Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



trauen vorzog. Das aber muß ja wohl ein
Leben von Zweifel und Mistrauen seyn, wo
das Weib nicht die geringste Zuversicht heget,
und einen Mann durch Hülfe der Kirchen- und
Staatsgesetze, um die Verbindlichkeit, welche sie
ihm aufleget, dadurch zu verstärken, auf Lebens-
lang bindet, sich gut zu bezeigen.

Jch werde am Montage frühe zu einer ge-
wissen Art von einem Ball reisen, wozu mich der
Obrist Ambrosius eingeladen hat. Er wird we-
gen eines Vorfalls in der Familie gegeben: ich
bekümmere mich nicht darum, was es für einer ist.
Denn alles, was mir bey der Sache angenehm
ist, ist dieß, daß die Frau und Fräulein Howe da
seyn werden; und, wie gewöhnlich, auch Hick-
mann: indem die gnädige Frau ohne ihn nicht
einen Fuß aus dem Hause setzen wird. Der
Obrist hoffet, daß die Fräulein Arabelle Harlo-
we ebenfalls kommen werde: denn alle Manns-
personen und Frauenzimmer in seiner Gegend
von einiger Beträchtlichkeit sind eingeladen.

Jch kam von ungefähr mit dem Obristen
zusammen, der, wie ich glaube, schwerlich dachte,
daß ich die Einladung annehmen würde. Aber
er kennet mich nicht, wo er denkt, daß ich mich
schäme, an irgend einem Orte zu erscheinen, wo
Frauenzimmer ihr Gesicht zeigen dürfen. Er
gab mir zwar zu verstehen, daß mein Name, we-
gen der Fräulein Harlowe, sehr im Gerede wä-
re: allein, daß ich auf eine von meines Onkels

Redens-



trauen vorzog. Das aber muß ja wohl ein
Leben von Zweifel und Mistrauen ſeyn, wo
das Weib nicht die geringſte Zuverſicht heget,
und einen Mann durch Huͤlfe der Kirchen- und
Staatsgeſetze, um die Verbindlichkeit, welche ſie
ihm aufleget, dadurch zu verſtaͤrken, auf Lebens-
lang bindet, ſich gut zu bezeigen.

Jch werde am Montage fruͤhe zu einer ge-
wiſſen Art von einem Ball reiſen, wozu mich der
Obriſt Ambroſius eingeladen hat. Er wird we-
gen eines Vorfalls in der Familie gegeben: ich
bekuͤmmere mich nicht darum, was es fuͤr einer iſt.
Denn alles, was mir bey der Sache angenehm
iſt, iſt dieß, daß die Frau und Fraͤulein Howe da
ſeyn werden; und, wie gewoͤhnlich, auch Hick-
mann: indem die gnaͤdige Frau ohne ihn nicht
einen Fuß aus dem Hauſe ſetzen wird. Der
Obriſt hoffet, daß die Fraͤulein Arabelle Harlo-
we ebenfalls kommen werde: denn alle Manns-
perſonen und Frauenzimmer in ſeiner Gegend
von einiger Betraͤchtlichkeit ſind eingeladen.

Jch kam von ungefaͤhr mit dem Obriſten
zuſammen, der, wie ich glaube, ſchwerlich dachte,
daß ich die Einladung annehmen wuͤrde. Aber
er kennet mich nicht, wo er denkt, daß ich mich
ſchaͤme, an irgend einem Orte zu erſcheinen, wo
Frauenzimmer ihr Geſicht zeigen duͤrfen. Er
gab mir zwar zu verſtehen, daß mein Name, we-
gen der Fraͤulein Harlowe, ſehr im Gerede waͤ-
re: allein, daß ich auf eine von meines Onkels

