Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750.

Bild:
<< vorherige Seite



verfluchen; und die von dir gebrauchten Namen
des Drachen und der Schlangen, ob sie sich
gleich so gut zur Sache schickten. Denn hätte
ich diese Stellen gelesen: so hätte sie daraus ab-
nehmen müssen, daß du von Anfange gewußt,
was sie für Creaturen wären; und ein so schänd-
licher Kerl gewesen, als du wirklich gewesen bist,
da du eine Person von so reiner Tugend unter
sie gebracht hast. Jch beschloß mit dem Absatz,
mit welchem du selbst schließest: Eine Zeile!
Eine Zeile! Ein Königreich für eine Zeile!

etc. Jedoch sagte ich ihr; weil sie merkte, daß ich
eines und das andere vorbey ließ; es wären noch
mehr hestige Ausdrücke darinn: aber weil diesel-
ben bequemer wären, mir die Aufrichtigkeit des
Briefstellers zu zeigen, als von einem so zärtli-
chen Ohr, wie sie hätte, angehört zu werden; fo
hätte ich sie lieber übergehen wollen.

Sie haben genug gelesen, sprach sie - - Er
ist ein gottloser, gottloser Mensch! - - Jch sehe,
er hat sich vorgenommen gehabt, mich, auf was
für Art es seyn möchte, in seiner Gewalt zu ha-
ben. So wie seine Handlungen beschaffen ge-
wesen sind, darf ich im geringsten nicht zweifeln,
was er für Absichten geheget habe. Sie wissen
vermuthlich von seinem schändlichen Tomlinson
- - Sie wissen - - Jedoch was nützt das Re-
den? - - Niemals ist wohl ein so vorsetzlich fal-
sches Herz in einem Menschen gewesen - - Nichts
kann wahrer seyn, dachte ich!
- - Was hat
er nicht gelobet! Was hat er nicht erfunden!

Und
Z 5



verfluchen; und die von dir gebrauchten Namen
des Drachen und der Schlangen, ob ſie ſich
gleich ſo gut zur Sache ſchickten. Denn haͤtte
ich dieſe Stellen geleſen: ſo haͤtte ſie daraus ab-
nehmen muͤſſen, daß du von Anfange gewußt,
was ſie fuͤr Creaturen waͤren; und ein ſo ſchaͤnd-
licher Kerl geweſen, als du wirklich geweſen biſt,
da du eine Perſon von ſo reiner Tugend unter
ſie gebracht haſt. Jch beſchloß mit dem Abſatz,
mit welchem du ſelbſt ſchließeſt: Eine Zeile!
Eine Zeile! Ein Koͤnigreich fuͤr eine Zeile!

ꝛc. Jedoch ſagte ich ihr; weil ſie merkte, daß ich
eines und das andere vorbey ließ; es waͤren noch
mehr heſtige Ausdruͤcke darinn: aber weil dieſel-
ben bequemer waͤren, mir die Aufrichtigkeit des
Briefſtellers zu zeigen, als von einem ſo zaͤrtli-
chen Ohr, wie ſie haͤtte, angehoͤrt zu werden; fo
haͤtte ich ſie lieber uͤbergehen wollen.

Sie haben genug geleſen, ſprach ſie ‒ ‒ Er
iſt ein gottloſer, gottloſer Menſch! ‒ ‒ Jch ſehe,
er hat ſich vorgenommen gehabt, mich, auf was
fuͤr Art es ſeyn moͤchte, in ſeiner Gewalt zu ha-
ben. So wie ſeine Handlungen beſchaffen ge-
weſen ſind, darf ich im geringſten nicht zweifeln,
was er fuͤr Abſichten geheget habe. Sie wiſſen
vermuthlich von ſeinem ſchaͤndlichen Tomlinſon
‒ ‒ Sie wiſſen ‒ ‒ Jedoch was nuͤtzt das Re-
den? ‒ ‒ Niemals iſt wohl ein ſo vorſetzlich fal-
ſches Herz in einem Menſchen geweſen ‒ ‒ Nichts
kann wahrer ſeyn, dachte ich!
‒ ‒ Was hat
er nicht gelobet! Was hat er nicht erfunden!

