Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



kümmert hat, wer der Gegner seyn möchte! - -
Nun vergleicht er sich selbst mit dem veralteten
Löwen in der Fabel, welcher, durch die schlagende
Fersen eines feigen und verächtlichen Esels, mit
zerstoßenem Maul zu Boden geworfen ist.

Jch habe seine Sache übernommen. Er hat
mir, jedoch nicht ohne Widerstreben, Erlaubniß
gegeben, ihn in den Besitz seines eignen Hauses
zu setzen, und für ihn seine unglückliche Schwe-
ster, die er bisher geringe geachtet, eben weil sie
unglücklich ist, in dasselbe einzuführen. Es ist
etwas hartes, sagte er zu mir, und weinte, armer
Schelm! indem er es sagte, daß es ihm nicht ge-
gönnet seyn kann, in seinem eignen Hause ruhig
zu sterben! - - Dieß sind die Früchte von dem
beglückten Stande, wenn man eine Maitresse
hält.

Ob er gleich erst vor nicht langer Zeit ihre
Untreue erfahren hat: so kommt es doch nun her-
aus, daß diese schon so lange fortgetrieben ist, daß
er keine Ursache hat, die Jungen für sein zu hal-
ten. Wie verliebt pflegte er gleichwohl in die-
selben zu seyn!

Wo ich euren und unserer Mitgesellen Bey-
stand nöthig habe, den armen Kerl wieder einzu-
setzen: so will ich euch davon Nachricht geben.
Unterdessen ist mir eben itzo erzählt, daß Thoma-
sine sich erkläre, nicht aus der Stelle zu weichen:
denn es scheint, als wenn sie muthmaßer, man
werde Maaßregeln nehmen, sie zu vertreiben. Sie

sey



kuͤmmert hat, wer der Gegner ſeyn moͤchte! ‒ ‒
Nun vergleicht er ſich ſelbſt mit dem veralteten
Loͤwen in der Fabel, welcher, durch die ſchlagende
Ferſen eines feigen und veraͤchtlichen Eſels, mit
zerſtoßenem Maul zu Boden geworfen iſt.

Jch habe ſeine Sache uͤbernommen. Er hat
mir, jedoch nicht ohne Widerſtreben, Erlaubniß
gegeben, ihn in den Beſitz ſeines eignen Hauſes
zu ſetzen, und fuͤr ihn ſeine ungluͤckliche Schwe-
ſter, die er bisher geringe geachtet, eben weil ſie
ungluͤcklich iſt, in daſſelbe einzufuͤhren. Es iſt
etwas hartes, ſagte er zu mir, und weinte, armer
Schelm! indem er es ſagte, daß es ihm nicht ge-
goͤnnet ſeyn kann, in ſeinem eignen Hauſe ruhig
zu ſterben! ‒ ‒ Dieß ſind die Fruͤchte von dem
begluͤckten Stande, wenn man eine Maitreſſe
haͤlt.

Ob er gleich erſt vor nicht langer Zeit ihre
Untreue erfahren hat: ſo kommt es doch nun her-
aus, daß dieſe ſchon ſo lange fortgetrieben iſt, daß
er keine Urſache hat, die Jungen fuͤr ſein zu hal-
ten. Wie verliebt pflegte er gleichwohl in die-
ſelben zu ſeyn!

Wo ich euren und unſerer Mitgeſellen Bey-
ſtand noͤthig habe, den armen Kerl wieder einzu-
ſetzen: ſo will ich euch davon Nachricht geben.
Unterdeſſen iſt mir eben itzo erzaͤhlt, daß Thoma-
ſine ſich erklaͤre, nicht aus der Stelle zu weichen:
denn es ſcheint, als wenn ſie muthmaßer, man
werde Maaßregeln nehmen, ſie zu vertreiben. Sie

