Erkenntlichkeit für die Güte derselben, daß sie ihn zu ihr schickte, ehe sie ihre kleine Reise an- träte.
Er gab ihr einen Brief von dieser Fräulein, den sie in ihren Busem steckte. Sie sagte, sie wollte ihn hernach alsobald lesen.
Man konnte augenscheinlich an ihm merken, daß es ihm nahe ging, wahrzunehmen, wie schlecht sie aussähe.
Sie sehen mich bekümmert an, Herr Hick- mann, sprach sie - - O! mein Herr, die Zeiten haben sich bey mir gewaltig geändert, seit dem ich sie zuletzt bey meiner lieben Fräulein Howe gese- hen! - - Wie munter war ich damals! - - Mein Herz war geruhig. Jch hatte reizende Aussichten vor mir, und ward von jedermann geliebet! - - Jedoch ich will sie nicht kränken.
Jn Wahrheit, gnädige Fräulein, antwortete er, ich bin ihretwegen herzlich bekümmert.
Er wandte sein Gesicht weg, in welchem sich die Traurigkeit offenbar sehen ließ.
Jhre Augen glänzeten. Dennoch wandte sie sich zu uns beyden, und stellte einen dem an- dern vor: ihn mir, als einen Cavallier der in Wahrheit diesen Namen verdiente; mich ihm, als zwar einen Freund von euch - - Wie schämte ich mich damals vor mir selbst! - - aber doch leutseligen Mann, der die niederträch- tige Bosheit seines Freundes verabscheuete und ihr auf alle Art zu dienen suchte.
Herr
Erkenntlichkeit fuͤr die Guͤte derſelben, daß ſie ihn zu ihr ſchickte, ehe ſie ihre kleine Reiſe an- traͤte.
Er gab ihr einen Brief von dieſer Fraͤulein, den ſie in ihren Buſem ſteckte. Sie ſagte, ſie wollte ihn hernach alſobald leſen.
Man konnte augenſcheinlich an ihm merken, daß es ihm nahe ging, wahrzunehmen, wie ſchlecht ſie ausſaͤhe.
Sie ſehen mich bekuͤmmert an, Herr Hick- mann, ſprach ſie ‒ ‒ O! mein Herr, die Zeiten haben ſich bey mir gewaltig geaͤndert, ſeit dem ich ſie zuletzt bey meiner lieben Fraͤulein Howe geſe- hen! ‒ ‒ Wie munter war ich damals! ‒ ‒ Mein Herz war geruhig. Jch hatte reizende Ausſichten vor mir, und ward von jedermann geliebet! ‒ ‒ Jedoch ich will ſie nicht kraͤnken.
Jn Wahrheit, gnaͤdige Fraͤulein, antwortete er, ich bin ihretwegen herzlich bekuͤmmert.
Er wandte ſein Geſicht weg, in welchem ſich die Traurigkeit offenbar ſehen ließ.
Jhre Augen glaͤnzeten. Dennoch wandte ſie ſich zu uns beyden, und ſtellte einen dem an- dern vor: ihn mir, als einen Cavallier der in Wahrheit dieſen Namen verdiente; mich ihm, als zwar einen Freund von euch ‒ ‒ Wie ſchaͤmte ich mich damals vor mir ſelbſt! ‒ ‒ aber doch leutſeligen Mann, der die niedertraͤch- tige Bosheit ſeines Freundes verabſcheuete und ihr auf alle Art zu dienen ſuchte.
Herr
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Erkenntlichkeit fuͤr die Guͤte derſelben, daß ſie
ihn zu ihr ſchickte, ehe ſie ihre kleine Reiſe an-
traͤte.
Er gab ihr einen Brief von dieſer Fraͤulein,
den ſie in ihren Buſem ſteckte. Sie ſagte, ſie
wollte ihn hernach alſobald leſen.
Man konnte augenſcheinlich an ihm merken,
daß es ihm nahe ging, wahrzunehmen, wie ſchlecht
ſie ausſaͤhe.
Sie ſehen mich bekuͤmmert an, Herr Hick-
mann, ſprach ſie ‒ ‒ O! mein Herr, die Zeiten
haben ſich bey mir gewaltig geaͤndert, ſeit dem ich
ſie zuletzt bey meiner lieben Fraͤulein Howe geſe-
hen! ‒ ‒ Wie munter war ich damals! ‒ ‒
Mein Herz war geruhig. Jch hatte reizende
Ausſichten vor mir, und ward von jedermann
geliebet! ‒ ‒ Jedoch ich will ſie nicht kraͤnken.
Jn Wahrheit, gnaͤdige Fraͤulein, antwortete
er, ich bin ihretwegen herzlich bekuͤmmert.
Er wandte ſein Geſicht weg, in welchem ſich
die Traurigkeit offenbar ſehen ließ.
Jhre Augen glaͤnzeten. Dennoch wandte
ſie ſich zu uns beyden, und ſtellte einen dem an-
dern vor: ihn mir, als einen Cavallier der in
Wahrheit dieſen Namen verdiente; mich ihm,
als zwar einen Freund von euch ‒ ‒ Wie
ſchaͤmte ich mich damals vor mir ſelbſt! ‒ ‒
aber doch leutſeligen Mann, der die niedertraͤch-
tige Bosheit ſeines Freundes verabſcheuete und
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 527. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/533>, abgerufen am 22.11.2024.
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