Und
Z 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0367" n="361"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
verfluchen; und die von dir gebrauchten Namen<lb/>
des <hi rendition="#fr">Drachen</hi> und der <hi rendition="#fr">Schlangen,</hi> ob &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
gleich &#x017F;o gut zur Sache &#x017F;chickten. Denn ha&#x0364;tte<lb/>
ich die&#x017F;e Stellen gele&#x017F;en: &#x017F;o ha&#x0364;tte &#x017F;ie daraus ab-<lb/>
nehmen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, daß du von Anfange gewußt,<lb/>
was &#x017F;ie fu&#x0364;r Creaturen wa&#x0364;ren; und ein &#x017F;o &#x017F;cha&#x0364;nd-<lb/>
licher Kerl gewe&#x017F;en, als du wirklich gewe&#x017F;en bi&#x017F;t,<lb/>
da du eine Per&#x017F;on von &#x017F;o reiner Tugend unter<lb/>
&#x017F;ie gebracht ha&#x017F;t. Jch be&#x017F;chloß mit dem Ab&#x017F;atz,<lb/>
mit welchem du &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;chließe&#x017F;t: <hi rendition="#fr">Eine Zeile!<lb/>
Eine Zeile! Ein Ko&#x0364;nigreich fu&#x0364;r eine Zeile!</hi><lb/>
&#xA75B;c. Jedoch &#x017F;agte ich ihr; weil &#x017F;ie merkte, daß ich<lb/>
eines und das andere vorbey ließ; es wa&#x0364;ren noch<lb/>
mehr he&#x017F;tige Ausdru&#x0364;cke darinn: aber weil die&#x017F;el-<lb/>
ben bequemer wa&#x0364;ren, mir die Aufrichtigkeit des<lb/>
Brief&#x017F;tellers zu zeigen, als von einem &#x017F;o za&#x0364;rtli-<lb/>
chen Ohr, wie &#x017F;ie ha&#x0364;tte, angeho&#x0364;rt zu werden; fo<lb/>
ha&#x0364;tte ich &#x017F;ie lieber u&#x0364;bergehen wollen.</p><lb/>
          <p>Sie haben genug gele&#x017F;en, &#x017F;prach &#x017F;ie &#x2012; &#x2012; Er<lb/>
i&#x017F;t ein gottlo&#x017F;er, gottlo&#x017F;er Men&#x017F;ch! &#x2012; &#x2012; Jch &#x017F;ehe,<lb/>
er hat &#x017F;ich vorgenommen gehabt, mich, auf was<lb/>
fu&#x0364;r Art es &#x017F;eyn mo&#x0364;chte, in &#x017F;einer Gewalt zu ha-<lb/>
ben. So wie &#x017F;eine Handlungen be&#x017F;chaffen ge-<lb/>
we&#x017F;en &#x017F;ind, darf ich im gering&#x017F;ten nicht zweifeln,<lb/>
was er fu&#x0364;r Ab&#x017F;ichten geheget habe. Sie wi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
vermuthlich von &#x017F;einem &#x017F;cha&#x0364;ndlichen Tomlin&#x017F;on<lb/>
&#x2012; &#x2012; Sie wi&#x017F;&#x017F;en &#x2012; &#x2012; Jedoch was nu&#x0364;tzt das Re-<lb/>
den? &#x2012; &#x2012; Niemals i&#x017F;t wohl ein &#x017F;o vor&#x017F;etzlich fal-<lb/>
&#x017F;ches Herz in einem Men&#x017F;chen gewe&#x017F;en &#x2012; &#x2012; <hi rendition="#fr">Nichts<lb/>
kann wahrer &#x017F;eyn, dachte ich!</hi> &#x2012; &#x2012; Was hat<lb/>
er nicht gelobet! Was hat er nicht erfunden!<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Z 5</fw><fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[361/0367] verfluchen; und die von dir gebrauchten Namen des Drachen und der Schlangen, ob ſie ſich gleich ſo gut zur Sache ſchickten. Denn haͤtte ich dieſe Stellen geleſen: ſo haͤtte ſie daraus ab- nehmen muͤſſen, daß du von Anfange gewußt, was ſie fuͤr Creaturen waͤren; und ein ſo ſchaͤnd- licher Kerl geweſen, als du wirklich geweſen biſt, da du eine Perſon von ſo reiner Tugend unter ſie gebracht haſt. Jch beſchloß mit dem Abſatz, mit welchem du ſelbſt ſchließeſt: Eine Zeile! Eine Zeile! Ein Koͤnigreich fuͤr eine Zeile! ꝛc. Jedoch ſagte ich ihr; weil ſie merkte, daß ich eines und das andere vorbey ließ; es waͤren noch mehr heſtige Ausdruͤcke darinn: aber weil dieſel- ben bequemer waͤren, mir die Aufrichtigkeit des Briefſtellers zu zeigen, als von einem ſo zaͤrtli- chen Ohr, wie ſie haͤtte, angehoͤrt zu werden; fo haͤtte ich ſie lieber uͤbergehen wollen. Sie haben genug geleſen, ſprach ſie ‒ ‒ Er iſt ein gottloſer, gottloſer Menſch! ‒ ‒ Jch ſehe, er hat ſich vorgenommen gehabt, mich, auf was fuͤr Art es ſeyn moͤchte, in ſeiner Gewalt zu ha- ben. So wie ſeine Handlungen beſchaffen ge- weſen ſind, darf ich im geringſten nicht zweifeln, was er fuͤr Abſichten geheget habe. Sie wiſſen vermuthlich von ſeinem ſchaͤndlichen Tomlinſon ‒ ‒ Sie wiſſen ‒ ‒ Jedoch was nuͤtzt das Re- den? ‒ ‒ Niemals iſt wohl ein ſo vorſetzlich fal- ſches Herz in einem Menſchen geweſen ‒ ‒ Nichts kann wahrer ſeyn, dachte ich! ‒ ‒ Was hat er nicht gelobet! Was hat er nicht erfunden! Und Z 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/367
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 6. Göttingen, 1750, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa06_1750/367>, abgerufen am 18.09.2024.