ſey
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0401" n="395"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
ku&#x0364;mmert hat, wer der Gegner &#x017F;eyn mo&#x0364;chte! &#x2012; &#x2012;<lb/>
Nun vergleicht er &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t mit dem veralteten<lb/>
Lo&#x0364;wen in der Fabel, welcher, durch die &#x017F;chlagende<lb/>
Fer&#x017F;en eines feigen und vera&#x0364;chtlichen E&#x017F;els, mit<lb/>
zer&#x017F;toßenem Maul zu Boden geworfen i&#x017F;t.</p><lb/>
          <p>Jch habe &#x017F;eine Sache u&#x0364;bernommen. Er hat<lb/>
mir, jedoch nicht ohne Wider&#x017F;treben, Erlaubniß<lb/>
gegeben, ihn in den Be&#x017F;itz &#x017F;eines eignen Hau&#x017F;es<lb/>
zu &#x017F;etzen, und fu&#x0364;r ihn &#x017F;eine unglu&#x0364;ckliche Schwe-<lb/>
&#x017F;ter, die er bisher geringe geachtet, eben weil &#x017F;ie<lb/><hi rendition="#fr">unglu&#x0364;cklich</hi> i&#x017F;t, in da&#x017F;&#x017F;elbe einzufu&#x0364;hren. Es i&#x017F;t<lb/>
etwas hartes, &#x017F;agte er zu mir, und weinte, armer<lb/>
Schelm! indem er es &#x017F;agte, daß es ihm nicht ge-<lb/>
go&#x0364;nnet &#x017F;eyn kann, in &#x017F;einem eignen Hau&#x017F;e ruhig<lb/>
zu &#x017F;terben! &#x2012; &#x2012; Dieß &#x017F;ind die Fru&#x0364;chte von dem<lb/>
beglu&#x0364;ckten Stande, wenn man eine Maitre&#x017F;&#x017F;e<lb/>
ha&#x0364;lt.</p><lb/>
          <p>Ob er gleich er&#x017F;t vor nicht langer Zeit ihre<lb/>
Untreue erfahren hat: &#x017F;o kommt es doch nun her-<lb/>
aus, daß die&#x017F;e &#x017F;chon &#x017F;o lange fortgetrieben i&#x017F;t, daß<lb/>
er keine Ur&#x017F;ache hat, die Jungen fu&#x0364;r &#x017F;ein zu hal-<lb/>
ten. Wie verliebt pflegte er gleichwohl in die-<lb/>
&#x017F;elben zu &#x017F;eyn!</p><lb/>
          <p>Wo ich euren und un&#x017F;erer Mitge&#x017F;ellen Bey-<lb/>
&#x017F;tand no&#x0364;thig habe, den armen Kerl wieder einzu-<lb/>
&#x017F;etzen: &#x017F;o will ich euch davon Nachricht geben.<lb/>
Unterde&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t mir eben itzo erza&#x0364;hlt, daß Thoma-<lb/>
&#x017F;ine &#x017F;ich erkla&#x0364;re, nicht aus der Stelle zu weichen:<lb/>
denn es &#x017F;cheint, als wenn &#x017F;ie muthmaßer, man<lb/>
werde Maaßregeln nehmen, &#x017F;ie zu vertreiben. Sie<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ey</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[395/0401] kuͤmmert hat, wer der Gegner ſeyn moͤchte! ‒ ‒ Nun vergleicht er ſich ſelbſt mit dem veralteten Loͤwen in der Fabel, welcher, durch die ſchlagende Ferſen eines feigen und veraͤchtlichen Eſels, mit zerſtoßenem Maul zu Boden geworfen iſt. Jch habe ſeine Sache uͤbernommen. Er hat mir, jedoch nicht ohne Widerſtreben, Erlaubniß gegeben, ihn in den Beſitz ſeines eignen Hauſes zu ſetzen, und fuͤr ihn ſeine ungluͤckliche Schwe- ſter, die er bisher geringe geachtet, eben weil ſie ungluͤcklich iſt, in daſſelbe einzufuͤhren. Es iſt etwas hartes, ſagte er zu mir, und weinte, armer Schelm! indem er es ſagte, daß es ihm nicht ge- goͤnnet ſeyn kann, in ſeinem eignen Hauſe ruhig zu ſterben! ‒ ‒ Dieß ſind die Fruͤchte von dem begluͤckten Stande, wenn man eine Maitreſſe haͤlt. Ob er gleich erſt vor nicht langer Zeit ihre Untreue erfahren hat: ſo kommt es doch nun her- aus, daß dieſe ſchon ſo lange fortgetrieben iſt, daß er keine Urſache hat, die Jungen fuͤr ſein zu hal- ten. Wie verliebt pflegte er gleichwohl in die- ſelben zu ſeyn! Wo ich euren und unſerer Mitgeſellen Bey- ſtand noͤthig habe, den armen Kerl wieder einzu- ſetzen: ſo will ich euch davon Nachricht geben. Unterdeſſen iſt mir eben itzo erzaͤhlt, daß Thoma- ſine ſich erklaͤre, nicht aus der Stelle zu weichen: denn es ſcheint, als wenn ſie muthmaßer, man werde Maaßregeln nehmen, ſie zu vertreiben. Sie ſey

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/401
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 395. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/401>, abgerufen am 17.06.2024.