Redens-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0466" n="460"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><hi rendition="#fr">trauen</hi> vorzog. Das aber muß ja wohl ein<lb/><hi rendition="#fr">Leben von Zweifel und Mistrauen</hi> &#x017F;eyn, wo<lb/>
das Weib nicht die gering&#x017F;te Zuver&#x017F;icht heget,<lb/>
und einen Mann durch Hu&#x0364;lfe der Kirchen- und<lb/>
Staatsge&#x017F;etze, um die Verbindlichkeit, welche &#x017F;ie<lb/>
ihm aufleget, dadurch zu ver&#x017F;ta&#x0364;rken, auf Lebens-<lb/>
lang bindet, &#x017F;ich gut zu bezeigen.</p><lb/>
          <p>Jch werde am Montage fru&#x0364;he zu einer ge-<lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en Art von einem Ball rei&#x017F;en, wozu mich der<lb/>
Obri&#x017F;t Ambro&#x017F;ius eingeladen hat. Er wird we-<lb/>
gen eines Vorfalls in der Familie gegeben: ich<lb/>
beku&#x0364;mmere mich nicht darum, was es fu&#x0364;r einer i&#x017F;t.<lb/>
Denn alles, was mir bey der Sache angenehm<lb/>
i&#x017F;t, i&#x017F;t dieß, daß die Frau und Fra&#x0364;ulein Howe da<lb/>
&#x017F;eyn werden; und, wie gewo&#x0364;hnlich, auch Hick-<lb/>
mann: indem die gna&#x0364;dige Frau ohne ihn nicht<lb/>
einen Fuß aus dem Hau&#x017F;e &#x017F;etzen wird. Der<lb/>
Obri&#x017F;t hoffet, daß die Fra&#x0364;ulein Arabelle Harlo-<lb/>
we ebenfalls kommen werde: denn alle Manns-<lb/>
per&#x017F;onen und Frauenzimmer in &#x017F;einer Gegend<lb/>
von einiger Betra&#x0364;chtlichkeit &#x017F;ind eingeladen.</p><lb/>
          <p>Jch kam von ungefa&#x0364;hr mit dem Obri&#x017F;ten<lb/>
zu&#x017F;ammen, der, wie ich glaube, &#x017F;chwerlich dachte,<lb/>
daß ich die Einladung annehmen wu&#x0364;rde. Aber<lb/>
er kennet mich nicht, wo er denkt, daß ich mich<lb/>
&#x017F;cha&#x0364;me, an irgend einem Orte zu er&#x017F;cheinen, wo<lb/>
Frauenzimmer ihr Ge&#x017F;icht zeigen du&#x0364;rfen. Er<lb/>
gab mir zwar zu ver&#x017F;tehen, daß mein Name, we-<lb/>
gen der Fra&#x0364;ulein Harlowe, &#x017F;ehr <hi rendition="#fr">im Gerede</hi> wa&#x0364;-<lb/>
re: allein, daß ich auf eine von meines Onkels<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Redens-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[460/0466] trauen vorzog. Das aber muß ja wohl ein Leben von Zweifel und Mistrauen ſeyn, wo das Weib nicht die geringſte Zuverſicht heget, und einen Mann durch Huͤlfe der Kirchen- und Staatsgeſetze, um die Verbindlichkeit, welche ſie ihm aufleget, dadurch zu verſtaͤrken, auf Lebens- lang bindet, ſich gut zu bezeigen. Jch werde am Montage fruͤhe zu einer ge- wiſſen Art von einem Ball reiſen, wozu mich der Obriſt Ambroſius eingeladen hat. Er wird we- gen eines Vorfalls in der Familie gegeben: ich bekuͤmmere mich nicht darum, was es fuͤr einer iſt. Denn alles, was mir bey der Sache angenehm iſt, iſt dieß, daß die Frau und Fraͤulein Howe da ſeyn werden; und, wie gewoͤhnlich, auch Hick- mann: indem die gnaͤdige Frau ohne ihn nicht einen Fuß aus dem Hauſe ſetzen wird. Der Obriſt hoffet, daß die Fraͤulein Arabelle Harlo- we ebenfalls kommen werde: denn alle Manns- perſonen und Frauenzimmer in ſeiner Gegend von einiger Betraͤchtlichkeit ſind eingeladen. Jch kam von ungefaͤhr mit dem Obriſten zuſammen, der, wie ich glaube, ſchwerlich dachte, daß ich die Einladung annehmen wuͤrde. Aber er kennet mich nicht, wo er denkt, daß ich mich ſchaͤme, an irgend einem Orte zu erſcheinen, wo Frauenzimmer ihr Geſicht zeigen duͤrfen. Er gab mir zwar zu verſtehen, daß mein Name, we- gen der Fraͤulein Harlowe, ſehr im Gerede waͤ- re: allein, daß ich auf eine von meines Onkels Redens-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/466
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 460. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/466>, abgerufen am 22.11.2024.