/>
und zwar mit ſo vieler Großmuth, uͤbergab, wa-<lb/>
ren mit dem Nachdruck, den die Ehrlichkeit er-<lb/>
fordert, begleitet. Aber ich habe dich ſehr im<lb/>
Verdacht, daß du deinen Clienten zu bald ver-<lb/>
lohren giebſt. Hiernaͤchſt haſt du ein ſo wunder-<lb/>
liches Anſehen, das nichts gutes zuſaget; ein<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Anſehen</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[575/0581]
welcher Art die Traͤnke geweſen, wenn man
eben dieſelbe Abſicht zum Ziel gehabt hat?
Ueberhaupt muß ich dir ſagen, daß weder
die Koͤniginn von Carthago, noch die Koͤniginn
von Schottland, gedacht haben wuͤrden, daß ſie
Urſache haͤtten ſich zu beklagen: wenn man nicht
aͤrger mit ihnen umgegangen waͤre, als ich mit
der Koͤniginn meines Herzens umgegangen bin.
Trage ich uͤber dieß nicht ein ſehnliches Verlan-
gen, alles durch die Heyrath wieder gut zu ma-
chen? Was meynſt du, wuͤrde der fromme Ae-
neas wohl ſo gerecht gegen ſeine Dido geweſen
ſeyn: wenn ſie gelebt haͤtte?
Wohlan denn, Belford, laß die Leute mit ih-
ren Begriffen laufen, wie ſie wollen: ich bin
vergleichungsweiſe ein ſehr unſchuldiger
Menſch. Und habe ich durch dieſe und andere
dergleichen Schluͤſſe mein eignes Gewiſſen nur
befriediget: ſo iſt eine wichtige Abſicht erhalten.
Was habe ich mit der Welt zu thun?
Nun ſetze ich mich geruhig nieder, deine
Briefe zu erwaͤgen.
Jch hoffe, deine Vorſtellungen zu meinem
Vortheil (*), als ſie dir meine Briefe fuͤr mich,
und zwar mit ſo vieler Großmuth, uͤbergab, wa-
ren mit dem Nachdruck, den die Ehrlichkeit er-
fordert, begleitet. Aber ich habe dich ſehr im
Verdacht, daß du deinen Clienten zu bald ver-
lohren giebſt. Hiernaͤchſt haſt du ein ſo wunder-
liches Anſehen, das nichts gutes zuſaget; ein
Anſehen
(*) Siehe den LXXII. Brief.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 575. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/581>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.